Der Schnittpunkt
Eine absurde Suche nach der Präsenz.
- ein genderneutrales Theaterstück -
von hwmueller
Warum Schnittpunkt?
Der Text bewegt sich auf verschiedenen Ebenen. Ob Zukunft, Vergangenheit, oder ob körperlich, geistig oder seelisch, mal metaphorisch mal realistisch, alle Ebenen treffen sich in einem Schnittpunkt, der Präsenz.
Das Hintergrundrauschen
(Einleitender Dialog zwischen Elektron und Positron, dem Agens und Patiens.)
(Neutron sitzt auf einer ruhenden Hollywoodschaukel, mit einem Kopfhörer, summt leise. Positron sitzt alleine am Bühnenrand und schaut ins Rampenlicht, als schaute man in eine Sonne. Elektron fegt im Hintergrund, bis der Entschluss gefasst ist, sich zu Positron zu setzen. Dann langes Schweigen. Ein zäher mit vielen Pausen durchsetzter Dialog entspinnt sich.)
Elektron: Was machst du?
Positron: Ich verstoffwechsle mich.
Elektron: Hä?
Positron(Holt tief Luft): Ich verstoffwechsle meine Vitamine.
Elektron: Ach! Und Wo?
Positron: Dort! (Zeigt zu einem Scheinwerfer.)
Elektron: Wie?
Positron: In dem Licht dort.
Elektron: In dem kleinen Scheinwerfer?
Positron: Ja!
Elektron: Viel zu schwach!
Positron: Man wird sensibler.
Elektron(Ein lang gezogenes) OK…
(Längere Pause)
Elektron: Geht es dir denn jetzt besser?
Positron: Ich arbeite noch daran.
(Längere Pause)
Elektron: Ich habe es aufgegeben.
Positron: Ach!
(Pause)
Positron: Das ist schade.
Elektron: Ich habe wichtigeres zu tun.
(Pause)
Positron: Wichtigeres? Ist die Gesundheit nicht alles, was wir haben?
Elektron: Wir haben auch noch ein Leben. Wir haben Ideale.
Positron: Raum krümmende Wahnvorstellungen. Gegen die Gesundheit beugt es keine Moral.
Elektron: Nein, die Moral ist der Antrieb. Der Fluchtpunkt jeder Seinsfrage. Ob lahm, schwach oder übermäßig gesund. Es ist der Wille dem fortschreitenden Chaos einen Sinn zu geben. Der Entropie einen Genickschuß zu geben.
Positron: Und das soll uns einen Sinn geben?
Elektron: Nein, aber das Machen, dem fließenden Wasser, dem Strudel der täglichen Ödnis erfolgreich entkommen. An ein festes Ufer, einer Insel, Städte bauen…
Positron: Pssst!
(Hebt den Finger und lauscht, dann,..)
Positron: Die Angst des Seins vor der Stille, dem Ertrinken, dem Dasein.
Elektron: Ein stiller Tümpel ist tot, da diskutiert kein Fisch mehr um Gerechtigkeit. Was uns rettet ist das Gestalten, das Schöpfen und alles was danach kommt. Bewegung, Sehnsucht nach Bewegung, wenn mal will: blindes Begehren, sich der Schwerkraft starker Gedanken unterwerfen und ihnen folgen.
Positron: Wohin schon?
Elektron: Vorwärts.
(Pause)
Positron: Wo ist vorwärts?
(Dreht sich erschrocken um)
Elektron (Zeigt zum Scheinwerfer): Nein nein, dort. Dort! Dort, wo der Scheinwerfer ist?
Positron: Wo alles herkommt?
Elektron (Sehnsüchtig): Da will ich auch hin.
Positron: Ich will darüberhinaus. Weit dahinter.
Elektron: Hinters Licht?
Positron: Ja. Da will ich hin. Weiter und weiter und noch vie viel weiter.
Elektron: Ich komme mit. Ich brauche Halt.
(Positron lacht)
Elektron: Warum lachst du?
Positron: Ich lache nicht.
Elektron: Du hast gelacht.
Positron: Nein, ich habe mich gefreut.
(Elektron schweigt, scheint abwesend)
Positron: Ich habe mich gefreut, muß wir etwas gemeinsam haben. Wir haben ja sonst nichts. Wir haben nur uns. Und nun haben wir auch noch etwas gemeinsam: Das Licht.
(Schweigen)
Elektron: Du verstehst nicht. Ich will noch weiter. Weiter und weiter und weiter und weiter, solange weiter, bis ich hier bin. Wo das Licht aufhört.
Positron: Dann haben wir zumindest einen gemeinsamen Weg. Zu uns. Einen langen Weg.
Elektron: Aber ich liebe die Dunkelheit. Da muß man sich nicht rechtfertigen.
Positron: Ich finde, du bist wie du bist. Und davon bekommen wir nie genug. Wenn du angekommen bist.
(Elektron lacht kurz auf, es klingt wie das Quicken eines Schweines)
Positron: Jetzt hast du gelacht.
Elektron: Nein, ich habe mich auch gefreut.
Positron: Du hast gequiekt wie ein Schwein.
Elektron: Ich habe mich nur gefreut.
Positron: Ja, aber dieses Grunzen!
(Pause. Macht ein Schnarchgeräusch)
Positron: Grunzen ist wie Schnarchen. Sehr ungesund und hässlich allemal.
Elektron: Du findest, das ich hässlich bin?
Positron; Nein, du bist schön. Sehr schön sogar. Unendlich schön. Aber dein Grunzen? Das ist hässlich! Du brauchst mehr Vitamine und du mußt mehr trinken. Ernährst du dich auch gesund?
