Friedrich Schiller
Kabale und Liebe
Ein bürgerliches
Trauerspiel.
Strichfassung – brokalhaus
münchen – theater ontour – wolfgang jelend und hwmueller
Personen:
Präsident von Walter, am Hof
eines deutschen Fürsten.
Ferdinand, sein Sohn, Major.
Hofmarschall von Kalb
Lady Milford, Favoritin des
Fürsten.
Wurm, Haussecretär des
Präsidenten.
Miller, Stadtmusikant oder, wie man sie an einigen Orten
nennt, Kunstpfeifer.
Dessen Frau
Luise, dessen Tochter.
Ein Kammerdiener des Fürsten.(SchülerIn)
Hofdiener.(SchülerIn)
Drei
Bühnenbereiche:Millers Haus mit Turm,der Zwischenraum=Rasenbank,das
Präsidentenzimmer,umdekoriert zu Lady Milfords Salon.
Erster
Akt.
Erste Szene.
Zimmer beim Musikus.
MILLER: (schnell auf- und abgehend). Einmal für allemal! Der Handel
wird ernsthaft. Meine
Tochter kommt mit dem Baron
ins Geschrei. Mein Haus wird verrufen.
FRAU:
Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt - hast ihm deine Tochter nicht
nachgeworfen.
MILLER: Hab' ihn nicht in mein Haus geschwatzt - hab' ihm 's Mädel
nicht nachgeworfen;
wer nimmt Notiz davon? - Ich
hätt' gleich Alles Seiner Exzellenz,
dem Herrn Papa, stecken sollen.
FRAU:
(aus der Küche): Possen! Geschwätz! Was kann über dich kommen? Wer kann dir
was anhaben?
MILLER: Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Handel auch
herauskommen? -
Nehmen kann er das Mädel
nicht -und zu einer - daß Gott erbarm? .. er wird ..
dem Mädel Eins hinsetzen und führt sich ab, und
das Mädel ist verschimpfiert auf ihr
Lebenlang, bleibt sitzen,
Jesus Christus! .. dem Major will ich weisen,
wo Meister Zimmermann das
Loch gemacht hat. (Er will fort.)
FRAU:
Sei artig, Miller. Nur nicht gleich mit
der Tür ins Haus! Wie du doch den Augenblick
in Feuer und Flammen stehst!
Ich sprech ja nur, man muss den Herrn Major nicht vorn Kopp
stossen weil er des Präsidenten Sohn ist.
MILLER: Da liegt der Has im Pfeffer. Darum, just eben darum muß die
Sach noch heut
auseinander. Ich werde
sprechen zu seiner Exzellenz: Dero Herr Sohn haben ein Aug
auf meine Tochter; meine
Tochter ist zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero
Herrn Sohnes Hure ist meine
Tochter zu kostbar, und damit basta! - Ich heiße Miller.
Zweite Szene.
Secretär WURM: Die Vorigen.
WURM:
N guten Morgen, allerseits!
MILLER: (verdrießlich). Guten Morgen. Wollen's ablegen, Herr Landsmann?
Wurm (legt Hut und Stock
weg, setzt sich). Nun! nun! und wie befindet sich denn meine
Zukünftige, Mamsell Luise?
MILLER: Sie ist eben in der Meß, meine Tochter.
WURM:
Das freut mich, freut mich. Ich werd' mal eine fromme, christliche Frau an ihr
haben.
FRAU:(guckt
aus der Küche). Ja - aber, Herr Sekertare -
WURM:
(in sichtbarer Verlegenheit):Weib!
FRAU:(guckt
aus Küche): Wenn Ihnen unser Haus sonst irgend wo dienen kann –
mit allem Vergnügen, Herr
Sekertare -
WURM: (macht falsche Augen). Sonst irgendwo!
Schönen Dank! Schönen Dank! - Hem! hem!
FRAU:
Aber - wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden haben -
MILLER: (voll Zorn seine Frau vor den Hintern stoßend). Weib!
FRAU:
Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen Kind mag man doch auch
nicht vor
seinem Glück sein.
(Bäurisch-stolz.) Sie werden mich ja doch wohl merken, Herr Sekertare?
WURM:
( kratzt hinter den Ohren). Merken? Nicht doch - O ja - Wie meinen Sie denn?
FRAU:
Nu - nu - ich dächte nur - ich meine, (hustet) weil eben halt der liebe Gott
meine
Tochter barrdu zur gnädigen
Madam will haben -
WURM: (fährt hoch). Was sagen Sie da? Was?
MILLER: Bleiben sitzen! Bleiben sitzen, Herr Sekretarius! Das Weib ist
eine alberne Gans.
FRAU:
Schmäl du, so lang du willst. Was ich weiß, weiß ich - und was der Herr Major
gesagt hat, das hat er
gesagt.
MILLER: (aufgebracht, springt nach der Geige). Willst du dein Maul
halten? Willst du die Violon
am Hirnkasten wissen? - Was
kannst du wissen? Was kann er gesagt haben? - Kehren
sich an das Geklatsch nicht,
Herr Vetter - Marsch du, in deine Küche! - Werden mich
doch nicht für des Dummkopfs
leiblichen Schwager halten, daß ich oben aus woll' mit
dem Mädel? Werden doch das
nicht von mir denken, Herr Sekretarius?
WURM:
Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister. Sie haben mich
jederzeit den Mann von Wort
sehen lassen und meine Ansprüche auf Ihre Tochter waren
so gut als unterschrieben.
MILLER: Lassen Sie es gut sein, Herr Vetter! Es bleibt beim Alten.
Ich zwinge meine Tochter
nicht. Das Mädel muß mit Ihnen leben - ich nicht. -
FRAU:
Und kurz und gut - ich geb meinen Konsens absolut nicht; meine Tochter ist zu
was Hohem gemünzt, und ich
lauf' in die Gerichte, wenn mein Mann sich beschwatzen
läßt.
MILLER: Willst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul? (Frau
verschwindet)
WURM:
(zu Millern). Ein väterlicher Rat vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich
werden
Sie mich kennen, Herr
Miller?
MILLER: Ich rate meiner Tochter zu Keinem - aber Ihnen mißrat ich
meineTochter,
Herr Sekretarius! Lassen
mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater zu Hilfe ruft,
trau' ich - erlauben Sie -
keine hohle Haselnuß zu. Ist er was, so wird er sich schämen,
seine Talente durch diesen
altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen - Hat er die
Courage nicht, so ist er ein
Hasenfuß, und für den sind keine Luisen gewachsen - -
WURM:
(greift nach Hut und Stock und zum Zimmer hinaus). Obligation, Herr Miller!
MILLER: (geht ihm langsam nach). Für was? für was?
Sekretarius!
(Zurückkommend.) Nichts hört er, und hin zieht er - -
Dritte Szene.
Luise Millerin kommt, ein
Buch in der Hand. Vorige.
LUISE:
(legt das Buch nieder, geht zu Millern und drückt ihm die Hand). Guten Morgen,
lieber Vater.
MILLER:(warm). Brav, meine Luise - Freut mich, daß du so fleißig an
deinen Schöpfer
denkst. Bleib immer so, und
sein Arm wird dich halten.
LUISE:
O! ich bin eine schwere Sünderin, Vater - War er da ? Des Walters Ferdinand? Er
war nicht da?
MILLER: (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise hätte den
Namen in der Kirche gelassen?
LUISE:
(nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh' ihn, Vater -
fühle das Messer,
das Er in mein Gewissen
stößt; aber es kommt zu spät.
MILLER: (wirft sich unmutig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist die
Frucht von dem gottlosen Lesen.
LUISE:
(tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist?
MILLER: (beugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das
Gesicht). Höre, Luise - das Bissel
Bodensatz meiner Jahre, ich
gäb' es hin, hättest du den Major nie gesehen.
LUISE:
(erschrocken). Was sagt Er da? was? - Nein, er meint es anders, der gute Vater.
Er
wird nicht wissen, daß
Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der
Liebenden.
MILLER: (tritt auf sie zu, drückt sie wider seine Brust). Luise -
teures - herrliches Kind - nimm
meinen alten mürben Kopf -
nimm Alles - Alles! - den Major - Gott ist mein Zeuge - ich
kann dir ihn nimmer geben.
(Er geht ab.)
Zwischenszene:
Luise zieht Rock aus,schaut
aus dem Fenster nach Ferdinand.Ferdinand kommt über „Balkon“
Vierte Szene.
Ferdinand von Walter.
Luise.(sie Rangeln am Boden bis sie sich eine Zeitlang stillschweigend ansehen)
FERDINAND: Du bist blaß, Luise?
LUISE:
(steht auf und fällt ihm um den Hals). Es ist nichts! nichts! Du bist ja da. Es
ist vorüber.
FERDINAND: (ihr Hand nehmend und zum Munde führend). Und liebt mich meine
Luise noch? Mein
Herz ist das gestrige, ist's
auch das deine noch?
LUISE:
Doch, doch, mein Geliebter.
FERDINAND: Rede mir Wahrheit. Du bist's nicht. Ich schau durch deine
Seele.
- Was bekümmert dich?
LUISE:
(sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an. Ferdinand! Ferdinand! Daß du
doch wüßtest, wie schön in
dieser Sprache das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt -
FERDINAND: Was ist das? (Befremdet.) Mädchen! Höre! wie kommst du auf das?
- Du bist
Meine Luise. Wer sagt dir,
daß du noch etwas sein solltest?
LUISE:
(faßt seine Hand, indem sie den Kopf schüttelt). Du willst mich einschläfern,
Ferdinand - willst
meine Augen von diesem
Abgrund hinweglocken, in den ich ganz gewiß stürzen muß. Ich
seh' in die Zukunft - Ein
Dolch über dir und mir! - Man trennt uns!
