BROKALHAUS

Das intermediale Kunst-Projekt

 

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eine Kriminalgroteske

von hwmueller

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PERSONEN:

Zeuger, ein leichtgläubiger junger und intelligenter Mensch ohne besondere Ambition.

Schweiger, rachsüchtig und habgierig, vermutlich blonde Haare und Sprachfehler.

Hildrun, älter, hat früher wahrscheinlich eine Jugendherberge geleitet.

Chef, (45), dick und unkonzentriert.

Norward, dunkler Typ, nach seinen abrupten Gesten zu urteilen, verachtet er Tanz und Ballett, insbesondere der Klassik.

Lethaea, (27) hysterisch veranlagt, Auswüchse ihrer Krankheit sind früh genug von ihrer Mutter ausgemergelt worden. Stattdessen neigt sie zu weniger Pathos.

Erika, ehemalige Sachbearbeiterin einer Behörde, Name ohne besondere Vorkommnisse verdient.

Frau Berger, flüchtige Bekannte von Erika, durch die sie auch den Job vermittelt bekam.

Kleines Mädchen, klein.

Die Namen, der Ort und die Handlung sind wahrscheinlich rein zufällig.

alle Rechte bei Brokalhaus, München 1986


 

1 . Szene

Ein fast dunkler Raum. Rechts zur Wand steht ein Katheder, auf dem Tintenfass und Pergamentpapiere liegen, davor Schweiger. Hinten in der Mitte, ebenfalls ein Katheder, der auf einem Podest steht, so dass er wie ein Altar wirkt. Dahinten steht Zeuger, der ein Telefonbuch auswendig lernt. Schweigen schreibt grosse schöne Lettern.

Schweiger: Wie sollten uns beeilen, sonst verpassen wir unsere letzte Möglichkeit. Wir haben uns schließlich schon einmal verrannt. Also besinnen wir uns und hören auf zu schweigen. Zeuger! Hörst du? - Ja, du liebst es, leicht zu liegen. Frauen hast du gehabt - Oh, ja viele. Aber ich beneide dich nicht - warum auch, mir kann man nichts vormachen: Du bist schön. (er kichert) Wenn der Tag nicht schon gedämmert hätte, so würde ich vielleicht dein Antlitz gegen ein geschwungenes R eintauschen. (er malt ein großes geschwungenes R) Ja, Zeuger, du hast schöne weiche Haut. Sei mir nicht böse, ich habe dir beim Baden zugesehen. Es war ein Loch in der Wand. Auch das solltest du stopfen. - Ja, Zeuger, du bist schön . (mehr zu sich) Auch Motten glauben in der Nachtlaterne eine Sonne zu sehen. (wieder zu Zeuger) Du musst das Licht ausmachen, das Licht, Zeuger. Vielleicht kommt doch noch jemand und der weiß dann, dass wir zu Hause sind. Norward wollte kommen. Er hatte es versprochen. - Die Kleine - Er mag ja auch rote Haare, und. . . - bitte lach jetzt nicht - und Sommersprossen. Wie auf dem Ponyhof, Zeuger. Pferde, wilde Pferde Zeuger. Zeuger!

Zeuger: Wenn langsam etwas die Oberschenkel wärmt. - Aber genug, ich habe fast alle Telefonbücher der Republik auswendig gelernt. Nur noch das eine, das von drüben: Echt schwer. Merkwürdige Namen. Es wird dunkel, lass uns Licht machen.

Schweiger: Warten wir noch. Das kleine ist gerade noch recht. Ein paar Minuten. Es ist schön mit dir, hier im halbdunkel, halbnacht, Zartheit kostet nichts.

Zeuger: Ja, Schweiger, du hast recht, die Stromrechnung ist zu hoch, aber es könnte wärmer sein, vielleicht könnte ich doch das Licht. . . ?

Schweiger: Frau Senser hat einen neuen Hund. Er stinkt. Ans Bein geht er einem immer. Zeuger, Norward hat versprochen, zu kommen.