Elektron: Ich habe keinen Hunger.
Positron: Das ist gut.
Elektron: Wieso ist das gut?
Positron: Ich habe nichts anzubieten.
(Pause)
Positron: Ausser das Licht.
Elektron: Du kannst es mir nicht anbieten. Es gehört dir nicht.
Positron: Und? Das Licht ist überall. Und es gehört jedem.
Elektron: Du schmückst dich mit fremden Lorbeeren. Ich bin bescheiden. Ich liebe die Dunkelheit.
Positron: Weil du dunkle Gedanken hast.
Elektron: Du willst mich in was hineindrängen! Ich bin aber immun. Ich muß nicht befreit werden. Ich bin frei, nichts und niemand kann mich binden. Ich habe ein sehr gutes Immunsystem.
Positron: Wo denn?
Elektron: Hier!
(Zeigt auf verschiedene Körperteile. Längeres Schweigen)
Elektron: Was ist? Du glaubst mir nicht?
Positron: Doch…doch…doch…
Elektron: Meine Existenz ist in jeder Faser dieses Dinges. In den Gliedern, in dem Körper überall. Mein fester Körper ist die Antwort auf das heranschleichende Chaos.
Positron (Klopft an Elektron's Körper): Wo aber steckt du, du, hier? Hey du da! Sitzt du in der Schulter. Oder auf der Schulter. Bist du dir zu schwer geworden?
Elektron: Ich bin noch unterwegs. Ich bin autonom. Ich habe einen festen Willen: ich gehe auf die Dinge zu. Ich erforsche die Dinge und ich sage es ganz ehrlich heraus: sie sind schlecht. Stümperhaft, überall Fehler und Brüche. Wir brauchen neue Ideen, bessere, stabilere.
Positron: Die Dinge, die wir sehen sind die besten aller Möglichkeiten.
Elektron: Weil du nicht sehen willst. Du bist geblendet. Von dem Licht. Du glaubst, nur weil das Licht auf dich fällt, bist du da. (Wird emotional) Du bist nicht da. Du denkst immerfort. Bist immer im Kopf. Fort aus der Realität. Man muß die Grausamkeit auch aushalten können.
Positron: Wir sollten aufhören unsere Enttäuschungen gegeneinander aufzurechnen. Wir stehen vor demselben Fenster, aber ich sehe, wie der Schnee auf das grüne Gras und wie ein Vogel lachend vom Baum fällt. Was ist daran so schlimm? Die Welt bewegt sich auch ohne uns.
Elektron: Weil es Nacht ist. Weil das einzige, was du im Fenster siehst, nur dein Spiegelbild ist. Da ist nichts, jenseits. Nichts. Nada. Niente. Nur Dunkelheit. Du kannst versuchen, deine Arme auszustrecken. Aber du brichst dir die Finger, muß du niemanden und nichts mehr umarmen kannst. Dann kannst du reden, reden, reden….
Positron: So höre doch…!
(Elektron schaut, schweigt und grinst)
Positron: Der leise Fall des Schnees und schließe die Augen. Sei ganz Ohr.
Elektron: Du hörst die Stille genauso wenig, wie dich selbst sehen kannst. Du bist mit dir in der Dunkelheit. Es ist nur DU da. Da sitzt das große Ich und hält Wache über die Schäflein, schwarz und in Reih und Glied.
Positron: Widerspruch! Sich zu denken, ist wie ein Streichholz in der Nacht. Denn es geht dir ein Licht auf, bei dem Gedanken, muß du schön bist.
Elektron: Nein. Du brauchst einen Spiegel. Und der lügt, er täuscht dich darüber, muß du bist. Nur wer versteht, muß man sich niemals erkennen kann, kommt vorwärts im Leben. Denken und Sitzen sind dem Bequemen das Gleiche. Rechtfertigung. Daher laufen wir auf eine Mauer zu. Eine Mauer aus Schuldgefühlen, weil wir zu bequem waren, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wir haben uns privatisiert.
Positron: Ich nehme mir die Zeit.
Elektron: Genau das ist dein Problem. Die Zeit kann man sich nicht nehmen, sie nimmt einen. Und dann stehst du da und winkst dem Zug hinterher.
Positron: Ich aber bleibe und schaue, wie sich der Ort verändert.
Elektron: ..der dich verändert…
Positron: ..der mich hält.
Elektron: .. fesselt, würgt, erstickt …
Positron: ..und wie die Dinge mir ihre Geschichten erzählen, schreibe ich sie auf..
Elektron:..bevor sie für immer verschwinden..
Positron: … sich wandeln und uns aus dem befreiten Jenseits, fernab uns zu winken…
Elektron: Wach endlich auf, du Frühstücksflocke. Die Welt will genommen werden.
Positron: Die zerstörst sie mit deinem ungeduldigen Vorschlaghammer. Du verflüssigst die Welt. Du Einbrecher ins Schloß der Glückseligkeit. Der Vater aller Dinge ist der Zweifel. Nein! Der Vater aller Dinge ist die Hoffnung ..
Elektron: Alte Geschichten.
blackout
Verschränkungen
(Neutron sitzt auf einer ruhenden Hollywoodschaukel, mit einem Kopfhörer, summt leise. Positron sitzt wieder am Bühnenrand, meditiert und summt auch.
Elektron sitzt daneben und schweigt. Ein summendes Duett zwischen dem Melodie vorgebenern Positron,und Neutron(=Verschränkungen).Nach einer Weile nervösen Harrens steht Elektron mit dem Besen auf und beginnt die Bühne zu fegen und schaut immer zum Duett, welches bis zum Cut, s.u., langsam steigernd, weitersummt. Auch Elektron wird heftiger, spricht immer verzweifelter, bis der Entschluss gefasst ist, Neutron zu stören )
Elektron: Hallo! Ähmm. Haalloo! Darf ich Sie was fragen?