FERDINAND: Trennt uns! (Er springt auf.) Woher bringst du diese Ahnung,
Luise? Trennt uns?
- Wer kann den Bund zweier
Herzen lösen, oder die Töne eines Akkords auseinander
reißen? - Ich bin des
Präsidenten Sohn.
LUISE:
O wie sehr fürcht' ich ihn - diesen Vater!
FERDINAND: Ich fürchte nichts - nichts - als die Grenzen deiner Liebe.
LUISE:
Ich hatte diese Träume vergessen und war glücklich - Jetzt! jetzt! von heut an
-
der Friede meines Lebens ist
aus - Wilde Wünsche - ich weiß es - werden in meinem
Busen rasen. - Geh - Gott
vergebe dir's - (Sie stürzt hinaus.Er
folgt ihr sprachlos nach.)
Zwischenszene:Luise läuft
aus dem Zimmer,Ferdinand nimmt ihr Tuch,es löst sich dabei von Luises Hals.
Fünfte Szene.
Saal beim Präsidenten.
Der Präsident, und Sekretär
Wurm treten auf.
PRAESIDENT: Mein Sohn? - Nein, Wurm, das macht Er mich nimmermehr glauben.
WURM:
Ihro Exzellenz haben die Gnade, mir den Beweis zu befehlen.
PRAESIDENT: Daß er der Bürgerkanaille den Hof macht - und noch gar die
Tochter eines Musikus, sagt
Er?
WURM:
Musikmeister Millers Tochter.
PRAESIDENT: Hübsch - Zwar das versteht sich.
WURM:
(lebhaft). Das schönste Exemplar einer Blondine, die, nicht zu viel gesagt,
neben
den ersten Schönheiten des
Hofes noch Figur machen würde.
PRAESIDENT: (lacht). Er sagt mir, Wurm - Er habe ein Aug auf das Ding - das
find' ich. Aber
sieht Er, mein lieber Wurm -
daß mein Sohn Gefühl für das Frauenzimmer hat, macht mir
Hoffnung, daß ihn die Damen
nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen.
Er kann Präsident werden.
(plötzlich ernsthaft). Wurm, besinn' Er sich, ...
Ich will einen Spaß daraus
machen, daß Er mich aufhetzen wollte.
Daß Er sich seinen
Nebenbuhler gern vom Hals geschafft hätte, glaub'
ich Ihm herzlich gern. Da Er
meinen Sohn bei dem Mädchen auszustechen Mühe haben
möchte, soll Ihm der Vater
zur Fliegenklatsche dienen.
WURM:
Wenn auch wirklich die Eifersucht hier im Spiel sein sollte, so wäre sie es
wenigstens nur mit den Augen
und nicht mit der Zunge.
PRAESIDENT Überdies kann Er mit Nächstem die Freude haben, seinem
Nebenbuhler
den Spott auf die schönste
Art heimzugeben.- Der Herzog sucht eine Partie für die Milford.
Damit nun der Fürst im Netz
meiner Familie bleibe, soll mein Ferdinand die Milford heiraten -
Ich kündige meinem Sohn noch
diesen Vormittag seine Vermählung an.
WURM:
Gnädiger Herr, ich bitte sehr um Vergebung. Wählen Sie ihm zur Probe eine
untadelige Partie.Und sagt er ja,so lassen Sie den Sekretär Wurm drei Jahre in
Ketten legen.
PRAESIDENT: (geht auf und nieder, preßt seinen Zorn zurück). Gut! Diesen
Morgen noch.
(Wurm ab)
Zwischenszene:Ferdinand kommt
,horcht und schaut zum Millerschen Fenster hinauf,setzt sich dann auf den
Boden,auf die „Rasenbank“
Präsident spielt Golf in
seinem Zimmer.
Sechste Szene.
Hofmarschall von Kalb fliegt
mit großem Gekreisch auf den Präsidenten zu
HOFMARSCHALL:(leicht tuntig, ihn umarmend). Ah guten Morgen, mein
Bester! Wie geruht?
wie geschlafen? - Sie
verzeihen doch, daß ich so spät das Vergnügen habe - dringende Geschäfte –
und dann mußt' ich ja auch
bei dem Lever zugegen sein und Seiner Durchlaucht
das Wetter verkündigen.
PRAESIDENT: Sie sprachen also schon mit dem Herzog?
HOFMARSCHALL:(wichtig). Zwanzig Minuten und eine halbe.
PRAESIDENT: Das gesteh' ich! - und wissen wir also ohne Zweifel eine
wichtige Neuigkeit?
HOFMARSCHALL:(ernsthaft). Seine Durchlaucht haben heute einen
Merde d'Oye Biber an.
PRAESIDENT: Man denke! - Nein, Marschall, so hab' ich doch eine bessere
Zeitung für Sie -
Daß Lady Milford Majorin von
Walter wird, ist Ihnen gewiß etwas Neues?
HOFMARSCHALL:Denken Sie! - Und das ist schon richtig gemacht?
PRAESIDENT: Unterschrieben, Marschall - und Sie verbinden mich, wenn Sie
ohne Aufschub
dahin gehen, die Lady auf
seinen Besuch präparieren und den Entschluß meiner
Ferdinands in der ganzen
Residenz bekannt machen.
HOFMARSCHALL:(entzückt). O mit tausend Freuden, mein Bester! -
(Umarmt ihn.)
Leben Sie wohl - in drei
Viertelstunden weiß es die ganze Stadt. (Hüpft hinaus.)
PRAESIDENT: (lacht dem Marschall nach). Man sage noch, daß diese Geschöpfe
in der Welt zu
nichts taugen - Nun muß ja
mein Ferdinand wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen.
(Klingelt - ) Mein Sohn soll
hereinkommen. ( der Präsident auf und nieder, gedankenvoll.)
Zwischenszene:Ferdinand bekommt Nachricht.Läuft los zu seinem
Vater,während der Golf spielt.
Siebente Szene.
FERDINAND,PRAESIDENT,ALLEIN
FERDINAND: Sie haben befohlen, gnädiger Herr Vater -
PRAESIDENT: Ferdinand, ich
beobachte dich schon eine Zeitlang und finde die
offene rasche Jugend nicht
mehr, die mich sonst so entzückt hat. Ein seltsamer Gram
brütet auf deinem Gesicht.
Du fliehst mich - du fliehst deine Zirkel - Pfui! - Deinen Jahren
verzeiht man zehn
Ausschweifungen vor einer einzigen Grille.Komm! umarme mich, Ferdinand!
FERDINAND: Sie sind heute sehr gnädig, mein Vater.
PRAESIDENT: (Ernsthaft.) Ferdinand! - Wem zu lieb hab' ich die gefährliche
Bahn zum Herzen
des Fürsten betreten? - Sage mir, Ferdinand! Wem tat ich
dies alles?
FERDINAND: (tritt mit Schrecken zurück). Doch mir nicht, mein Vater?
PRAESIDENT: Wenn es nach deinem Kopf ginge, du kröchest dein Leben lang im
Staube.
FERDINAND: O, immer noch besser, Vater, als ich kröch' um den Thron herum.
PRAESIDENT: (verbeißt seinen Zorn). Hum! - Zwingen muß man dich, dein Glück
zu erkennen.
Eine herrliche Aussicht
dehnt sich vor dir! - Die ebene Straße zunächst nach
dem Thron - zum Thron
selbst. - Das begeistert dich nicht?
FERDINAND: Weil meine Begriffe von Größe und Glück nicht ganz die Ihrigen
sind - Ihre
Glückseligkeit macht sich
nur selten anders, als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht,
Verwünschung sind die
traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers
belächelt. - Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer
in mich selbst zurück.
In meinem Herzen liegen alle
meine Wünsche begraben. -
PRAESIDENT: Meisterhaft! Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreißig Jahren die
erste
Vorlesung wieder! - Schade
nur, daß mein fünfzigjähriger Kopf zu zäh für das Lernen ist!
- Doch - dies seltne Talent
nicht einrosten zu lassen, will ich dir Jemand an die Seite
geben. - Du wirst dich
entschließen - noch heute entschließen - eine Frau zu nehmen.
FERDINAND: (tritt bestürzt zurück). Mein Vater?
PRAESIDENT: Ohne Komplimente. - Ich habe der Lady Milford in deinem Namen
eine Karte
geschickt. Du wirst dich
ohne Aufschub bequemen, dahin zu gehen und ihr zu sagen, daß
du ihr Bräutigam bist!
FERDINAND: Der Milford, mein Vater?
Würden Sie Vater zu dem Schurken Sohn sein wollen,
der eine privilegierte
Buhlerin heiratete?
PRAESIDENT: Noch mehr! Ich würde selbst um sie werben, wenn sie einen
Fünfziger
möchte - Würdest du zu dem
Schurken Vater nicht Sohn sein wollen?
FERDINAND: Nein! So wahr Gott lebt!
PRAESIDENT: Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge?
FERDINAND: Ich gebe Ihnen mein
Leben, wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben
hab' ich von Ihnen, ich
werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Größe zu
opfern. - Meine Ehre, Vater
- wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein leichtfertiges
Schelmenstück, mir das Leben
zu geben, und ich muß den Vater wie den Kuppler
verfluchen.
PRAESIDENT: Brav,lieber Sohn.Jetzt seh ich,dass du der besten Frau im
Herzogtum würdig bist.Noch diesen Nachmittag wirst du dich mit der Gräfin von
Ostheim verloben.Wo doch hoffentlich deine Ehre nichts einwenden wird.---- Ich
warte auf deine Dankbarkeit, Ferdinand -
FERDINAND: (stürzt auf ihn zu und küßt ihm feurig die Hand) - Vater!
meinen heißesten Dank für Ihre herzliche Meinung - Ihre Wahl ist
untadelhaft - aber - ich
kann - ich darf - - ich kann die Gräfin nicht
lieben!