Zeuger (schnalzt mit den Zunge): Er kommt bestimmt. Er wartet sicherlich bis es ganz dunkel ist. Er will nicht gesehen werden. - Wir könnten ihm heimlich einen Kaffee kochen, er wird überrascht sein.

Schweiger: Norward trinkt nur Tee.

Zeuger: Schade! Hören wir auf zu streiten. Wenn Norward aber Tee bekommt, wird er nicht so zornig sein, ich tue es.

(Zeuger steigt vom Katheder und will zur Tür rechts hinaus, schreckt aber auf halbem Weg zurück und verharrt für einen Moment)

Schweiger (schreit): Zeuger!

(Sie schauen sich verdutzt an, bis Zeuger zu lachen beginnt, darauf lacht Schweiger mit. Sie rennen aufeinander zu, umarmen sich und wälzen sich voller Freude auf dem Boden. Norward kommt mit einem kleinen Mädchen herein.)

Norward: Herd allein, Glück allein. Kein Hahnenkampf? Was ist passiert?

Kleines Mädchen (reißt sich von Norward los und rennt zum Katheder von Schweiger): Onkel, darf ich mit den Pinsel spielen?

Schweiger (springt entsetzt auf und schreit): Bist du des Teufels fette Beute, lass deine dreckigen Finger von den Zeichnungen.

(Das kleine Mädchen weint. Norward will sie trösten, Zeuger stellt sich ihm in den Weg.)

Zeuger: Schick sie nach Hause.

Norward: Lass' mich vorbei!

Zeuger: Wie denn? Ich bin ja fest.

Norward: Idiot! (stöst Zeugen ihn bei Seite) Gehe zurück zu deinen Eltern, und denk daran, was ich dir gesagt habe. (Er holt aus seiner Hosentasche Bonbons) Hier sind die Bonbons, die ich dir versprochen habe. Jetzt aber ab.

Kleines Mädchen: Oh ja, Onkel. (geht hüpfend ab.)

Zeuger: War sie?

Norward: Tausend Eier wollten sie haben.

Schweiger: Geschenkt.

Norward: Halts Maul, sonst pisse ich dir in die Ecke.

Zeuger (leicht aggressiv): Unsere. Norward! Unsere!

Norward: Ist ja gut! War nicht so gemeint, Schweiger. Entschuldige.

(Er umarmt Schweiger, geht dann zwischen den beiden Kathedern musternd hin und her.)

Norward: lch kann euren Frust ja verstehen, dass ihr aber gleich in die Vollen hauen müsst. Was soll's, mich geht das nichts an. Mein Großvater hatte auch so ein Spleen. Hat er sich tatsächlich eine kleine Laube gekauft, mit ein paar qm Land hintendran, und der Dussel, nun ja, es geht mich ja nichts an, hat er doch glatt auf der kleinen Fläche Weizen oder Roggen gesät.

Zeuger: Vorsicht, mein Freund. Pass auf, was du da in den Mund nimmst.

Norward: Adonis erwacht. Ist er nicht reizend, wenn er so böse schaut? Mein bester Schweiger, findest du nicht auch?

Schweiger: Wenn wir schon beim Thema sind. Wie war die Kleine?

Norward: Welche Kleine?

Schweiger: Die kleine Rothaarige.

Norward: Und welche?

Schweiger: Die mit den klitzekleinen Sommersprossen.

Norward: Musst du mir vorstellen!

Schweiger: Mensch Norward, tu doch nicht so! Die kleine Rothaarige mit den Sommersprossen. Die, aus dem Cafe. Gestern. Erinnerst du dich denn nicht?

(Er schnalzt mit der Zunge)

Norward: Ach die! - Na ja, so lala. Die übliche Sorte, großes Maul, passt aber nichts rein.

Zeuger: Hast du sie denn wenigsten richtig ran genommen?

Norward: Kennst mich doch.

Zeuger: Du solltest sie zu uns schicken. Wir würden etwas aus ihr machen.

Norward: Noch habe ich zu entscheiden. Sie konnte weder Stenografie noch unseren Code richtig lesen.