(Keine Antwort.)
Elektron: Haaaallo!? Ich wollte Sie etwas fragen.
(Keine Antwort. Elektron fegt weiter und wird immer ungeduldiger)
Schweigen ist politischer Selbstmord.
Wer schläft, den bestraft der Tag.
Man sollte das dumme aber gut genährte Stimmvieh an die Hörner packen und durch die politische Arena schleifen. (Neutron summt etwas lauter und räuspert sich.
(Elektron hält kurz inne, zu Positron) Siehst du! Das meine ich. Lasst dicke Männer um mich sein, sagte Julius Cäsar. Die denken nur ans Fressen. (Neutron räuspert sich lautstark) Gut Männer, Frauen, Diverse, egal. Hauptsache Ruhe in den Hütten, damit die Paläste….! Halt! Wir sollten die Hunde besser schlafen lassen! Noch dreht sich Alles um die gleiche Sonne.
(Fegt weiter und plötzlich)
Hallo, ich wollte Sie etwas fragen!?
(Rennt schließlich hin und her und brüllt dann)
Elektron: Man hört mich nicht. Bin ich ein schwarzes Loch, ein Grab medialer Selbstverliebtheit? Bin ich ein affektiertes Nichts? Ein unbedeutendes Glied in der Evolution? Eine lähmene Unterhaltungsmaschine? (Halt inne, überlegt, heftiger) Ha, ich hab's! Ich muß mich radikalisieren, entketten, zu meinen Wurzeln gehen, sichtbar werden, ein stolzer einsamer Komet werden, an der sich eine apathischen Welt entzündet. (Lacht verrückt auf und brüllt) Es brennt, es brennt, die Welt steht im Flammen. Feuer!
(Cut. Positron schrickt auf und kommt panisch dazu.)
Positron: Was ist? Was ist los? Es brennt? Wo?
(Positron und Elektron schauen sich an. Kurzes Schweigen.)
Elektron (Abfällig zu Neutron): Da! Ich bekomme keine Antwort. (schreit Neutron an) Ich bekomme keine Antwort. Rede du schwarze Kathedrale der Unvernunft. Du Schwerkraft träger Masse liegst in Lethargie und ich rase jetzt als Asteroid auf diese postsoziale Dekadenz ungebremst zu ..
Positron: (Unterbricht streng) Ja und?
Elektron (Weinerlich): Ich will doch nur eine Antwort. Man braucht Orientierung, Boden unter den Füssen, einen Moment kühlender Anteilnahme. Diskurs.
Positron (Tröstend): Vergiss es. Diese schwarze Sattheit frisst alle Ideale. Nichts neues im Wartezimmer.
Elektron (Skeptisch): Ihr steckt doch unter einer Decke.
Positron (Beschwichtigend): Ach woher. Ich habe meine eigenen Pläne.
Elektron (Erschrocken): Wie? Ohne mich?
Positron: Ja, ohne uns, was zieht uns schon an?
Elektron: Doch die Gegensätze?!
Positron: Es gibt nur das Einzelinteresse. Also, wo brennt es?
Elektron: Hier, hier auf der Zunge, nein, hier im Herzen. Ich suche Antworten, warum es soweit kommen musste.
(Positron nähert sich der Schaukel und begutachtet Neutron.)
Positron: Tja, die bürgerliche Mitte schläft.
Elektron: Aber nein, sie bewegt sich doch! Da! Ganz fein
Positron: Das täuscht. Das sind Zuckungen wilder süsser Träume. In goldenem Äther getauchte Illusionen…
Elektron (Brüllt): Ich weiß, muss du mich hörst. Also, du billiges Sonderangebot, gehe in Kommunikation und sei ein Mensch, wie jeder andere.
Positron: Lass! Man ist entrückt.
Elektron: Ich blase die Posaunen zu Jericho (Schreit singend) Wacht auf, verdammte dieser Erde….
Positron: Psst!
(Stille)
Positron: Ja, jetzt. Da tut sich was.
(Elektron geht ganz nah an Neutron.)
Elektron: Ich sehe nichts.
Positron: Horche. Du! Horche! Du!
Elektron: Ich horche nicht. (Pathetisch zu Neutron) Ich bin ein Individuum. Ich bin ein fettes Ich. Fett ja. Hart erarbeitet.(Zweifelnd zum skeptischen Positron) Gut, ein wenig unterdrückt. Ja, gut. Nobody is perfect. Man ist ja nicht als Schmetterling geboren. Aber man bleibt sich treu. Weitestgehend. Jeden Irrtum heilt die Zeit. (Pathetisch) Ich liebe meine Freiheit: Freispiele bis das der Arzt kommt ..
Positron (Abrupt): Pssst!
(Stille)
Positron (Begeistert): Regung! Potenzial! Eine kleine Unaufmerksamkeit, ein Niessen im Nichts! Geburt einer Welt!
Elektron (Leckt den Zeigefinger an und hält ihn in die Luft): Ich merke nichts.
Positron (Voller Enthusiasmus): Doch, doch…! Da ging gerade ein Gedanke durch den Raum. Von hier!