PRAESIDENT: (tritt einen Schritt zurück). Holla! Jetzt hab' ich den jungen
Herrn!
- Also es war nicht die
Ehre, die dir die Lady verbot? - Es war
nicht die Person, sondern
die Heirat, die du verabscheutest? –
(Ferdinand steht zuerst wie
versteinert, dann fährt er auf und will fortrennen).
PRAESIDENT: Wohin? Halt! Ist das der Respekt, den du mir schuldig bist?
Du bist bei der Lady
gemeldet. Der Fürst hat mein Wort.
Geh den Augenblick! Die
Wachtparade fängt an!
Du wirst bei der Lady sein,
sobald die Parole gegeben ist -
Junge, ich sage dir, du
wirst dort sein! (Ferdinand ab.)
Zwischenszene:Kammerdiener
kommt mit Orden.Auf Hornsignal und Preuss. Marsch Präsident zu Millerschen
Haus.Kurze Pantomime(macht Miller Vorhaltungen)
Präsident (zu Miller):Das
lasse ich mir nicht bieten,Miller.Ich bin der Präsident!
Kammerdiener dekoriert und ab.Lady kommt dann mit
Keksdose,schliesst das Fenster.
Zweiter
Akt.
Ein Saal im Palais der Lady
Milford;.
Zweite Szene.
Kammerdiener des Fürsten,
der ein Schmuckkästchen trägt.
KAMMERDIENER: Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady
zu Gnaden und
schicken Ihnen diese
Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen so eben erst aus Venedig.
LADY:
(hat das Kästchen geöffnet und fährt erschrocken zurück). Mensch! was bezahlt
dein Herzog für
diese Steine?
KAMMERDIENER: (mit finsterm Gesicht). Sie kosten ihn keinen
Heller!
LADY:Was?
Bist du rasend? Nichts? - und (indem sie einen Schritt von ihm wegtritt) du
wirfst mir
ja einen Blick zu, als wenn
du mich durchbohren wolltest - Nichts kosten ihn diese
unermeßlich kostbaren
Steine?
KAMMERDIENER: Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika
fort - die
bezahlen Alles.
LADY:
(nach einer Pause zum Kammerdiener)Mensch/Kind(Schueler)! Was ist dir? Ich
glaube, du weinst?
KAMMERDIENER: (wischt sich
die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle Glieder zitternd).
Edelsteine, wie diese da -
ich hab' auch ein paar Brüder drunter.
LADY:
(mit starkem Schritt auf und nieder gehend). Abscheulich! Fürchterlich! - Mich
beredet man,
ich habe sie alle
getrocknet, die Tränen des Landes - Schrecklich, schrecklich gehen mir
die Augen auf - Geh du - Sag
deinem Herrn - Ich werd' ihm persönlich danken!
(Kammerdiener will gehen,
sie wirft ihm Banknoten zu:
Und das nimm, weil du mir
Wahrheit sagtest -
KAMMERDIENER: (wirft sie verächtlich hin). Legt's zu dem Übrigen.
(Er geht ab.)
Zwischenszene: Lady reisst
in Wut und Verzweiflung die Tücher herunter, wälzt sich zuletzt am Boden.
Dritte Szene.
Ferdinand von Walter.Lady
Milford.
FERDINAND: Wenn ich Sie worin
unterbreche, gnädige Frau -
LADY:
(unter merkbarem Herzklopfen). In nichts, Herr Major, das mir wichtiger wäre.
FERDINAND: Ich komme auf Befehl meines Vaters -
Und soll Ihnen melden, daß
wir uns heiraten - So weit der Auftrag meines
Vaters.
LADY: (zittert). Nicht Ihres eigenen Herzens?
FERDINAND: Minister und Kuppler pflegen das niemals zu fragen.
LADY: (mit einer Beängstigung). Und Sie selbst
hätten sonst nichts beizusetzen?
FERDINAND: Ich werde kurz sein, Milady!
LADY:Nun?
FERDINAND: Ich bin ein Mensch von Ehre.
LADY:Den
ich zu schätzen weiß.
FERDINAND: Kavalier.
LADY:Kein
beßrer im Herzogtum.
FERDINAND: Und Offizier.
LADY::
(schmeichelhaft). Sie berühren hier Vorzüge, die auch Andere mit Ihnen gemein
haben.
Warum verschweigen Sie
größere, worin Sie einzig sind?
FERDINAND: (frostig). Hier brauch' ich sie nicht.
LADY:
Aber für was muß ich diesen Vorbericht nehmen?
FERDINAND: (langsam und mit Nachdruck). Für den Einwurf der Ehre, wenn Sie
Lust haben
sollten, meine Hand zu
erzwingen.
LADY:
(schmerzhaft von ihm weggehend). Major! das hab' ich nicht verdient.
FERDINAND: Vergeben Sie. Wir reden
hier ohne Zeugen. Der Umstand, der
Sie und mich - heute und nie
mehr - zusammenführt, berechtigt mich, zwingt mich,
Ihnen mein geheimstes Gefühl
nicht zurück zu halten. - Es will mir nicht zu Kopfe,
Milady, daß eine Dame von so
viel Schönheit und Geist - Eigenschaften, die ein Mann
schätzen würde - sich an
einen Fürsten sollte wegwerfen können, der nur das Geschlecht
an ihr zu bewundern gelernt
hat, wenn sich diese Dame nicht schämte, vor einen Mann
mit ihrem Herzen zu treten.
LADY:
(mit Sanftmuth und Hoheit). Es ist das Erstemal, Walter, daß solche Reden an
mich
gewagt werden, und Sie sind
der einzige Mensch, dem ich darauf antworte - Daß Sie
meine Hand verwerfen, darum
schätz' ich Sie. Daß Sie meine Hand lästern, vergebe ich
Ihnen. Daß es Ihr Ernst ist,
glaube ich Ihnen nicht. Wer sich herausnimmt, Beleidigungen
dieser Art einer Dame zu
sagen, die nicht mehr als eine Nacht braucht, ihn ganz zu
verderben, muß dieser Dame
eine große Seele zutrauen, oder - von Sinnen sein -
Hören Sie also - Ich bin
nicht die Abenteurerin, Walter, für die Sie mich halten.
Ich bin fürstlichen Geblüts
– aber- Alle unsre Güter fielen der Krone zu. Wir wurden des Landes verwiesen.
Krank - ohne Namen - ohne
Schutz und Vermögen, kam ich nach Hamburg.
Der Herzog sah mich,
verfolgte mich- lag zu meinen Füßen und schwur, daß er
mich liebe Alle Bilder meiner glücklichen Kindheit wachten jetzt
wieder mit verführendem Schimmer auf -
Schwarz wie das Grab graute
mich eine trostlose Zukunft an - Mein Herz brannte nach
einem Herzen - Ich sank an
das seinige. (Von ihm wegstürzend.). Jetzt verdammen Sie mich!
Hören Sie weiter. Der Fürst
überraschte zwar meine wehrlose Jugend –
aber das Blut der Norfolk
empörte sich in mir: Du, eine geborene Fürstin, Emilie, rief es,
und jetzt eines Fürsten
Konkubine? - Die Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmersatte Hyäne, die
sich mit Heißhunger Opfer sucht. - Fürchterlich hatte sie schon in diesem Lande
gewütet - Ich nahm einen fürstlichen Eid von ihm in einer Stunde der
Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung mußte aufhören. Walter,ich habe
Kerker gesprengt,habe Todesurteile zerissen......
FERDINAND: (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal). Nichts mehr,
Milady! Nicht weiter!
LADY:Jetzt
oder nimmermehr! Lange genug hielt die Heldin Stand - das
Gewicht dieser Tränen mußt
du noch fühlen. (Im zärtlichsten Ton.) Höre, Walter - wenn eine
Unglückliche - sich an dich
preßt mit einem
Busen voll glühender,
unerschöpflicher Liebe - Walter! - und du jetzt noch das kalte Wort
Ehre sprichst - wenn diese
Unglückliche - niedergedrückt vom Gefühl ihrer Schande - des
Lasters überdrüssig - sich
so - in
deine Arme wirft (sie umfaßt
ihn,) - durch dich gerettet - durch dich dem
Himmel wieder geschenkt sein
will, oder (das Gesicht von ihm abgewandt, mit hohler bebender Stimme)
deinem Bild zu entfliehen,
dem fürchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch
abscheulichere Tiefen wieder
hinuntertaumelt -
FERDINAND: Nein, beim großen Gott! ich kann das nicht - Lady, ich muß –
Himmel und Erde liegen auf
mir - ich muß Ihnen ein Geständnis tun, Lady!
LADY: Jetzt nicht! Jetzt nicht, bei Allem, was
heilig ist -
- Sei's Tod oder Leben - ich
darf es nicht - ich will es nicht hören!
FERDINAND: Doch, doch, beste Lady! Sie müssen es. Was ich Ihnen jetzt
sagen werde,
wird meine Strafbarkeit
mindern und eine warme Abbitte des Vergangenen sein - Ich
habe mich in Ihnen betrogen,
Milady. Ich erwartete - ich wünschte, Sie meiner
Verachtung würdig zu finden.
Fest entschlossen, Sie zu beleidigen und Ihren Haß zu
verdienen, kam ich her -
Glücklich wir Beide, wenn mein Vorsatz gelungen wäre! (Er schweigt eine Weile,
darauf leise und
schüchterner.) Ich liebe, Milady - liebe ein bürgerliches Mädchen - Luise
Millerin,
eines Musikus Tochter. (Lady
wendet sich bleich von ihm weg, er fährt lebhafter fort.) Ich weiß, worein
ich mich stürze; Ich bin der
Schuldige. - aber ich liebe. – Sie
wollten mir etwas sagen, Milady?