Schweiger: Weißt du denn, dass sie kein Spitzel war?

Norward: Bin ich den der Dümmste?

Zeuger: Nein!

Norward: Eben! Kommen wir zur Sache. Wie weit seid ihr? Hat Zeuger alle Telefonbücher intus? Kann das Projekt gestartet werden? Wenn ja. Wann?

Zeuger: Ich habe alle Namen soweit fast intus. Vielleicht noch zwei, drei Stunden.

Schweiger: Wenn du Papier mitgebracht hast, bin ich in einer Stunde fertig.

(Norward zieht aus seiner Tasche eine Rolle Papier, reicht sie Schweiger. Schweiger und Zeuger machen sich wieder an die Arbeit. Norward setzt sich auf einen Stuhl.)

Norward: Der Boss, also der oberste, sagt, dass bald alles vorbei sein wird. Schluss mit dem Leiden, hat er gesagt, und recht hat er. Die Befehle an die Verantwortlichen sind unterwegs. Vielleicht bis Endes des Monats. Hart aber kurz.

Zeuger: Nein, das kann doch nicht dein Ernst sein?

Schweiger: Es ist sein Ernst. Siehst du nicht, wie er grinst. Es ist sein ganz besonderer Ernst. Die Kleinen tragen die Großen.

Norward: Dann ist Alles vorbei. Aber ihr müsst ja nicht. Ich kann ja gehen.

Schweiger: Schon gut, es war ja nicht so gemeint. Es ist nur weil wir mit dem Licht so sparen müssen. Das ermüdet.

Zeuger: Ja, das ermüdet.

Schweiger: Schweig? Wir werden gehorchen.

Norward: Also noch einmal: Wir sind nicht auf der Welt, um Schönheit zu finden. (Schweiger und Zeugen schauen sich fragend an.)

Norward: Na, worauf wartet ihr: Wir sind nicht auf der Welt, um Schönheit zu finden!

Beide: Wir sind nicht auf der Welt, um Schönheit zu finden.

Norward: Sondern?

Beide: Wir sind nicht auf der Welt, um nicht Schönheit zu finden.

Norward: Sehr gut, ihr könnt einpacken.

Schweiger: Wir sind noch nicht fertig.

Norward: Ach so! Ja, richtig. Kann mir einer Geld leihen?

Zeuger: Wir haben unserem Sold auch noch nicht bekommen.

Schweiger: Mensch, sei doch ruhig! Norward, mein Lieber, was hälst du von diesen Zeichen? (Er zeigt die Zeichnungen auf dem Katheder) Hat man so etwas schon gesehen? Da kommt mir niemand drauf, was die bedeuten.

Norward: Was bedeuten sie denn?

Zeuger (schreit auf): Norward!

Norward: Ist schon gut mein Freund. War nur Probealarm. - Aber heutzutage, weiß man nie so recht, woran man mit euch Jungs ist. Ich hatte da mal einen, der wollte auch nicht so richtig. Und ihr könnt euch ja vorstellen. . .

Zeuger: Norward!?

Norward: Was ist denn? Kann man denn nicht mal in Ruhe. . .

Schweiger: Gebe mir die Zehn Euro, ich kümmere mich später um ihn. (Er nimmt das Geld von Zeuger entgegen, reicht es Norward.) Er hat es nötig.

Norward: Danke - Ich geh dann eben rüber. Mal sehen, was das alte Haus macht.

Zeuger: Sie bat einen neuen Hund.

Norward: Sei du nur ruhig. Pass auf, sonst. . .

Schweiger: Lass ihn, er vergisst bei jeder Erschütterung immer ein paar Einheiten.

Norward: Okay, aber beeilt euch. Bitte.

(Norward ab.)

Schweiger: Huu, dass wäre geschafft.

Zeuger: Schweiger?!

Schweiger: Hm!

Zeuger: Was meinst du, ob er sie?

Schweiger: Wieso?

Zeuger: Er sah ganz danach aus. Hihihi.

Schweiger: Ach, die weiß doch von nichts.