(Tippt an die Stirn vom Neutron und lässt den Finger durch die Lüfte fliegen, als zeichnete man den Flug eines Schmetterling nach, bis der Finger auf der Stirn von Elektron landet. Dabei spricht Positron voller Überschwang)
Positron: Es beginnt mit einem kleinen Zweifel, einem mentalen Unwohlsein, dann gefolgt von einer Ahnung, einem ungeduldigen Gefühl, der Wille! (Hält kurz inne) Der Wille zu sein. (Erwartet Beifall, da nichts passiert, geheimnisvoll) Noch ganz verschwommen aus dem dunklen, noch nicht existierendem Dickicht der Vergangenheit, kommt das Hintergrundrauschen näher und näher. Und dann (Gespannte Pause): Paff, ist es da! (Klatscht in die Hände) Das Jetzt! (Hält inne, dann verschwörerisch) Dann ein Summen, gleich einem morgendlichen Hörsturz, ein traumatischer Nachschlag der Nacht, kaum hörbar und schnell verdrängt, so zwischen Zähneputzen und Frühstück. Dann ein kurzer Blick zurück. Da, dieses feine niedliche Echo. Ein Echo, das den gerade entstandenen Gedanken - das Gedankchen quasi mit sich selbst - im eigenen Echo, sich stetig verstärkend, sich selbst befruchtend, sich schließlich zu einer riesigen Welle erhebend, eben zu jenem Tsunami, aus dessen Schaum eine Idee - ja eine Idee! - sich selbstgezeugt zu haben, gebiert: (Hält inne, dann entschlossen) ICH. ICH. ICH! (Kurze Pause) Das ist Revolution. Ohne Grund. Ohne Ursache. Der spontane Beginn und das zufällige Ende der Zivilisation, gleichzeitig im Jetzt, welches sich selbst denkt! Jetzt, jetzt, jetzt!
(Der Finger ist an der Stirn von Elektron angekommen.)
Elektron (Trocken): Hast du getrunken?
Positron(Abrupt): Nein, ich halte mich auch so aus.
(Positron tickt Neutron an. Neutron nimmt seinen Kopfhörer ab und schaut die beiden anderen an.)
Positron: Dürfen wir Sie etwas fragen?
Neutron: Ja. Gerne. Aber nicht zu heftig. Ich genieße den Frühling.
(Holt tief Luft) Ach, das ist schön. Wirklich schön. So schön.
(Schaut begeistert in die Runde) Einfach schön. Mit einem Wort: schön.
Elektron: Ich zuerst.
Positron: Nein, ich!
Elektron: Wo bist du denn schon schön?
Positron: Hier, hier bin ich schön.
(Zeigt auf den Kopf.)
Elektron: Ha! Will ich sehen.
(Positron stellt sich in Pose)
Positron: Wir beobachten dich schon eine Weile. Was machst du hier?
Neutron: Ich bereite mich auf die große Veränderung vor. Ich werde mich unsterblich machen.
Elektron: Und?
Neutron: Ich hoffe, muß es mir dann besser geht. Ich habe ja schon so viel investiert. (Schaut in die sich ausbreitende Verwirrung von Elektron) Harmonie. Beständigkeit. Jeden Tag ein paar Schritte, zum Abend nur Ingwertee. Nie geraucht, kein Alkohol, keine Kinder und überhaupt kein….
Ihr wisst schon. Ich bereue nichts. Niemals. Ich habe mich aufgespart.
(Positron und Elektron schauen sich verwirrt an und brechen dann in lautes Gelächter aus.)
Neutron (Verärgert): Ich weiß schon, warum ich auf Fragen nicht antworte. Ich hätte einfach still sein sollen. In mich ruhen und gütig auf den inneren Monitor meiner alles umfassenden Ursuppe blicken. Schweigen und Warten, Die Welt dreht sich auch ohne mich. Ich gehe jetzt nach Hause, sollen doch andere die Welt verbessern.
(Neutron setzt die Kopfhörer wieder auf und geht in die vorherige Position, während die beiden anderen weiterhin lachen)
Elektron (Hat eine Erkenntnis): Kein Wunder, muß niemand hier glücklich ist.
Positron: Halt!
(Plötzliche Stille)
Positron: Das kann man so nicht sagen. Existenz, das schlichte Dasein ist absolutes Glück.
Elektron: Wo denn? Etwa da?
(Zeigt auf Neutron, verächtlich) Ha!
Positron: Nicht nur da! Überall.
(Blickt verklärt und zeigt überall hin. Elektron folgt mit gierigen Blick rennt umher)
Elektron: Wo? Wo? Wo?
Positron (Rennt hinter) : Dadadadadaaaaa! In jedem Staubkorn. In jedem Atom. Sogar in der Leere. Im allem was existiert…
(Stille. Neutron seufzt lustvoll auf.)
Positron (Zu Neutron): Auch Du! Du bist, rein statistisch, eine absolute Unmöglichkeit. Die Wahrscheinlichkeit das du hier bist und genau hier bist, also existierst. Eine Singularität: Hier und Jetzt. Das, genau das ist Glück. Reines und absolutes Glück Die Abwesenheit von Nichtglück. Zweifelsfrei. Mit oder ohne Schweigen.
Elektron: Nicht schlecht! Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Wenn wir rein zufällig dadadaaaa sind.(Zeigt auch auf Neutron) Die Schwerkraft, die Trägheit des Willens, aufgeschobene Entscheidungen, ja selbst eine unvorhersehbare Diarrhoe, ist Existenz, ist Glück. Ananda.
Positron: Glück des Daseins! Wenn auch nur eine Revolution im Wasserglas…
(Beide brechen wieder in lautes Gelächter aus. Neutron reißt sich die Kopfhörer herunter, wirft diese auf den Boden und stellt sich breitbeinig auf)
Neutron (Zornig): Nicht einmal das Glück gönnen sie einem. In ihren dunklen Schlund wollen sie einen ziehen. Extremisten. Unruhestifter, Lebensverwässerer, Einfältige, Zweifler…(Will gerade ausholen)
Elektron (Hält drei Finger in die Luft): Drei-fler…
Positron(Vier Finger): Vier-fler. .