LADY: (im Ausdruck des heftigsten Leidens). Nichts,
Herr von Walter! Nichts, als daß Sie sich und
mich und noch eine Dritte zu
Grund richten.
Wir können mit einander
nicht glücklich werden. Wir müssen doch der Voreiligkeit Ihres
Vaters zum Opfer werden.
Nimmermehr werd' ich das Herz eines Menschen haben, der mir
seine Hand nur gezwungen
gab.
FERDINAND: Gezwungen? Lady? gezwungen gab? und also doch gab? Können Sie
eine
Hand ohne Herz erzwingen?
Sie einem Mädchen den Menschen entwenden, der die ganze
Welt dieses Mädchens ist?
Sie einen Mensch von dem Mädchen reißen, das die ganze Welt
dieses Menschen ist? Sie,
Milady - vor einem Augenblick die bewundernswürdige Britin? -
Sie können das?
LADY:Weil
ich es muß. (Mit Ernst und Stärke.) Meine Leidenschaft, Walter, weicht meiner
Zärtlichkeit für Sie. Meine
Ehre kann's nicht mehr - Unsre Verbindung ist das Gespräch
des ganzen Landes. Alle
Augen, alle Pfeile des Spotts sind auf mich gespannt. Die
Beschimpfung ist
unauslöschlich, wenn ein Untertan des Fürsten mich ausschlägt.
Zwischenszene:Kammerdiener
kommt,übernimmt die Tücher von der Lady.Lady
Mit Keksdose ab.
Ferdinand im
Zwischenraum/Rasenbank mit Rose vor dem Millerschen Haus.
Der Präsident kommt voller
Wut vom Millerschen Haus zurück in sein Amtszimmer.
vierte und fuenfte Szene
Präsident:(zum Kammerdiener)....hat der Stadtmusikus
Miller,als ich ihn wegen seiner kupplerischen
Machenschaften befragte, mir
Beleidigungen an den Kopf geworfen-
mich unter anderem einen
Schelmen geheissen-mich tätlich bedroht
und bei seiner Festnahme
durch herzogliche Beamten den Gerichts-
diener März am Auge verletzt.
Das soll der Wurm aufschreiben und mir zur Unterschrift bringen.
Kammerdiener nickt und ab.
Sechste Szene.
(Beim Präsidenten)
PRAESIDENT: (ruft nach draußen). Bringt die Mamsell zu mir. Ihren Vater in
Haft.(Luise kommt)
PRAESIDENT: (Zu Luisen.) Wie lang
kennt Sie meinen Ferdinand, den Sohn des Präsidenten?
LUISE:
Diesem habe ich nie nachgefragt. Ferdinand von Walter besucht mich seit dem
November.
PRAESIDENT: Erhielt sie Versicherungen? (Ferdinand tritt hastig ein)
LUISE:
Er schwur mir Liebe.
FERDINAND: Und wird sie halten.
PRAESIDENT: Was willst du hier? Schweig! (zu Luise) Nahm Sie den Schwur an?
Luise: (zärtlich). Ich erwiderte
ihn.
FERDINAND: (mit fester Stimme). Der Bund ist geschlossen.
PRAESIDENT: Ich werde das Echo hinaus werfen lassen. (Boshaft zu Luisen.)
Aber er bezahlte
Sie doch jederzeit bar?
Luise: (aufmerksam). Diese Frage
verstehe ich nicht ganz.
PRAESIDENT: (mit beißendem Lachen). Nun! ich meine nur - Jedes Handwerk
hat, wie man
sagt, einen goldenen Boden -
auch Sie, hoff' ich, wird Ihre Gunst nicht verschenkt haben
- oder war's Ihr vielleicht
mit dem bloßen Verschluß gedient? Wie?
FERDINAND: (fährt wie rasend auf). Vater! Ehrfurcht befiehlt die Tugend
auch im Bettlerkleid.
PRAESIDENT: (in Flammen). (Ruft hinaus) Vater ins Zuchthaus - an den
Pranger die Mutter und Metze von Tochter! - Die Gerechtigkeit soll meiner Wut
ihre Arme borgen. Ein solches Gesindel
sollte meine Plane zerschlagen und ungestraft Vater und Sohn aneinander hetzen?
- Ha, Verflucht! Ich will meinen Haß
an eurem Untergang sättigen,
die ganze Brut, Vater, Mutter und Tochter, will ich meiner
brennenden Rache opfern.
FERDINAND: (tritt standhaft vor
sie hin). O nicht doch!
(Zum Präsidenten mit Unterwürfigkeit.) Keine Übereilung, mein
Vater! Wenn Sie sich
selbst lieben, keine
Gewalttätigkeit! - Es gibt eine Gegend in meinem Herzen, worin das
Wort Vater noch nie gehört
worden ist - Dringen Sie nicht bis in diese.
PRAESIDENT: Nichtswürdiger! Schweig!
FERDINAND: Vater, sie soll an den Pranger stehen, aber mit dem Major, des
Präsidenten
Sohn - Bestehen Sie noch
darauf?
PRAESIDENT: Desto possierlicher wird das Spektakel - Fort!
FERDINAND:Vater! Eh Sie meine Gemahlin beschimpfen, töte ich sie - Bestehen Sie noch darauf?
PRAESIDENT: Tu' es, wenn deine Klinge noch spitzig ist.
FERDINAND: Man führt sie zum
Pranger fort, unterdessen erzähl' ich der Residenz eine Geschichte,
wie man Präsident wird. (Ab.)
PRAESIDENT: (wie vom Blitz gerührt). Was ist das?- Ferdinand !
Dritter Akt.
Erste Szene.
Der Sekretär Wurm kommt.Der
Präsident spielt Golf.
PRAESIDENT: Der Streich war verwünscht.
WURM:
Wie ich befürchtete, gnädiger Herr. Zwang erbittert die Schwärmer immer, aber
bekehrt sie nie. Der gereizten Leidenschaft ist keine Torheit
zu bunt.
Geben Sie ihm Gelegenheit,
jene rechtmäßig abzuschütteln; machen Sie ihn
durch wiederholte Stürme auf
seine Leidenschaft glauben, daß Sie der zärtliche Vater
nicht sind, so dringen die
Pflichten des Patrioten bei ihm vor.
PRAESIDENT: Wurm - Wurm - Er führt mich da vor einen entsetzlichen
Abgrund.
WURM:
Also verzeihen Sie - Sie haben, dünkt mich, der biegsamen Hofkunst den ganzen
Präsidenten zu danken, warum
vertrauen Sie ihr nicht auch den Vater an?
PRAESIDENT: Wie wäre das zu machen?
WURM:
Auf die einfachste Art - und die Karten sind noch nicht ganz vergeben.
Unterdrücken Sie eine Zeit
lang, daß Sie Vater sind. Messen Sie sich mit einer
Leidenschaft nicht, die
jeder Widerstand nur mächtiger machte - Überlassen Sie es mir,
an ihrem eigenen Feuer den
Wurm auszubrüten, der sie zerfrißt.
Machen Sie ihm das Mädchen verdächtig - - Wahrscheinlich oder
nicht.
Ein Gramm Hefe reicht hin,
die ganze Masse in eine zerstörende Gärung zu jagen.
PRAESIDENT: Aber woher dieses Gramm nehmen?
WURM:
Da sind wir auf dem Punkt - vor allen Dingen, gnädiger Herr, erklären Sie sich
mir, wie viel Sie bei der
ferneren Weigerung des Majors auf dem Spiel haben - in
welchem Grade es Ihnen
wichtig ist, den Roman mit dem Bürgermädchen zu endigen und
die Verbindung mit Lady
Milford zu Stand zu bringen?
PRAESIDENT: Kann Er noch fragen, Wurm? - Mein ganzer Einfluß ist in Gefahr,
wenn die
Partie mit der Lady
zurückgeht.
WURM:(munter).
Jetzt haben Sie die Gnade und hören - Den Herrn Major Ferdinand umspinnen wir
mit List. Gegen das Mädchen
nehmen wir Ihre ganze Gewalt zu Hilfe. Wir diktieren ihr ein
Schrieb an eine dritte
Person in die Feder und spielen das mit guter Art dem Major Ferdinand in
die Hände.
PRAESIDENT: Toller Einfall! Als ob sie sich so geschwind hin bequemen
würde, ihr eigenes
Todesurteil zu schreiben?
WURM:
Sie muß, wenn Sie mir freie Hand lassen wollen. Ich kenne das gute Herz auf
und nieder. Sie hat nicht
mehr als zwo tödliche Seiten, durch welche wir ihre Gewissen
bestürmen können - ihren
Vater und den Ferdinand. Der letztere bleibt ganz und gar aus dem
Spiel; desto freier können
wir mit dem Vater umspringen.
PRAESIDENT: Als zum Exempel?
WURM:
Nach Dem, was Ew. Exzellenz mir von dem Auftritt in seinem Haus gesagt
haben, wird nichts leichter
sein, als den Vater mit einem Halsprozeß zu bedrohen. Die
Person des Günstlings und
Siegelbewahrers ist gewissermaßen der Schatten der Majestät
- Beleidigungen gegen jenen
sind Verletzungen dieser -
PRAESIDENT: Doch - ernsthaft dürfte der Handel nicht werden.
WURM:
Ganz und gar nicht - Nur in so weit, als es nötig ist, die Familie in die
Klemme
zu treiben - Die Not um so dringender zu machen, könnte
man auch die Mutter mitnehmen,
-sprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot, von ewiger
Festung, und machen den Brief
der Tochter zur einzigen
Bedingung seiner Befreiung.