Zeuger: Der rinnt doch fast das Öl von der Palette. Hahaha.

Schweiger: Ruhig jetzt. Weiterarbeiten.

(Pause. Sie arbeiten. Schweiger schreibt, Zeuger memoriert Vornamen.)

Zeuger: Warum auch?

Schweiger: Warum was?

Zeuger: Warum sollten wir uns das gefallen lassen? Der kann doch auch nicht mehr, - (denkt nach) aber wenn der wüsste. . .

Schweiger: Ruhe, jetzt! (denkt ebenfalls nach) Was wüsste?

Zeuger: Ruhig, da kommt jemand!

(Norward erscheint mit einer riesigen Milchkanne.)

Norward: So Jungs, das habe ich ganz vergessen: vom Chef, mit besten Grüßen, sozusagen. Da guckt ihr was? Es wollte euch auch mal ein Schnippchen schlagen. Aber nichts für ungut. Hatte schon schlimmere Aufträge. Hahaha. So etwas mache ich mit links.

(Zeuger schaut neugierig in die Kanne)

Norward: Finger weg! Erst das Vergnügen, dann die Arbeit, wie der Chef immer sagt. Hahaha.

Schweiger: Dummkopf.

Norward: Wer? - Ich? - Pass bloß auf!

Schweiger: Der Chef.

Norward: Ach so.

Zeuger: Wieso?

Norward: Weil er alles verdreht. Dummkopf.

Schweiger: Woher wusste er das mit der Milch?

Norward: (grinst gemein) Ihm entgeht nichts.

Schweiger: Zeuger?

Zeuger (tut unschuldig): Jal

Schweiger: Komm mal her!

Zeuger: Ich hab keine Zeit. Ich muss. ., .

Schweiger (schreit): Herkommen! Habe ich gesagt!

(Zeiger ist vorsichtig bei Schweiger angekommen)

Schweiger: Woher weiß der Chef, dass ich leidenschaftlicher Milchtrinker bin? (zieht Zeuger an den Ohren.)

Zeuger: Aah. - Äh. - Vielleicht war er einmal auf deiner Hütte?

Schweiger: Du Hund! Dir werde ich es zeigen. Ich habe ihn nie eingeladen. Wie soll er denn auf den Berg gekommen sein? Hä?

 

Norward (einschreitend): Der Chef braucht keine Einladung. Er kommt, wann es ihm passt. Ist das klar?

Zeuger: Eigentlich logisch. Finden Sie nicht auch?

Schweiger: Na ja. - Aber gesehen habe ich ihn nie.- Vielleicht war ich gerade in der Küche.

Zeuger (wieder mutiger): Aber du hast doch auf deiner Hütte gar keine Küche.

Schweiger: Hm! - Das stimmt auch wieder. Ist ja auch egal. Wie viel Liter sind drin?

Norward: Zwei.

Zeuger: Hahaha und dann solch eine große Kanne.

(Schweiger und Zeuger lachen.)

Norward (ein wenig beschämt): Wir müssen eben sparen. Wir können schließlich nicht jeder Zweigstelle eine Extraanfertigung bereitstellen. Einheitsgröße. Verstehst du?

Zeuger: Nein.

Norward: Nein?

Schweiger: Genau! Warum trinken die Anderen Milch?

Zeuger: Warum nicht!?

Norward: Ja, sag mir warum nicht? Du tust es doch auch.

Schweiger: Eben nicht. Nicht mehr, seit einem Jahr.

Norward: Nicht mehr? Aber dann...

Schweiger: Genau!

Norward: Das ist unser Untergang.

Schweiger: Noch nicht.

Zeuger: Kann mir jemand mal erklären, worum es geht?

Norward: Was hast du vor?

Schweiger: Ich werde die Milch vertauschen.

Norward: Womit?

Schweiger: Mit Milch.

Norward: Das ist gut, sehr gut, dass merkt niemand.

Zeuger: Erklärst du es mir?

Norward: Also gut: wie unterscheidet sich Milch.

Zeuger: Ich weiß ich nicht.