Elektron(Handfläche) :Fünfl-ler
Positron: Viel–fler..
Elektron: Wie klingt das Klatschen einer Hand ?
(Positron führt die flache Hand langsam zur Stirn und klatscht schließlich dagegen, dann brüllendes Gelächter)
Neutron (Rasend vor Wut): Was raubt ihr anderen die Seelenruhe, ihr hündischen Zyniker. Eure zweifelhafte intellektuelle Schwerkraft bezieht ihr aus gestohlener Zeit. Arbeitslose Halbtagsphilosophenmit genetischen Selbstzweifel. Selbst die Flügel erlahmen binnen Sekunden, so kurz ist die Hoffnung, einen wahren und edlen Gedanken, den ihr glaubt, gefasst zu haben. Euer Brot ist mit Neid geschmiert, eure Lüste sind dünne Häute eines Zitteraals. Ich habe schon gegen ganz andere Dämonen gekämpft. Gegen gute und böse. Ich bin der Erfinder des postbürgerlichen Graus. Die Waage halten und im richtigen Augenblick tief Luft holen und entschlossen nichts tun. Grausam gegen sich selbst sein, gegen seine niederen Instinkte. Eitelkeiten und die ewige Teestunde der erschlafften Normalität. Ambivalenz.
(Brüllt es raus) Ambivalenz! Ambivalenz und dann kommt ihr, die zwerglosen Egoisten. Gerade hat man alles in sich vereint, ewige Weite, endlose, neidlose Indifferenz und dann dieses Potential in euren Gesichtern, die mir höhnisch zuraunen: DU musst leben! Und ich? Ich verdummtes ICH?: Eine dumme Unachtsamkeit? Mehr nicht. Ich habe fertig.
(Neutron hat sich wieder auf die Schaukel gesetzt und die Ohren mit dem Kopfhörer verdeckt. Leise Musik ist zu hören. Elektron und Positron schauen sich stumm an und beginnen übertrieben und gespielt zu schluchzen. Neutron Steht wütend auf, nimmt den Kopfhörer ab)
Neutron: Ich lasse mich doch nicht erpressen. (Geht ab)
Elektron und Positron (Gemeinsam und lang gedehnt): Dann nicht!
(Beide gehen zum Bühnenrand und setzen sich)
Elektron: Keine gute Strategie .
Positron: Ja, keine gute Strategie.
Elektron: Wir brauchen Substanz.
Positron: Realität.
Elektron: Ja, Realität!
blackout
Das Kraftfeld
(Positron und Elektron sitzen am Bühnenrand und schauen mit geschlossenen Augen in die Scheinwerfer.)
Elektron: Und die Strategie?
Positron: Abwarten.
Elektron: Abwarten?
Positron: Abwarten!
Elektron: Abwarten.
Positron: Richtig. Abwarten!
Elektron: Aber, es waren doch lauter Beleidigungen…
Positron: Ja. Verzweiflungen, das muss man auch mal durchgehen lassen.
Elektron: Aber nein, wenn sich das herumspricht, muss jeder sich einfach aus dem gemeinsamen Verständnis stiehlt.
Positron: Das nennt man Freiheit. Masselose Teilchen ohne Sinn und Verstand.
Elektron: Das ist mir zu unscharf. Ich würde da schon eine gewisse bewusste Fahrlässigkeit unterstellen.
Positron: Es sind die Triebe,man die wie Wellen die Sinne vernebelt.
Elektron: Nein. Es nervt. Diese Unwissenheit, diese Echzeitabstinenz
Positron: Man muss auch den Anderen akzeptieren. Auch wenn die Anderen deiner Meinung sind, weil sie sonst verschwinden würden.
Elektron: Sie säen nicht, sie ernten nicht. Am Ende halten sie sich für die Schöpfer deiner Ideen und Gedanken..
Positron: Ich gönne Ihnen diese Lebenslüge. Selber Denken tut weh. Und Glück, das nichts kostet, ist doppelt wert. Für die, die geben und jene, denen es zufällt.
Elektron: Schon, aber, aber diese Gleichgültigkeit. Wer hält so einen Stillstand aus? Wenn man sich im eigenen Kopf die Füße wund läuft, um nur einen klugen Satz zu hören. Ich könnte mich so ganz ohne mich nicht aushalten
Positron: Aushalten! Gebot der Stunde. Aushalten!
(Positron in vorherige Meditationshaltung, schließt die Augen. Neutron erscheint. Setzt sich trotzig auf die Schaukel. Kopfhörer und Summen eines Kinderliedes. Nach einer Weile wird Elektron ungeduldig.)
Elektron: Aber diese Langeweile, diese unerträgliche Langeweile. Kein Schmerz, kein Leiden, nur fades unverdientes Glück.
Positron: Nicht so laut. (Horcht in die Richtung von Neutron.Flüstert): Wir brauchen eine Revolution. Einen Umsturz unserer Gewohnheiten: eine neue Herrschaft der Gefühle. Anfangen zu sein. (In die Richtung von Neutron, flüstern): Wir müssen uns von dieser Untätigkeit befreien. Wir müssen den Stillstand endgültig beenden. Wir müssen zurückfinden, zum Leiden. Passion, ein Gemetzel an der Mittelmäßigkeit.
Elektron: Wie? Wollten wir nicht genau das Gegenteil, den Körper überwinden?