PRAESIDENT: Gut! Gut! Ich verstehe.
WURM:
Sie liebt ihren Vater - bis zur Leidenschaft, möcht' ich sagen. Die Gefahr
seines
Lebens - seiner Freiheit zum
Mindesten - die Vorwürfe ihres Gewissens, den Anlaß dazu
gegeben zu haben - die
Unmöglichkeit, den Major zu besitzen - endlich die Betäubung
ihres Kopfs, die ich auf
mich nehme - es kann nicht fehlen - sie muß in die Falle gehn.
PRAESIDENT: Aber mein Sohn? Wird er nicht auf der Stelle Wind davon haben?
WURM:
Das lassen Sie meine Sorge sein, gnädiger Herr - Vater und Mutter werden nicht
eher freigelassen, bis die
ganze Familie einen körperlichen Eid darauf abgelegt, den
ganzen Vorgang geheim zu
halten und den Betrug zu bestätigen.
PRAESIDENT: Einen Eid? Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf?
WURM:
Nichts bei uns, gnädiger Herr! Bei dieser Menschenart Alles - Und sehen Sie
nun,
wie schön wir beide auf
diese Manier zum Ziele kommen werden -
PRAESIDENT: (lacht unter Kopfschütteln).
Das Geweb' ist satanisch fein. Der Schüler
übertrifft seinen Meister -
- Nun ist die Frage, an wen der Brief muß gerichtet werden?
Mit wem wir sie in Verdacht
bringen müssen?
WURM:
Notwendig mit Jemand, der durch den Entschluß Ihres Sohnes Alles gewinnen
oder Alles verlieren muß.
PRAESIDENT: (nach einigem
Nachdenken). Ich weiß nur den Hofmarschall.
WURM: (zuckt die Achseln). Mein Geschmack wär' es
nun freilich nicht, wenn ich Luise Millerin
hieße.
PRAESIDENT: Und warum nicht? Ich schicke zum Marschall.
WURM:
Unterdessen werd' ich hingehen und den bewußten Liebesbrief aufsetzen.
Zwischenszene:Präsident
setzt sich.Luise kommt nach Hause.Ruft nach Mutter und Vater.Kommt dann zum
Zwischenraum/Rasenbank.(Bollywoodmusik).Ferdinands Hand tanzt.Dann umarmt er
sie.Musik bricht ab.Sie springt auf...sie muss ja den Vater suchen....und weg.
Zweite Szene.
Der Präsident und der Hofmarschall.
HOFMARSCHALL: (eilfertig). Nur en passant, mein Bester! - Wie
leben Sie? Wie befinden Sie sich?
PRAESIDENT: Sie wissen mein Projekt mit dem Major und der Lady.
Es kann Alles
zusammenfallen, Kalb. Mein Ferdinand will nicht.
HOFMARSCHALL: Will nicht - will nicht - ich hab's ja in der ganzen
Stadt schon
herumgesagt. Die Mariage ist
in Jedermanns Munde.
PRAESIDENT: Sie können vor der ganzen Stadt als Windmacher dastehen. Er
liebt eine
Andere. Was wissen Sie hierauf
zu sagen?
HOFMARSCHALL: (mit einem Schafsgesicht). Mein Verstand steht
still.
PRAESIDENT: Das könnte noch hingehen. Aber zugleich hinterbringen mir meine
Spione,
daß der Oberschenk von Bock
auf dem Sprung sei, um die Lady zu werben.
HOFMARSCHALL: Wer sagen Sie? von Bock sagen Sie?
Wissen Sie denn auch, daß wir Todfeinde zusammen
sind?
PRAESIDENT: Das ist der Mann, der die Milford heiraten und die erste Person
am Hof
werden wird.
HOFMARSCHALL: Sie stoßen mir ein Messer ins Herz. Wird? wird? Warum
wird er? Wo ist
die Notwendigkeit?
PRAESIDENT: Weil mein Ferdinand nicht will und sonst Keiner sich meldet.
HOFMARSCHALL: Aber wissen Sie denn gar kein einziges Mittel, den
Major zum Entschluß
zu bringen?
PRAESIDENT: Ich weiß nur eines, und das bei Ihnen steht.
HOFMARSCHALL: Bei mir steht? Und das ist?
PRAESIDENT: Den Major mit seiner Geliebten zu entzweien.
HOFMARSCHALL: Zu entzweien? Wie meinen Sie das? - Und wie mach'
ich das?
PRAESIDENT: Alles ist gewonnen, sobald wir ihm das Mädchen verdächtig
machen.
HOFMARSCHALL: Daß sie stehle, meinen Sie?
PRAESIDENT: Ach nein doch! Wie glaubte er das? - daß sie es noch mit einem
Andern habe.
HOFMARSCHALL: Dieser Andre?
PRAESIDENT: Müßten Sie sein, Baron.
HOFMARSCHALL: Ich sein? Ich? - Ist sie von Adel?
PRAESIDENT: Wozu das? Welcher Einfall! - Eines Musikanten Tochter.
HOFMARSCHALL: Bürgerlich also? Das wird nicht angehen. Was?
PRAESIDENT: Was wird nicht angehen? Narrenspossen! Wem unter der Sonne wird
es
einfallen, ein paar runde
Wangen nach dem Stammbaum zu fragen?
HOFMARSCHALL: Aber bedenken Sie doch, ein Ehmann! Und meine
Reputation bei Hofe.
PRAESIDENT: Das ist was anders. Verzeihen Sie. Ich habe das noch nicht
gewußt, daß Ihnen
der Mann von unbescholtenen
Sitten mehr ist, als der von Einfluß. Wollen wir abbrechen?
HOFMARSCHALL: Seien Sie klug, Baron. Es war ja nicht so
verstanden.
PRAESIDENT: (frostig). Nein - nein! Sie haben vollkommen Recht. Ich bin es
auch müde. Ich
lasse den Karren stehen. Dem
von Bock wünsch' ich Glück zum Premierminister. Die Welt
ist noch anderswo. Ich
fordre meine Entlassung vom Herzog.
HOFMARSCHALL: Und ich? - Sie haben gut schwatzen, Sie! Sie sind
ein Studierter! Aber
ich, - mon Dieu! - was bin
dann ich, wenn mich Seine Durchlaucht entlassen? Ich beschwöre Sie,
Teurer, Goldner! - Ersticken
Sie diesen Gedanken! Ich will mir ja Alles gefallen lassen.
PRAESIDENT: Wollen Sie Ihren Namen zu einem Rendez-vous hergeben, den Ihnen
diese
Millerin schriftlich
vorschlagen soll?
HOFMARSCHALL: Im Namen Gottes! Ich will ihn hergeben.
PRAESIDENT: Und den Brief irgendwo herausfallen lassen, wo er dem Major zu
Gesicht kommen muß?
HOFMARSCHALL: Sobald ich sechzehn Visiten werde gegeben haben, die
von allerhöchster
Importance sind. Verzeihen
Sie also, wenn ich mich ohne Aufschub beurlaube. (schnell ab.)
Dritte Szene.
Der Präsident
PRAESIDENT: (ins off rufend/optional) Wurm, wo ist der Wurm?
HOFDIENER(tritt auf/optional): Der
Geiger und
seine Frau sind ja jetzt glücklich und ohne alles Geräusch in Verhaft
gebracht. Diesen Brief
schickt der Wurm, dass Ew. Excellenz
ihn jetzt überlesen?(ab)Er sammelt die Bälle auf und ab.
PRAESIDENT: (nachdem er gelesen)
Herrlich! herrlich, Sekretär! Auch der Marschall hat
angebissen! - Ein Gift wie
das müßte die Gesundheit selbst in eiternden Aussatz
verwandeln - Nun gleich mit
den Vorschlägen zum Vater, und dann warm zu der Tochter.
Präsident ab mit
Golfschläger.
(Gewitter,Regen)Luise kommt
von Suche zurück,zieht Mantel aus.(Vögel zwitschern)Wurm kommt mit Rose.
Sechste Szene.
Luise und Sekretär Wurm.
WURM:
(kommt näher). Guten Abend, Jungfer. Ich komme, geschickt von Ihrem Vater.
LUISE: (bestürzt). Von meinem Vater? - Wo ist mein
Vater?
WURM:
Wo er nicht gern ist.
LUISE:
Um Gotteswillen! - Wo ist mein Vater?
WURM:
Im Turm, wenn Sie es ja wissen wollen.
LUISE: (mit einem Blick zum Himmel). Das noch! Das
auch noch! - Im Turm? Und warum im Turm?
WURM:
Auf Befehl des Herzogs.
LUISE:
Des Herzogs?
WURM:
Der die Verletzung der Majestät in der Person seines Stellvertreters -
LUISE:
Was? was? WURM: Auffallend zu ahnden
beschlossen hat.
LUISE: Und Ferdinand?
WURM:
Wählt Lady Milford, oder Fluch und Enterbung.
LUISE:
Entsetzliche Freiheit! - Und doch - doch ist er glücklicher. Er hat keinen
Vater zu
verlieren. Zwar keinen haben,
ist Verdammnis genug! - Wo ist meine Mutter?
WURM:
Im Spinnhaus.
LUISE: (mit schmerzvollem Lächeln). Jetzt ist es
völlig! - (Schreckliches Stillschweigen.)
Haben Sie vielleicht noch
eine Zeitung? Reden Sie immerhin. Jetzt kann ich Alles hören.
WURM:
Was geschehen ist, wissen Sie.