Norward: Eben, Überhaupt nicht.

Zeuger: Ja?

Norward: Verschiedene Milch kann doch im gleichen Behälter sein?

Zeuger: Ja.

Norward: Also kann dieselbe Milch auch in verschiedenen Behältern sein.

Zeuger (denkt nach, dann überrascht): Hey, das ist gut!

Schweiger: Wenn du von Frau Senser zurückkommst, dann bringt doch bitte zwei Flaschen mit.

Norward: Leere? Hahaha.

Zeuger: Nein, mit Apfelsirup.

Norward: Mit was?

Zeuger: Mit Apfelsirup.

Schweiger: Er trinkt ihn so gerne.

Zeuger: Eben.

Norward: Also gut, dann gebe mir Geld mit.

Schweiger: Wenn wir nicht mehr da sind. Du weißt schon, wenn man uns. . . . Denk daran, die anderen zu warnen.

Norward: Ja! (Schweiger und Norward umarmen sich.) Dann geh ich mal. Aber nicht einfach so verschwinden. Ich verlasse mich auf euch.

Zeuger: Kannst du voll und ganz. (Norward umarmt Zeuger.)

Norward: Adieu! (Norward ab.)

Zeuger: Warum lachst du?

Schweiger: Ich habe etwas vor.

Zeuger: Was?

Schweiger: Kann ich mich auf dich verlassen?

Zeuger: Voll und ganz.

Schweiger: Dann lerne ruhig weiter. Ich habe eine sehr große Sache vor. Das hier wird bald ein Ende haben.

2. Szene

Links die Tür. Halb rechts hinten, eine spanische Wand. Ganz rechts an der Wand ein Bierautomat, Stühle und Tische. Halb links vorne eine Badewanne. Der Chef sitzt in der Badewanne, umgeben von Wasserdampf. Vier Junge Frauen (Hildrun, Lethaea, Erika und Frau Berger), gießen heißes Wasser nach. Der Chef kratzt sich mit einem langen Stock den Rücken und liest ein Buch und raucht natürlich Zigarre. Die vier Frauen naschen heimlich aus einer Dose, die auf dem Tisch steht.

Chef: Huratschi. (er niest) Verdammt nocheinmal: mehr Wasser!

(Wasser wird nachgegossen) Ah, st das Schön. - Hildrun! - Hildrun!

Hildrun: ja, Chef. Ist es schon So weit?

Chef: Nein, verdammt noch einma! . Bringen Sie mir die Etiketten, bitte.

Hildrun: Ich muss sie erst aus dem Karteiraum holen. Wenn du eben Geduld hast!

Chef: Ja, nun gehen Sie schon. (Hildrun will gehen) Hildrun!

Hildrun: Ja, Chef.

Chef: Und bringen Sie noch eine Kelle Milch mit. Sie steht neben dem Schuhkasten. Aber passen Sie auf, dass Sie mir nichts auf meine Schuhe verschütten.

(Hildrun ab)

Chef: Aaah, ist das ein Leben. (Er liest im Buch. Längere Pause. Er summt) Hahaha. - Hildrun! - Wo ist Hildrun?

Die Anderen Frauen: Sie ist weggegangen.

Chef: Na ja. Hört mal: (liest) Er ging auf ihn, über und neben und drunter und drüber. - Ist das nichts?

Die Frauen: Was ist schon nichts?

Chef: Ihr versteht davon nichts. Bringt mir das Phone.

(Er wählt.)

Chef: Ja, ich. Geb mir mal den Zeuger, den netten.

(Die Frauen kichern.) Ruhig - Hör mal Zeuger, schreibe das mal dazu: Er ging auf ihn, über und neben und drunter und drüber. (Die Frauen kichern wieder.) Dazu, ja! Verstanden? Gut, wiederhören. (Legt auf.) - Aaah, ist das ein Leben. - Hey ihr Hübschen!

Die Frauen (ängstlich):Ja!

Chef: Bringt mir bitte was zum Trinken. Ein Bier.

