" Die Bücher der Dichter bedürfen weder der Erklärung noch der Verteidigung, sie sind überaus geduldig und können warten und wenn sie etwas wert sind, dann leben sie meistens länger als alle die, die über sie streiten." Hermann Hesse

Reaktionen und Kommentare

Der expressionistische Schriftsteller Alfred Wolfenstein begrüßt die scharfe und scharfsichtige Entblößung des - nicht einmal mehr tragischen Drückebergertums des jetzigen Bürger-Ichs -, aber mehr noch den Versuch, in Richtung einer neuen, nicht -bürgerlichen Wirklichkeitsform vorzustoßen; allerdings geht ihm Hesse hierin noch nicht weit genug:


- Ein Mensch aus der Steppe der Gegenwart . . . Es handelt sich um einen Mann, der so männlich ist, sich nicht für eine Persönlichkeit zu halten , nämlich nicht für eine, sondern für eine ganze Masse davon. Um eine Bestie handelt es sich, die gegen die verlogene Vorstellung von unserer inneren Einheit, diese wohl vom antiken Körper her aufgebaute schöne Selbsttäuschung, die Zähne bleckt. Es handelt sich . . . um einen Anarchisten, der voll rasender Wut auf dieses falsch dastehende Dasein Warenhäuser und Kathedralen zerschlagen und der bügerlichen Weltordnung das Gesicht ins Genick drehen möchte. Es handel sich um einen Revolutionär des Ichs .. . -

- Dies Werk spricht in scharfen, erschütternden, phantastischen und klaren Worten zu uns, es hat eine wunderbare Höhe über jener einst seinen Dichter umfangenden Sentimentalität erreicht .. .Es ist, glaubt man sagen zu dürfen, ein willkommener Vorstoß zur immer noch so schwachen Front aller Freunde einer zukunftsreichen Auflösung, aller Feinde dieser alten, in ihrem Gegeneinander wie in ihrer Ordnung gleich falschen Welt. Weniger der einzelne Lebende als diese Welt leidet an jener Schizophrenie. Und da es bei der Spaltung des heutigen Ich nicht um das Doppelgängerspiel der Romantik geht,- nicht um die weltschmerzliche Zerrissenheit des Byron-Menschen, da es vielmehr die Vorstufe zu einer wohl grandiosen Zusammenführung der Menschen ist als die Erde je gesehen hat: -

- So wird auch die Dichtung, diese wesentlichste, menschlichste Äußerungsart, das starke Motiv in einer unmittelbaren Wirklichkeitsform als je behandelt, wie es im "Steppenwolf" schon geschehen ist. dann muß ein solches Werk freilich nicht mit dem wölfischen Weiterschweifen an der europäischen Mauer enden, auch nicht mit dem Ausblick in die rettende Weite des Humors, was bei so weiter chaotischer Problematik eher selbst nur ein humoristischer Einfall genannt werden kann. Sehe ich eins der letztenBilder des Dichters und sein vom Leben durchgearbeitetes Gesicht an, so spüre ich Hermann Hesses graden, von seiner schönen Musik begleiteten Vormarsch auf jenem Wege der Kunst und des Kampfes, wo es gegen die Erbfeinde unserer menschlichen Zukunft geht. Und wer diesenschritt gegen sich selbst getan hat, will ihn nicht mehr zurück tun. -

- Der Steppenwolf ist eine Dichtung des gegenbürgerlichen Mutes.-

aus : Alfred Wolfenstein : Wölfischer Traktat ( 1927 )

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" Hermann Hesse selbst rechnet mit sich und der Zeit in einem romanartig eingekleideten, doch durchsichtig als Autobiographie seiner gegenwärtigen Seelen- und Lebenssituation gestalteten Buche " Der Steppenwolf" . . . ab, in einem unerhört starken, schauerlich-erschütternden, menschlich wahrhaft großen Bekenntnis, das ebenso charakteristisch für die heutige Zeit wie für das Menschsein überhaupt ist. Hier ist der längst notwendige Ausschnitt durch eine entseelte, seelenfeindlichen Epoche, ein Querschnitt, der allen Menschen, die noch ein Herz haben, mitten durch den Lebensnerv gehen muß. Wer die Wahrheit dieses Buches nicht so erlebt, daß sie auf sein Leben zur Wandlung einwirkt, kann gewiß sein, selbst zu den entseelten, mechanistisch-amerikanisierten Menschen zu zählen, nichts Edel-menschliches sein eigen zu nennen. .. Die Grundlinie der Entwicklung Harrys ist mit seltenem dichterischen und geistigen Reichtum so durchgeführt, daß man diesen Roman als das geistige Zentralwerk unserer Zeit ansprechen muß. Wenn es sich auch noch in der Zone der Qual und er Negation bewegt, so strahlt doch schließlich die Sonne des reinen Geistes auf : Auch Hesse hat den Weg zur Lebenserfüllung durch den Geist selbst in dieser Zeit gefunden."

aus : Hanns Martin Elster : Bücherschau (1927 )

" In dem erschütternden, Wort für Wort zutreffenden "Traktat vom Steppenwolf" wird die Natur unseres verdammten Herzens so erschöpfend entlarvt, daß nun nichts zu tun übrig bleibt, als die enthüllte Vielspältigkeit unseres Wesens durch einen Entschluß, der freilich einer heroischen Tat gleichbedeutend wäre, zu der alten Einheit wieder zurückzuharmonisieren, in der allein sie verantwortet werden kann. Aber nicht dieser Weg ist hier angegeben : Es geht das Buch Hermann Hesses, trotz einer scheinbaren Linderung, die jedoch unmöglich dauern kann, nihilistisch aus. Eine ferne Hoffnung auf Erlösung wird nicht verschwiegen : Aber selbst wenn das Lachen der Unsterblichen, das als das letzte Ziel dem Dichter noch erstrebbar gilt, in seinem Herzen auch erschölle : das reine Lachen Mozarts wäre es kaum .. Dieser Ausblick trägt mit die Schuld daran, daß wir von Hesses Werk mit einer Empfindung scheiden, die wir nur ungern zulassen. Denn es kann eine solche Selbstentblößung, wie sie hier gewagt wird, nur gerechtfertigt werden, wenn sie Frucht trägt. . . ..Größe der inneren Fruchtbarkeit unserer Seele gegenüber, das ist's, was mangelt. Hätte sie sich erkämpfen lassen, das Buch vom "Steppenwolf" wäre das wichtigste der Epoche geworden. So aber wurde bloß von der Verzweiflung die Frage gestellt, die Antwort aber den Unsterblichen überlassen." .

aus : Felix Braun : Hermann Hesses neues Buch ( 1927 )

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