LUISE:
Also nicht, was noch kommen wird? (Wiederum Pause, worin sie den Sekretär von
ober
bis unten ansieht.) Armer
Mensch! du treibst ein trauriges Handwerk, wobei du unmöglich selig
werden kannst.Sie sagten
vorhin, der Herzog wollte es auffallend ahnden? Was nennen Sie auffallend?
WURM:
Fragen Sie nichts mehr.
LUISE:
Höre, Mensch! Welches Schicksal wartet auf meinen Vater?
WURM:
Ein Kriminal-Prozeß.
LUISE:
Was ist aber das? -
WURM:
Gericht um Leben und Tod.
LUISE:
(standhaft). So dank' ich Ihnen! (Sie eilt schnell in ein Seitenzimmer.)
WURM: (steht betroffen da). Wo will das hinaus!
Teufel! Sie wird doch
nicht - ich muß für ihr
Leben bürgen. (Im Begriff, ihr zu folgen.)
LUISE: (kommt zurück, einen Mantel umgeworfen).
Verzeihen Sie, Sekretär. Ich schließe das
Zimmer.
WURM:
Und wohin denn so eilig?
LUISE:
Zum Herzog. (Will fort.)
WURM:
Was? Wo hin? (Er hält sie erschrocken zurück.)
LUISE:
Zum Herzog. Hören Sie nicht? Zu eben dem Herzog, der meinen Vater auf Tod
und Leben will richten
lassen..
WURM: (lacht überlaut). Zum Herzog!
LUISE:
Ich weiß, worüber Sie lachen - (Sie
will gehen.)
WURM:
(boshaft freundlich). Gehen Sie, o gehen Sie ja. Sie können wahrlich nichts
Klügeres
tun. Ich rate es Ihnen,
gehen Sie, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß der Herzog willfahren wird.
LUISE: (steht plötzlich still). Wie sagen Sie? -
Sie raten mir selbst dazu? (Kommt schnell zurück.)
Etwas Abscheuliches muß es
sein, weil dieser Mensch dazu rät.
- Woher wissen Sie, daß der
Fürst mir willfahren wird?
WURM:
Weil er es nicht wird umsonst tun dürfen.
LUISE:
Nicht umsonst? Welchen Preis kann er auf eine Menschlichkeit setzen?
WURM:
Die schöne Bittstellerin ist Preises genug.
Und einen Vater werden Sie doch, will ich hoffen,
um diese gnädige Taxe nicht
überfordert finden?
LUISE:
(auf und ab, außer Fassung). Ja! ja! Es ist wahr! Sie sind verschanzt, eure
Großen -
verschanzt vor der Wahrheit
hinter ihre eigenen Laster, Helfe dir der Allmächtige, Vater! Deine Tochter
kann für dich sterben, aber nicht sündigen.
WURM:
Das mag ihm wohl eine Neuigkeit sein, dem armen verlassenen Mann - »Meine
Luise,« sagte er mir, »hat
mich zu Boden geworfen. Meine Luise wird mich auch
aufrichten.« - Ich eile,
Mamsell, ihm die Antwort zu bringen. (Stellt sich, als ob er ginge.)
LUISE:
(eilt ihm nach, hält ihn zurück). Bleiben Sie! bleiben Sie! Geduld! Wie flink
dieser Satan
ist, wenn es gilt, Menschen
rasend zu machen! - Ich hab' ihn niedergeworfen. Ich muß
ihn aufrichten. Reden Sie!
Raten Sie! Was kann ich? was muß ich tun?
WURM:
Es ist nur ein Mittel.
LUISE:
Dieses einzige Mittel?
WURM:
Auch Ihr Vater wünscht -
LUISE:
Auch mein Vater? - Was ist das für ein Mittel?
WURM:
Wenn Sie den Major wieder frei machen wollen.
LUISE:
Von seiner Liebe? Spotten Sie meiner?
WURM:
So ist es nicht gemeint, liebe Jungfer. Der Major muß zuerst und freiwillig
zurücktreten.
LUISE:
Er wird nicht.
WURM:
So scheint es.
LUISE:
Kann ich ihn zwingen, daß er mich hassen muß?
WURM:
Wir wollen versuchen.
LUISE: (betreten). Mensch! Was brütest du?
WURM:
Setzen Sie sich. Schreiben Sie! Hier ist Feder, Papier und Tinte.
LUISE: (setzt sich in höchster Beunruhigung). Was
soll ich schreiben? An wen soll ich schreiben?
WURM:
An den Henker Ihres Vaters.
LUISE:
Ha! du verstehst dich darauf, Seelen auf die Folter zu schrauben. (Ergreift die
Feder.)
WURM: (diktiert). »Gnädiger Herr« -
LUISE: (schreibt mit zitternder Hand).
WURM:
»Schon drei unerträgliche Tage sind vorüber - - sind vorüber - und wir sahen
uns nicht«
LUISE: (stutzt, legt die Feder weg). An wen ist der
Brief?
WURM:
An den Henker Ihres Vaters.
LUISE: O mein
Gott!
WURM:
»Halten Sie sich deswegen an den Major - an den Major - der mich den ganzen
Tag wie ein Argus hütet«
LUISE:
(springt auf). Büberei, wie noch keine erhört worden! An wen ist der Brief?
WURM:
An den Henker Ihres Vaters.
LUISE: (die Hände ringend, auf und nieder). Nein!
nein! nein! das ist tyrannisch,
Warum zwischen Tod und
Schande mich hin und her wiegen? Warum diesen blutsaugenden Teufel mir auf den
Nacken setzen? - Macht, was ihr wollt.
Ich schreibe das nimmermehr.
WURM:
(greift nach dem Hut). Wie Sie wollen, Mademoiselle! Das steht ganz in Ihrem
Belieben.
LUISE:
Belieben, sagen Sie? In meinem Belieben? - O du weißt allzu gut, daß unser Herz
an natürlichen
Trieben so fest als an
Ketten liegt - Nunmehr ist Alles gleich. Diktieren Sie weiter! Ich
denke nichts mehr. (Sie
setzt sich zum zweitenmal.)
WURM:
»Den ganzen Tag wie ein Argus hütet« - Haben Sie das?
LUISE:
Weiter! weiter!
WURM:
»Ich habe gestern dem Präsidenten einen Besuch machen müssen. Es war
possierlich zu
sehen, wie der gute Major um
meine Ehre sich wehrte« -
LUISE:
O schön, schön! o herrlich! - Nur immer fort.
WURM:
»Ich nahm meine Zuflucht zu einer Ohnmacht - zu einer Ohnmacht - daß ich nicht
laut lachte«
LUISE: O
Himmel!
WURM:
»Aber bald wird mir meine Maske unerträglich - unerträglich - Wenn ich nur
loskommen könnte« -
LUISE:
(hält inne, steht auf, geht auf und nieder, den Kopf gesenkt, als suchte sie was
auf dem Boden; dann setzt sie
sich wiederum, schreibt
weiter). »Loskommen könnte«
WURM:
»Morgen hat er den Dienst - Passen Sie ab, wenn er von mir geht, und kommen
an den bewußten Ort« - Haben
Sie »bewußten?«
LUISE:
Ich habe Alles!
WURM:
»An den bewußten Ort zu Ihrer zärtlichen.... Luise«
LUISE:
Nun fehlt die Adresse noch.
WURM:
»An Herrn Hofmarschall von Kalb.«
LUISE:
Ein Name, so fremd meinen Ohren, als meinem Herzen diese schändlichen Zeilen.
(Sie steht auf und betrachtet eine große Pause lang mit starrem Blick das
Geschriebene, endlich reicht sie es dem Sekretär mit erschöpfter, hinsterbender
Stimme.) Nehmen Sie, mein Herr. Es ist mein ehrlicher Name - es ist Ferdinand -
es ist die ganze Wonne meines Lebens, was ich jetzt in Ihre Hände gebe - Ich
bin eine Bettlerin.
WURM:
O nein doch! Verzagen Sie nicht, liebe Mademoiselle. Ich habe herzliches
Mitleid
mit Ihnen. Vielleicht - wer
weiß? - Ich könnte mich noch wohl über gewisse Dinge
hinwegsetzen - Wahrlich! Bei
Gott! Ich habe Mitleid mit Ihnen.
LUISE: (blickt ihn starr und durchdringend an).
Reden Sie nicht aus, mein Herr. Sie sind auf dem
Wege, sich etwas
Entsetzliches zu wünschen.
WURM:
Wurm (im Begriff, ihre Hand zu küssen). Gesetzt, es wäre diese niedliche Hand -
Wie so, liebe Jungfer?
LUISE: (groß und schrecklich). Weil ich dich in der
Brautnacht erdrosselte und mich dann mit
Wollust aufs Rad flechten
ließe. (Sie will gehen, kommt aber schnell zurück.) Sind wir jetzt fertig,
mein Herr? Darf die Taube
nun fliegen?
WURM:
Nur noch die Kleinigkeit, Jungfer. Sie müssen vorher einen körperlichen Eid auf
das Sakrament
nehmen, diesen Brief für
einen freiwilligen zu erkennen.
LUISE:
Gott! Gott! und du selbst mußt das Siegel geben, die Werke der Hölle zu
verwahren.
Vierter
Akt.
Zwischenszen:Parademusik.Ferdinand
marschiert.Dann schert er aus,wirft Karten ins Publikum.Luise ist in die Küche
gegangen.Ferdinand wird gestört lässt übrige Karten fallen,sammelt sie
auf.Brief wird geworfen,er nimmt ihm und liest.Luise geht mit brennender Kerze
aus Küche und beginnt den Brief
An Ferdinand zu
schreiben,indem sie mitliest.“Ab
Stichwort „Gott“ kommt Hofmarschall in den Zwischenraum/Rasenbank,wo ihn
Ferdinand erwartet.
Dritte Szene.
Der Hofmarschall und FERDINAND.