Die Frauen (In ihren Taschen suchend.): Wir haben kein Kleingeld.

Chef: Verdammt! - Geben Sie mir bitte meine Hose!

(Die Frauen streiten sich um die Hose, die auf dem Stuhl liegt. Frau Berger gewinnt und reicht sie dem Chef. Dieser zieht nach kurzem Suchen Geld heraus.)

Chef: So, dreht euch alle zur Wand um!

(Die Frauen sich drehen zur Wand. Kichern. Der Chef steigt aus der Wanne, geht zum Bierautomaten. Das Geld bleibt stecken. Er versucht es erneut, bis er sich eine Flasche Weißbier ziehen kann. Er schaut auf die Etikette.)

Chef: Verdammt!

Die Frauen: Was ist, Chef?

Chef: Halt nicht umdrehen. Ich brauche ein Glas.

(Hildrun tritt an ihn heran. Der Chef springt in die Badewanne.)

Hildrun: Ich habe sie. . . (Hält ihm Kelle und Papierbögen hin.)

Chef (schreit): Umdrehen! Umdrehen!.

Hildrun: Aber, wie denn? Hier ist die Milch.

(Der Chef nimmt die Kelle, riecht daran und schüttet sie aus.)

Hildrun (erschrocken): Was machst du?

Chef: Ich muss Weißbier trinken.

Hildrun: Und die Milch?

Chef: Die war schlecht. (Zu den Frauen.)

Sie können sich umdrehen. Aber langsam. Wo sind die Daten?

Hildrun: Hier! (Zeigt ihm die Papierbögen.)

Chef (schaut die Bögen durch und stößt mehrfach ein interessiertes Aha aus.):

Aha! Aha! Au ja! Sehr gut, sehr gut, dann können wir hier bald die Zelte abbrechen.

(Die Frauen schauen sich erstaunt an.)

Chef: Was ist?

Erika: Aber. . .

Hildrun: Was aber?

Frau Berger: Wir können doch nicht einfach...

Hildrun: Was können wir nicht einfach?

Lethaea: Jetzt habe wir soviel Zeit investiert. Und das soll nun alles für nichts sein.

Chef: Haben Sie einen besseren Vorschlag? (Schweigen) Eben. Wo nichts mehr zu holen ist, ist nichts mehr zu holen. Außerdem wird uns das ganze Unternehmen zu kostspielig. Wir haben, was wir brauchen.

Hildrun: Haben Sie nicht gehört, Sie werden nicht mehr gebraucht. Also verschwinden Sie!

Lethaea: Du kannst uns doch nicht einfach auf die Straße setzen.

Frau Berger: Ja, wo sollen wir denn hin?

Hildrun: Sie werden schon was finden. Haben Sie denn nichts gelernt?

Lethaea: Das kannst du nicht machen! (Sie gehen auf den Chef los.)

Die Frauen (Durcheinander): So eine Sauerei. Für einen Hahnrei geschuftet. Undankbar. So lassen wir uns nicht einfach abspeisen. Mit uns nicht (u. s. w.)

Chef: Aber meine Damen, so beruhigen Sie sich doch. Niemand hat etwas von abschieben gesagt. Wir werden nur ein wenig umdisponieren müssen. Jeder kommt auf seine Kosten. Das verspreche ich, so wahr die Wahrheit ist. Bitte geben Sie mir meine Kleider. Ich muss die Übergabe arrangieren.

(Das Phone klingelt. Hildrun geht ran.)

Hildrun: Süddeutsche Wohlfahrts-GmbH. - Ja! - Moment.

(Sie gibt das Phone der Lethaea.)

Lethaea: Ja! - Ach! - Nein, ich kann jetzt nicht. Wieso? - Bitte!- Lass uns später darüber sprechen. - Bitte, ich kann jetzt nicht, wir habe eine Konferenz. - Du, ich ruf dich zurück. Bitte, sei mir nicht böse, wir sprechen uns. - Überlege es dir noch einmal. - Es wird dir sonst wieder leid tun. - Was soll ich denn machen? Bitte, sprechen wir doch später noch einmal. Gebe mir die Chance. - Dann nicht, du kannst mich mal. (Sie legt auf, schaut zuerst wie versteinert, beginnt zu weinen.) Was geht hier eigentlich vor?