Positron: Er ist die Wirklichkeit. Er ist das Fahrzeug ins Paradies, raus aus der Sattheit, hinein die absolute Möglichkeit …(Stockt.)
Elektron (Erschrocken auf Neutrum deutend): Heim schicken?
Positron (Bedauernd): Ja! Ja, Heimschicken! Zurück ins Jenseits. Zurück an den Anfang, zum Nichts. Und dann das Fahrzeug wechseln. Neue Realitäten schaffen.
Elektron: Wie? Die gleichen Fehler immer und immer wieder machen? Weil unser Gedächtnis nicht reicht für all die Schuld?
Positron: Das Nichts hinterlässt keine Spuren. Wir lassen das Nichts walten und waschen unser beide Hände in voller Unschuld und schütten diese betend in der Kathedrale des Vergessens gen Himmel. Vor dem Altar der Irrtümer allem Totschweigens fallen wir auf die Knie.
Elektron: Totschweigen? Oder Totlachen?
Positron: Totschweigen, Totlachen ist einerlei. Sich zu Tode amüsieren. Das Licht der Präsenz ausschalten. Nirwana, solange bis das Karussell im Kopf sich die Gräten bricht und innehält. Bis die melancholischen Hirnströme im öden Wüstensand der Realität versickern und die Sonne den Rest zu goldenem Staub verpulvert. Sprich, wenn die Realität zur Hochzeit lädt.
(Genießt sichtlich die eigenen Worte, während Elektron ehrfürchtig zuhört, dann aber wie plötzlich aufgewacht.)
Elektron: Ach, Träumereien. Ich und Schweigen? Das geht doch gar nicht. Ich bin immer so unter Spannung, das Leben selbst. Ameisen im ganzen Leib. Die vermehren sich ohne Ende.
Positron: Du wirst sehen, Ruhe tötet man mit der Ruhe. Die Stille frisst ihre Kinder.
(Auf der Schaukel tut sich was. Neutron ist vom Summen ins Singen gekommen. Die Beiden Anderen drehen sich zur Schaukel, Neutron nimmt den Kopfhörer herunter.)
Neutron: Ich warte. (Pause) Ich werde gnadenlos Warten, ohne Rücksicht und Zustimmung. Ich beginne im Geheimen, trete dann, wenn sich das Warten manifestiert hat, entschlossen ans Licht. Dort werde ich vor aller Augen und unerschrocken: Warten, warten, warten! (Setzt die Kopfhörer auf. Elektron hält es nach einiger Zeit nicht mehr aus und geht zu Neutron)
Elektron: Worauf?
Positron (Zum Publikum, achselzuckend): Wenn man sich schon selbst nicht aushält.
(Setzt sich eine Spritze in den Arm, lächelt und schließt die Augen)
Neutron (Auf Positron deutend) Habe ich doch gerade gesagt: Auf den Anfang vom Ende…
Elektron: Da bist du schon lange: wer immerzu wartet, ist am Ende.
Neutron: Wenn das Warten zum Ende kommt, erscheint das Neue. Denke ich. Darauf warte ich, auf das Neue.
Elektron: Und?
Neutron (Überlegt): Mir fehlt der nötige Anstoß. Den ultimativen, den absoluten kraftvollen, den letzten ..(Merkt das Unverständnis) Also von außen. Capisci? Weil, weil, hier drinnen herrscht totales Chaos. Matschi Patschi. Da kann sich niemand entscheiden. Alle, die ganze Menschheit redet gleichzeitig zu Babylon. (Tickt sich an die Stirn) Es muss ein Ruck gehen durch die Ursuppe. Das Kristalle fliegen…
Elektron: Haschte Haschisch in der Tasche, haschte immer was zu nasche. Es sich beugt fröhlich der Raum an der Zeit?
Neutron: Hä?
Elektron: Ananda beieinander.
Neutron: Hä?
Elektron: Soll ich helfen?
(Will Neutron anstoßen.)
Neutron (Freudig): Ja, ja, ja, jaaaa! (Ernst) Aber nicht zu stark. Weil wir wollen uns ja nicht noch mehr verwirren. Also bitte mit dem dir verliehenem Feingefühl, sonst kommen wir völlig durcheinander und werden niemals Freunde.
(Elektron drückt mit der Hand gegen den Rücken von Neutron, da sich nichts tut, immer verzweifelter, bis Elektron erschöpft zu Boden sinkt. Während dieser Aktion kommt folgender mehr zu sich gesprochener Monolog.)
Elektron: Der Zweifel, eine Periode der Differenz. Sein oder Nichtsein, muß ist nämlich fraglich, wie unser Leben von aussen aussieht. Da ist Sein nichts und Nichts ist…(Sinkt zu Boden. ) Ich wiederhole mich ständig. Ich bin Ich, weil ich Ich bin.
Neutron: Hä, ich verstehe kein Wort!
Position (Fast hämisch, zu sich): Tchätchätchä….
(Elektron steht auf, nimmt Anlauf. Bleibt aber kurz vor Neutron stehen)
Neutron: Sachte, sachte, mir wird schnell schwindlig, denn ich habe nicht genug Selbstachtung.
Elektron: Weil du deine Einkäufe nie selbst gemacht hast.
Neutron: Ich verstehe dich nicht? In welcher Sprache sprichst du? Ich sagte, du sollst vorsichtig sein. Du lebst in deiner eigenen Welt und wirst in der Realität nichts erreichen.
Elektron: Realität! Du wirst du schon sehen. Das wäre doch gelacht….
(Elektron stemmt sich gegen Neutron.. Keine Bewegung.)
Position (Zu sich): Tja,….Kein Nordpol ohne Südpol.