HOFMARSCHALL:Sie haben den Wunsch blicken lassen, mein Bester -
Ferdinand (vor sich
hinmurmelnd). Einem Schurken den Hals zu brechen. (Laut.) Marschall,
dieser Brief muß Ihnen bei
der Parade aus der Tasche gefallen sein - und ich (mit boshaftem
Lachen) war zum Glück noch
der Finder.
HOFMARSCHALL: Sie?
FERDINAND: Durch den lustigsten Zufall. Machen Sie's mit der Allmacht aus.
HOFMARSCHALL: Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron.
FERDINAND: Lesen Sie! Lesen Sie! (Von ihm weggehend.) Bin ich auch schon
zum Liebhaber zu
schlecht, vielleicht lass'
ich mich desto besser als Kuppler an.
HOFMARSCHALL: (wirft den Brief hin und will sich davon machen).
Verflucht!
FERDINAND: (führt ihn am Arm zurück). Geduld, lieber Marschall. Die
Zeitungen dünken mich
angenehm. Ich will meinen
Finderlohn haben. (Hier zeigt er ihm die Pistolen.)
HOFMARSCHALL: (tritt bestürzt zurück). Sie werden vernünftig
sein, Bester.
FERDINAND: (mit starker, schrecklicher Stimme). Mehr als zu viel, um einen
Schelmen, wie du bist,
in jene Welt zu schicken!
(Er dringt ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch.)
Nehmen
Sie! Dieses Tuch da fassen
Sie! - Ich hab's von der Buhlerin.
HOFMARSCHALL: Über dem Tuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie?
FERDINAND: Fass dieses End' an, sag' ich! sonst wirst du ja fehl schießen,
Memme! - Wie
sie zittert, die Memme! Du
solltest Gott danken, Memme, daß du zum ersten Mal etwas
in deinen Hirnkasten
kriegst. (Hofmarschall macht sich auf die Beine.)
HOFMARSCHALL: (wischt sich die Stirn). Und Sie wollen Ihr
kostbares Leben so aussetzen,
junger, hoffnungsvoller
Mann?
FERDINAND: Schlag an, sag' ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt zu
tun.
HOFMARSCHALL: Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster.
FERDINAND: Wie er dasteht, der Schmerzenssohn! - Dasteht dem sechsten
Schöpfungstag zum Schimpfe!
- Schade nur, ewig Schade für die Unze Gehirn,
die so schlecht in diesem
undankbaren Schädel wuchert.
HOFMARSCHALL:O! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig.
FERDINAND: Ich will ihn gelten lassen(will abdruecken).
HOFMARSCHALL: (für sich hinseufzend). O mein
Gott! Wer hier
weg wäre! Hundert Meilen von
hier, im Irrenhaus, nur bei
diesem nicht!
FERDINAND: Bube! (Den Brief hoch zeigend)Wenn sie nicht rein mehr ist?
Bube! wenn du genossest,
wo ich anbetete? (wütender)
Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!
HOFMARSCHALL: Lassen Sie mich los. Ich will Alles verraten.
FERDINAND: Wie weit kamst du mit ihr? Ich drücke ab, oder bekenne!
HOFMARSCHALL: Es ist nichts - ist ja Alles nichts. Haben Sie nur
eine Minute Geduld. Sie
sind ja betrogen.
FERDINAND: Und daran mahnst du mich, Bösewicht? - Wie weit kamst du mit
ihr? Du bist
des Todes, oder bekenne!
HOFMARSCHALL: Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja - so hören Sie
doch nur - Ihr Vater -
Ihr eigener, leiblicher
Vater -
FERDINAND: (grimmiger). Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit
kamst du mit
ihr? Ich ermorde dich, oder
bekenne!
HOFMARSCHALL: Sie hören nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie
nicht. Ich weiß gar nichts von ihr.
FERDINAND: (zurücktretend). Du sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weißt gar
nichts von ihr? -
Die Millerin ist verloren um
deinetwillen; du leugnest sie dreimal in einem Atem
hinweg? - Für deines
Gleichen ist kein Pulver erfunden. Fort, schlechter Kerl!(Wirft Pistole hin)
(Hofmarschall nimmt die zweite
Pistole mit heraus)
Zwischenszene:Ferdinand
und Luise stehen auf beiden Seiten der Wand und atmen laut.Als Miller kommt
versteckt sich Ferdinand auf dem Balkon.
Fünfter
Akt.
Abend zwischen Licht im
Zimmer beim Musikanten.
Erste Szene.
Luise sitzt stumm und ohne
sich zu rühren in dem finstersten Winkel des Zimmers, den
Kopf auf den Arm gesunken.
Miller macht das Licht an. L. sitzt wie im Beichtstuhl)
MILLER: Bist du da, mein Kind? Bist du? - Aber warum denn so einsam und
ohne
Licht?
LUISE:
Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn's so recht schwarz wird um mich herum,
hab' ich meine besten
Besuche.
MILLER: Kind! Was für Reden sind das?
LUISE: (steht auf und kommt vorwärts). Ich hab'
einen harten Kampf gekämpft. Der Kampf ist entschieden.
MILLER: Höre, Tochter! ich wollte du heultest. Du gefielst mir so
besser.
LUISE:
Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und kühner...Ich gehe an einen anderen
Ort. Mit Ferdinand.
MILLER: Hum! rede deutlicher.
LUISE:
Ich weiß so eben kein liebliches Wort dafür - Er muß nicht erschrecken, Vater,
wenn ich Ihm ein häßliches
nenne. Dieser Ort - O warum hat die Liebe nicht Namen
erfunden! den schönsten
hätte sie diesem gegeben. Der Ort,
guter Vater - aber Er
muß mich ausreden lassen -
der Ort ist das Grab.
MILLER: (zu seinem Sessel
hinwankend). Höre, Luise, wenn du noch Platz für das Gefühl
eines Vaters hast - Tochter!
gefallene, vielleicht schon verlorene Tochter!
Hier das Messer. Durchstich
dein und das Vaterherz!(Er will weg)
LUISE: (springt auf und eilt ihm nach). Halt! halt!
O mein Vater! - daß die Zärtlichkeit noch
barbarischer zwingt, als
Tyrannenwut! - Was soll ich? Ich kann nicht! Was muß ich tun?
MILLER: Wenn die Küsse deines Majors heißer brennen als die Tränen
deines Vaters - stirb!
LUISE: (nach einem qualvollen Kampf mit einiger
Festigkeit). Vater! Hier ist meine Hand! Ich will -
Gott! Was tu' ich? was will
ich?
MILLER: (stürzt ihr
freudetrunken an den Hals). Das ist meine Tochter! - Blick' auf! um einen
Liebhaber bist du leichter,
dafür hast du einen glücklichen Vater gemacht. (Unter Lachen und
Weinen sie umarmend.) -
Meine Luise, mein Himmelreich!
Zweite Szene.
Ferdinand steht vor der
Haustür.
LUISE: (wird ihn
gewahr und reisst von sich Miller los). Gott! Da ist er! Ich bin
verloren.
MILLER: Wo? Wer?
LUISE:
. Er! er selbst - Seh' Er nur um sich, Vater - Mich zu ermorden, ist er da.
MILLER: (öffnet) Was? Sie hier,
Baron?
FERDINAND: (kommt langsam näher,
nach einer Pause).Guten Abend, Miller.
MILLER: Aber um Gottes willen! Was wollen Sie, Baron?
FERDINAND: Ich weiß eine Zeit, wo man den Tag in seine Sekunden
zerstückte, wo
Sehnsucht nach mir sich an
die Gewichte der zögernden Wanduhr hing .
MILLER: Gehen Sie, gehen Sie, Baron - Wenn noch ein Funke von
Menschlichkeit in Ihrem
Herzen zurückblieb.
FERDINAND: Wunderlicher Vater, jetzt komm' ich ja, deiner Tochter etwas
Erfreuliches zu
sagen.
MILLER: Neue Hoffnungen etwa zu einer neuen Verzweiflung? - Geh,
Unglücksbote! Dein
Gesicht schimpft deine Ware.
FERDINAND: Endlich ist es erschienen, das Ziel meiner Hoffnungen! Lady
Milford, das
furchtbarste Hindernis
unsrer Liebe, floh diesen Augenblick aus dem Land. Mein Vater
billigt meine Wahl. Unsere glücklichen Sterne gehen auf - Ich
bin jetzt da, mein gegebenes Wort
einzulösen und meine Braut
zum Altar abzuholen.
MILLER: (zum Zimmerchen rufend)Hörst du ihn, meine Tochter? Hörst du
ihn sein Gespötte mit deinen getäuschten Hoffnungen treiben?
FERDINAND: Du glaubst, ich scherze. Meine Aussage ist wahr, wie die Liebe
meiner Luise. Ihr mißtraut meinen Worten? So glaubt diesem schriftlichen
Zeugnis.
(Er wirft den Brief an den
Marschall zu Boden)
LUISE: (kommt aus dem Zimmerchen und schlägt ihn
auseinander und sinkt leichenblaß nieder).
MILLER: (ohne das zu bemerken,
zum Major). Was soll das bedeuten, Baron? Ich verstehe Sie nicht.
FERDINAND: (führt ihn zu Luisen hin). Desto besser hat mich Diese
verstanden.
MILLER: (fällt an ihr nieder).
O Gott! meine Tochter!
FERDINAND: Bleich wie der Tod! - Jetzt erst gefällt sie mir, deine Tochter!
So schön war
sie nie, die fromme,
rechtschaffene Tochter - Mit diesem Leichengesicht -
- Antwort will ich! -
Schriebst du diesen Brief?
MILLER: (seitwärts zu ihr mit
Beschwörung). Standhaft, meine Tochter! Nur noch das
einzige Ja, und Alles ist
überwunden.