Chef (zu Hildrun): Hm?

Lethaea: lch, Frau, kein Grund, so alles, ohne Boden. - Ja, wir werden gehen. Und es wird eine Ende haben. Kennen uns aus. Wir nehmen uns mit, ja, mitnehmen. Uns mitnehmen.

(Wieder das Phone, Hildrun geht ran.)

Hildrun: Hunsrück AG. - Moment bitte! (Hält den Hörer verdeckt, zu den Frauen mit Kopfnicken) Worauf warten Sie?

Erika: Wir wollen unser Recht.

(Der Chef steigt aus der Wanne und schreit.)

Chef: Buh!

(Die Frauen rennen kreischend hinaus. Der Chef zieht sich ohne abzutrocknen an.)

Hildrun: Ja, Sie können sprechen. - Alles es klar. - Für dich.

Chef (Das Phone entgegen nehmend.): Danke. - Ja! - Ach du bist es. Ich habe schon auf Befehle gewartet. Die Daten müsste stimmen. Das Beste, was wir zur Zeit auf dem Markt haben. Aber ja, ich habe es eigenmächtig überprüft. - Gut, ich melde mich, wenn ich drüben bin.

Chef: Hildrun!

Hildrun: Ja, mein Lieber.

Chef: Lass das jetzt. Es wird's ernst.

Hildrun: Aber, warum bist du denn so blass?

Chef: Hören Sie mir zu, wenn ich mit Ihnen spreche.

Hildrun: Ich bin ganz Ohr.

Chef: Wir haben alle Informationen, die wir brauchen. Wir werden noch heute abend über die Grenze gehen.

Hildrun: Und die anderen?

Chef: Welche anderen?

Hildrun: Zeuger und Schweiger und die aus Block drei.

Chef: Da habe ich vorgesorgt. - Oder was glauben Sie, wozu ich die Milch habe. - Die ist mit einer Droge versetzt, die jede normale Reaktion unmöglich macht.

Hildrun: Und die Namen?

Chef: Oh Gott, die hätte ich fast vergessen. Verbinden Sie mich schnell mit Zeuger.

(Hildrun wählt wählt und verlangt, gibt dann das Phone an den Chef.)

Chef: Hören Sie Zeuger, wenn ich Ihnen etwas sage, dann haben Sie gefälligst zu hören. (Verdeckt das Phone, dann zu Hildrun) Man muss sie nur richtig zu nehmen wissen. (ins Phone) Hören Sie, die ganze Sache verschiebt sich um ein paar Tage. - Bitte? - Ja, Ja. Jaja, wegen Nebel. Ich brauche Sie aber noch vorher. - Nein, nicht Schweiger - Sie sind der Mann der Stunde - Hä? - Nein, dass braucht Sie nicht zu ehren. - Hören Sie auf mit dem Quatsch - Sie kommen sofort rüber- Ja, dass ist schön, dass sie alle Namen haben. (Hält das Phone zu. Hildrun macht es.) Von der Gehaltsliste streichen. (Wieder ins Phone.) Ja, auch den Satz. Aber! Schweiger darf davon nichts wissen. - Nein, wir hintergehen ihn nicht. Warum auch, er ist unser bester Mann - Hä? - Na gut, zweitbester. Ja, ich weiß, wo meine Grenzen sind. Hören Sie, sie sagen ihm einfach, sie wollen ein neues Telefonbuch holen, um sich zu vergewissern, dass sie alle Namen haben. - Bitte? - Ja, Sie haben es verdient. (Beendet das Gespräch.) Hildrun, Sie fahren voraus. Ich warte hier. Wenn ich nicht nachkomme, kommen sie zurück und verhindern, dass niemand die Informationen ohne mich weitergibt.