(Neutron beginnt zuerst leise, dann immer lauter zu lachen.)
Elektron: Am Anfang war das Lachen, dann das Erwachen und schließlich die Verblendung. Ich habe es wirklich nur gut gemeint.
Elektron (ruft langsam auf Positron zugehend): Hey du! (Zum immer lauter lachendem Neutron) Pssst! (Zum Positron) Und du? Du bist immer noch da? Ich dachte du nutzt die Gunst der Stunde, dich im Dunklen wegzuschleichen. Hast du die Luft angehalten oder wartest du noch immer auf die Schatten? Es gibt sie nicht. Auch du hast keinen.
(Elektron nähert sich Positron aber Positron reagiert nicht, schaut mit geschlossenen Augen in die Scheinwerfer. Neutron lacht immer lauter. )
Elektron(Fürsorglich): Hey. Alles klar?
Neutron (Von hinten): Nicht stören. Da ist die Welt schon geordnet. Das Einmaleins in Stein geschnitzt, blutleere Vollkommenheit.
Elektron (Zum Positron): Ich rede mit dir! Habe ich dich beleidigt? Hat dein Stolz dich gepackt, muß du nicht mehr mit den einfachen Menschen reden willst. Hast du dich an deiner Wahrheit verbrannt? Wie der Schmetterling an der Kerze?
Neutron: Vergiss es. Da ist Stillstand. Nirwana. Erlösung. Jenseits der Ereignisse.
Elektron(Brüllt): Ich rede mit dir! Wo bleibt dein Respekt. Habe ich dir nicht immer zu Seite gestanden, bis das der Tot uns scheidet. Schweigen ist das Ende. (Verzweifelt) Rede nur ein Wort und meine Seele wird gesund. Lass mich teilhaben an dem großen Glück. Erwähle mich. Verachte mich. Aber lass mich mit dieser Welt nicht allein.
(Elektron legt sanft den Kopf auf Positrons Schulter. Ein zartes Stillleben.)
Neutron(Singt): So dreht sich die schnöde Welt. Sie dreht sich immer um sich selbst. Schneller, schneller, der Schwindel ist Genuss. Ohne Liebe, ohne Schmerz und ohne Geld Wird Alles nur ein fettes muß. Man dreht am Selbst, man dreht am Ich, man dreht sich schließlich um sich selbst.
(Ruckelt die Schaukel.)
Stoß mich. Stoß mich an. Du selbstvergessener Sommertag….
Elektron (Zum Positron, zärtlich): Es ist immer die gleiche Dramaturgie. Stille. Sich aus dem Leben herauslügen. Aber du, du warst doch zu Höherem berufen. Alle Hoffnung ruhte auf deine Gaben. Du hast es im Licht ausgehalten, muß ist mehr, als was ich in meiner dunklen Höhle aushalten konnte.
Neutron (Nörgelnd wie ein Kleinkind): Stoß mich an. Stoß mich an. Komm stoß mich. Ich brauche Kraft. Das Leben hat doch einen Sinn. Du Herbst besessenes Eichhörnchen.
Elektron (Geht wütend auf Neutron zu): Kümmere dich um deine eigenen Fehler. Ich suche dort meine Heimat. Wenn die Vernunft spricht, haben vorlaute Erstwähler den Mund zu halten
Neutron: (Singt) Stoß mich, Stoß mich, du kleiner Stoß, Kick mich, Kick mich, ich komm mir sonst zu nahe und verbrenne mich. Aua, Aua, stoß mich an.
Elektron (Flehend zum Positron): Du kannst mir vertrauen, ich will keine Antworten. Zusammen haben wir Gewicht, zusammen heben wir die Welt in die Angeln, muß sich eine Tür öffnet: Harmonie, Schönheit und Wärme …Ach, ich blind träumendes Etwas…Lass mich nicht allein mit all dieser grauen Welt.
Neutron: Stoß mich an. Komm, Stoß mich an…
Elektron (zu Positron): Du hast nichts mitzuteilen. Du weißt ja schon alles. Du bist bereit unsterblich. Das ewige Wiederkehren. Gebe mir ein kleines, klitzekleines Stück davon. Ich trage es in die Welt. Du bist die Lösung. Alle Blicke sind auf dich gerichtet. Du, das Positive, die Bejahung der Welt. Ohne deine Kraft sind wir nichts, gar nichts, eine luftleere Schachtel, Pralinen ohne Geschmack, ohne Hoffnung, ohne Sinn.
Neutron (Resigniert von hinten): Stoß mich an. Ich erfriere.
Elektron: Du bist der Sinn. Ich nehme dir nichts. Und gebe dir nichts zurück. Nichts ist teilbar, meinst du. Doch, es ist das Anders Sein. Das kleine Du zwischen uns, wo das windige Ich sich an den Stammbaum schmiegt. Du Vorher und Nachher.
Neutron: Du, du, du…Ich brauche einen Anstoß. Verdammt nochmal, so kommen wir nie zum Ende.
Elektron (Auf Neutron deutend): Soll ich dem ein Anfang setzen?
(Stille, dann lächelt das Positron und nickt zaghaft, als beginne hier die Welt. Darauf streicht das Elektron mit sakraler Inbrunst über den Rücken von Positron, so als wolle man Energie abstreichen. Er riecht an seiner Handfläche, schließt genüsslich die Augen, holt tief Luft als hätte er Kraft geschöpft. Mit dieser Handvoll geht Elektron zum Neutron und legt diese auf Neutrons Rücken. Neutron erschauert, als fliesse eiskaltes Wasser über den Rücken. Langsam bewegt sich die Schaukel, durch scheinbar nur mit der Energie aus den Händen von Elektron.)