FERDINAND: Lustig! Auch der Vater betrogen! Alles betrogen. Nun sieh, wie
sie
dasteht, die Schändliche,
und selbst ihre Zunge nun ihrer letzten Lüge den Gehorsam
aufkündigt! Schwöre bei
Gott, bei dem fürchterlich wahren! Schriebst du diesen Brief?
LUISE: (nach einem qualvollen Kampf, worin sie
durch Blicke mit ihrem Vater gesprochen hat, fest und
entscheidend). Ich schrieb
ihn.
FERDINAND: (bleibt erschrocken stehen). Luise! - Nein! So wahr meine Seele
lebt! du lügst -
Auch die Unschuld bekennt
sich auf der Folterbank zu Freveln, die sie nie beging - Ich
fragte zu heftig - Nicht
wahr, Luise - Du bekanntest nur, weil ich zu heftig fragte?
LUISE:
Ich bekannte, was wahr ist.
FERDINAND: Nein, sag' ich! nein! nein! Du schriebst nicht. Es ist deine
Hand gar nicht -
Und wäre sie's, warum
sollten Handschriften schwerer nachzumachen sein, als Herzen zu
verderben? Rede mir wahr,
Luise - Oder nein, nein, tu' es nicht, du könntest Ja sagen,
und ich wär' verloren - Eine
Lüge, Luise - ein Lüge! - O wenn du jetzt eine wüßtest, -
(Mit scheuem bebendem Ton.)
Schriebst du diesen Brief?
LUISE:
Bei Gott! bei dem fürchterlich wahren! Ja!
FERDINAND: (nach einer Pause, im Ausdruck des tiefsten Schmerzes). Weib!
Das Gesicht, mit dem du
jetzt vor mir stehst! - O, es ist
schrecklich! -
LUISE:
Sie haben mein Geständnis, Herr von Walter. Ich habe mich selbst verdammt.
Gehen Sie nun! Verlassen Sie
ein Haus, wo Sie so unglücklich waren.
FERDINAND: Gut! gut! Ich bin ja ruhig - ruhig, (Nach einigem Nachdenken.)
Noch eine Bitte,
Luise - die letzte! Mein
Kopf brennt so fieberisch. Ich brauch Kühlung - Willst du mir ein
Glas Limonade zurecht
machen? (Luise geht ab. Ferdinand setzt sich auf den Stuhl.)
Dritte Szene.
Ferdinand und MILLER.
(ohne ein Wort zu reden)
MILLER: Die Limonade bleibt auch gar zu lang außen. Ich denke, ich sehe
nach, wenn Sie mir's
nicht für übel nehmen -
(Miller betreten ab.)
Vierte Szene.
Ferdinand allein.
FERDINAND:
Das einzige Kind! - Fühlst du das, Mörder? Das einzige! Mörder! hörst du, das
einzige? -
Und der Mann hat auf der großen Welt Gottes nichts, als sein Instrument und das einzige - Du willst's ihm rauben?
Sechste Szene.
Luise mit der Limonade, und
die Vorigen.
Luise (mit rotgeweinten
Augen und zitternder Stimme, indem sie dem Major das Glas voerne an den
Bühnenrand stellt). Sie befehlen, wenn sie nicht stark genug ist.
Luise in die Küche. Miller rein.
FERDINAND: (läuft zum Glas, will
Gift hineinschütten, rasch gegen Millern). O beinahe hätt' ich das
vergessen! - Darf ich Ihn um
etwas bitten, lieber Miller? Will Er mir einen kleinen Gefallen tun?
MILLER: Tausend für einen! Was befehlen - -
FERDINAND: Man wird mich bei der Tafel erwarten. Zum Unglück hab' ich eine
sehr böse
Laune. Es ist mir ganz
unmöglich, unter Menschen zu gehn - Will Er einen Gang tun zu
meinem Vater und mich
entschuldigen?
LUISE: (erschrickt und fällt schnell ein). Den Gang
kann ja ich tun.
MILLER: Zum Präsidenten?
FERDINAND: Nicht zu ihm selbst. Er übergibt Seinen Auftrag in der
Garderobe einem
Kammerdiener. Ich bin noch
da, wenn Er
wieder kommt. - Er wartet
auf Antwort.
(Miller ab, Luise begleitet
ihn kurz, Ferdinand wirft Gift in das Glas mit Limonade)
Siebente Szene.
Ferdinand und LUISE.
FERDINAND: Die Limonade ist matt
wie deine Seele - Versuche!
(streng). Versuche!
LUISE: (nimmt das Glas etwas unwillig und trinkt).
LUISE:
Die Limonade ist gut. Mein Gott! Wie wird Ihnen?
FERDINAND: Heiß und enge.
LUISE: Trinken Sie! Trinken Sie! Der Trank wird
Sie kühlen.
FERDINAND: Das wird er auch ganz gewiss - Die Metze ist gutherzig; doch,
das sind alle!
LUISE: Das deiner Luise, Ferdinand?
FERDINAND: Fort! Fort! Diese
sanften schmelzenden Augen weg!
LUISE:
O! dass es so weit kommen musste!
FERDINAND: Dieses schöne Werk des
himmlischen Bildners - Ich will dich nicht zur Rede stellen,
Gott Schöpfer – Aber warum denn dein Gift in so schönen Gefäßen?
LUISE:
Das anzuhören und schweigen zu müssen!
FERDINAND: Und die süße melodische Stimme - Wie kann so viel Wohlklang
kommen aus
zerrissenen Saiten? Luise,
warum hast du mit das getan?
LUISE:
Treiben Sie mich nicht aufs Äußerste. Walter, das Wort noch und
dann geschieden - Ein
entsetzliches Schicksal hat die Sprache unsrer Herzen verwirrt.
Dürft' ich den Mund auftun,
Walter, ich könnte dir Dinge sagen .
FERDINAND: Fühlst du dich wohl, Luise?
LUISE:
Wozu diese Frage?
FERDINAND: Sonst sollte mir's leid um dich tun, wenn du mit einer Lüge von
hinnen
Müsstest Luise! Hast du den
Brief geschrieben? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.
LUISE:
Fragen Sie, was Sie wollen. Ich antworte nichts mehr.
FERDINAND: (ernster). Sorge für
deine unsterbliche Seele, Luise! - Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.
LUISE:
Ich antworte nichts mehr.
FERDINAND: Ehe dieses Licht noch
ausbrennt - stehst du - vor Gott!
LUISE: (fährt erschrocken in die Höhe). Jesus! Was
ist das? - und mir wird sehr übel.
FERDINAND: Schon? - Über euch Weiber und das ewige Rätsel; ein elendes
Gramm Arsenik
wirft sie um -
LUISE:
Gift! Gift!
FERDINAND: So fürchte ich. Deine Limonade war in der Hölle gewürzt. Du
hast sie dem
Tod zugetrunken.
LUISE:
Sterben! Sterben! Gott Allbarmherziger! O meiner Seele erbarme dich.
FERDINAND: Das ist die Hauptsache. Ich bitt' ihn auch darum.
LUISE:
Und meine Mutter - mein Vater - Ist
keine Rettung mehr? Mein junges Leben, und keine Rettung! Und muß ich jetzt
schon dahin?
FERDINAND: Keine Rettung, mußt jetzt schon dahin - aber sei ruhig. Wir
machen die
Reise zusammen.
LUISE:
Ferdinand, auch du! Gift, Ferdinand! Von dir! O Gott, Gnade, nimm die Sünde von
ihm -
FERDINAND: Sieh du nach deinen Rechnungen - Ich fürchte, sie stehen übel.
LUISE:
Ferdinand! Ferdinand! - O - Nun kann ich nicht mehr schweigen - Der Tod hebt alle Eide auf - Ferdinand! - Ich sterbe unschuldig, Ferdinand.
FERDINAND: (erschrocken). Was
sagt sie da? - Eine Lüge pflegt man doch sonst nicht auf
diese Reise zu nehmen?
LUISE:
Ich lüge nicht - lüge nicht - hab' nur einmal gelogen mein Lebenlang - als ich den Brief schrieb an den
Hofmarschall -
FERDINAND: Ha! Dieser Brief! -
LUISE:
(ihre Zunge wird schwerer, ihre Finger fangen an gichterisch zu zucken). Dieser
Brief - Fasse dich,
ein entsetzliches Wort zu
hören - Meine Hand schrieb, was mein Herz verdammte - dein
Vater hat ihn diktiert. -
Ferdinand - man zwang mich - vergib - deine
Luise hätte den Tod
vorgezogen - aber mein Vater - die Gefahr - sie machten es listig.
FERDINAND: (schrecklich
emporgeworfen). Gelobet sei Gott! noch spür' und das Gift nicht.
LUISE:
(von Schwäche zu Schwäche sinkend). Weh! Was beginnst du? Es ist dein Vater -
FERDINAND: (im Ausdruck der
unbändigsten Wut). Mörder und Mördervater! - Mit muß er, (Will hinaus.)
LUISE:
Sterbend vergab mein Erlöser - Heil über dich und ihn (Sie stirbt.)
FERDINAND: (kehrt schnell um, wird
ihre letzte sterbende Bewegung gewahr und fällt in Schmerz aufgelöst vor der
Toten nieder). Halt! Halt! Entspringe mir nicht, Engel des Himmels! (Er faßt
ihre Hand an und läßt
sie schnell wie fallen.)
Kalt, kalt und feucht! Ihre Seele ist dahin. (Er springt wieder auf.) Gott
meiner Luise! Gnade!
(Ferdinand auf andere Seite) Gnade dem verruchtesten der Mörder! Es war ihr
letztes Gebet! - -
(Er stirbt)