Neutron: Ah, das tut gut. Endlich Bewegung. Das Leben ist Bewegung. Das Stück kann beginnen. Vorhang auf für das Welttheater.
(Elektron hält die Schaukel an.)
Neutron: Was ist?
Elektron: Deine Eitelkeit frisst sich durch mein Gewand. Es zieht ein kalter Hauch durch den Raum. Du folgt dem Dämon Gier. Du bist an dir selbst erkrankt. Du hälst nichts aus. Nicht mal dich selbst. Frisst dich satt an der Aufmerksamkeit, die du durch nichts verdient hast. Deine Selbstgerechtigkeit schlägt sogar deine Einfalt.
Neutron: Na und? Ich bin halt ein guter Konsument. Alle Maschinen und Fabriken lieben mich, der Kapitalist ist mein Knecht.
Elektron: Du verschwendest unser aller Energie. Du ökologischer Vampir. Ich bin es so müde.
Neutron: Stillstehen? Nein, nein. Mach weiter, weiter, weiter, es ist soooo geil! Stoß mich an, du elender Lustverneiner.
(Positron schreckt auf, geht auf die beiden zu und brüllt Neutron an.)
Positron: Du stiehlst mir das Leben.
Du bist ein widerlich schwarzes Loch. Eine widerliche Krake, die den vielen Armen unendlich Verzweiflung sähen, um das Sein zu ernten.
Neutron: Ich genieße, das ist Alles. Komm mein Kalorienknecht, geb mir Zucker, stoß mich an.
(Elektron stößt Neutron weiter an.)
Neutron: Oh, oh, ist das schön. Weiter, weiter, oh, es ist so geil ..
Positron (Schreit): Es ist nicht deine Lust. Es ist meine. Meine…
(Positron geht auf Elektron zu und hält Schaukel an.)
Neutron: Du depressiver Vielfrass, gehe doch schlafen in deine Gedanken, du stummes Karussell.
Positron: Ich habe genug Ersparnisse. Du kannst mich nicht beleidigen.
(Positron geht zu Neutron und streicht über den Rücken, als streiche man Energie von Haut. Streicht die Energie über seinen Körper ab.)
Positron: So jetzt ist Ruhe, und Ich verstoffwechsle mich wieder.
(Positron geht auf die alte Positron.)
Neutron (Schreit): Ich bin aus der Zeit gefallen. Ich stecke fest.
Elektron: Ich kann nichts machen. Das Sein ist ungewollt und freiwillig…
Neutron: Das ist keine Antwort, das ist Boykott, Hochverrat. Sünde,... Ja, Sünde an allem was ist oder hätte sein können. Keine Meinung zu haben, ist Verrat, ist Sünde…
Elektron: Du wiederholst dich…
Neutron: Erbsünde, bis in alle Ewigkeit. Du versündigst dich an allem. An was war, was ist und was kommen wird. Du hast nie existiert. Übernehme wenigstens einmal Verantwortung, du Binnenflüchtling.
(Stille. Positron dreht sich um, schaut beide an. Dreht sich wieder zum Publikum und zuckt kurz die Achseln. Elektron kniet sich nieder und streicht Energie vom Boden, riecht daran und macht Anstalten sich übergeben, geht zum Neutron und stößt sichtlich angewidert mit den flachen Händen den Rücken vom Neutron an. Die Schaukel bewegt sich langsam.)
Neutron (Stöhnt lustvoll): Jetzt bin ich Licht, das Licht der Welt. Ich der Teil des Teils, der Anfang alles ist. Die Missgeburt der Finsternis und strebe nun hinaus, die Welt mit Schuld zu fluten.
(Das Elektron geht einen Schritt auf das Positron zu.)
Elektron: Wohin denkst du?
(Positron beginnt zu schluchzen.)
Neutron (Wild schaukelnd und brüllt von hinten): Dort, wo man Lebenszeit verkauft. Vermute ich. Es ist so geil. Ich komme zum Höhepunkt, ich zerfließe vor Glück.
(Das Elektron zum Positron, umarmt es und schluchzt mit. Das Neutron brüllt ordinär von hinten.)
Neutron: Ihr Memmen, dachtet ihr, eine Geburt ist nichts für mich? Der Gott, der sich eine Welt gebar, schreit, stöhnt, platzt bis zur Besinnungslosigkeit. Komm, stoß mich an. Die Vorstellung hat begonnen. Applaus, meine Damen meine Herren, liebe Freunde, Applaus, das die Balken biegen. Heute ist ein Fest. Heute beginnt der Anfang vom Anfang, das Absolute. Mein Gott ist das geil. Ich bin, bin, bin, bin, bin. Komm du träges Gedankenfeld, stoß mich nochmal an….
(Elektron streicht dem Positron übers Gesicht, küsst es uns, geht resigniert zur Schaukel und gibt dem Neutron einen Stoß)
Neutron: Jetzt bist du mein Sklave. Du musst mir dienen, in alle Ewigkeit. Einmal in Bewegung hält die Welt nichts mehr auf.
(Neutron erschöpft in sich zusammen. Elektron setzt sich resigniert neben Positron)
Elektron: Ich hätte in meiner Höhle bleiben sollen. Kälte kann man ertragen, aber diese gewissenlose Lebensfreude…
Positron: Wir haben Zeit. Nichts will Lust in alle Ewigkeit.
Elektron: Ja, die Welt hat gerade begonnen. Wir können den Gedanken nicht ungeschehen lassen. Nun breitet er sich aus, schneller, größer und kälter.
Positron: Uns bleibt nur, ihn zu begleiten, zu heilen, ihn zu sich führen.
blackout