 

3. Szene

Raum wie in der 2. Szene. Der Chef auf einem Stuhl und wartet. Nach einiger Zeit holt er aus dem Zimmer nebenan eine Milchkanne und stellt diese mitten in den Raum. Während die Tür aufgeht und Zeuger und Schweigen in den Raum treten, verstreckt sich der Chef in der spanischen Wand.

Schweiger (singend):

Wir singen dem Herrn ein Lied.

Das er uns noch mehr gibt.

Wir lachen ihn ins Aug.

Weil ich weiß, dass ich was taug.

Zeuger: Schweiger, schweig, man könnte uns ja hören.

Schweiger (singt):

Tut er uns dann hören.

Tun wir ihn mit Pomp betören.

Haha, der wird Augen machen.

Und wir werden lachen.

Schweiger: Ruhig. Ich glaube, ich habe was gehört.

(Schweiger geht zur spanischen Wand, entdeckt den Chef. Flüstert mir ihm.)

Was machst du denn hier.

Chef: Pssst! Er darf nichts wissen. Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie möchten allein kommen.

Schweiger: Wollte ich auch. Aber er war so aufdringlich. Da konnte ich nicht anders. . .

Chef: Pssst!

Zeuger: Führst du Selbstgespräche. Komm her ich muss dir was zeigen.

(Zeuger geht zu den Kannen, prüft sie.)

Schweiger: Was soll ich bloß machen?

Chef: Er soll die Milch trinken. Lassen Sie was einfallen.

(Schweiger geht zur Kanne.)

Schweiger: Schau mal!

Zeuger: Und?

Schweiger: Verstehst du denn immer noch nicht!

Zeuger: Nein.

Schweiger: Trinke davon!

Zeuger: Wozu?

Schweiger: Du hast doch Phantasie, oder?

Zeuger: Klar.

Schweiger: Also stelle dir einmal vor: einen Apfel.

Zeuger: Hm?!

Schweiger: Einen Karren.

Zeuger: Hm!

Schweiger: Dann stell dir vor, du hast Durst.

Zeuger: Und?

Schweiger: Und du willst etwas trinken.

Zeuger: Hm! Oh ja!

Schweiger: Und da ist Milch auf die hast du Appetit. Das einzige, was du dir vorstellen kannst ist Milch, deine erste Berührung mit der Weit: Milch. Verstehst du Milch? Weiße Milch, ganz normale weiße Milch, kein Apfel. - Schau nicht so, du sollst dir die Milch vorstellen.

Zeuger: Ich kann nicht. Durst ja. - Du machst mir Angst, ich versteh dich nicht.

Schweiger: Trinken!

Zeuger: Bitte.

Schweiger: Trinken!

Zeuger: Hä!?

Schweiger (Packt ihn am Klagen und hält ihn über die Kanne): Trink oder stirb.

Zeuger: Hä!

(Schweiger gibt Zeuger einen Tritt, so dass dieser umfällt.)

Zeuger: Das sage ich dem Chef.

Schweiger: Hahaha.

Zeuger: Du bist gemein.

Schweiger: Hahaha. (Er sieht die Papierbögen. Er nimmt einige und studiert diese. Da er abwesend ist wird Zeuger immer wütender.)

Zeuger: Ich trinke nicht. (Schweiger reagiert nicht, dann.) - Ich trinke, schau ich trinke.

Schweiger: (Noch mit den Bögen beschäftigt, schaut nicht auf, Zeuger mimt affektiert das Trinken)

Zeuger: Schau: ich trinke!

Schweiger: Halt! Warte noch! Setz dich einen Augenblick hin.

(Zeuger setzt sich)

Schweiger: Sag mal, hast du noch die Namen aus dem Telefonbuch von gersten im Kopf.

Zeuger: Ja. Alle. Ich habe ja Monate nichts anderes gelernt. Das weißt du doch.

Schweiger: Welche Silben fallen dir spontan ein.

Zeuger: Hä!

Schweiger: Sofort!

Zeuger: Müll und Schmi.

Schweiger: Wie klingt Schmimüll?

Zeuger: Schööön.

Schweiger: Schön?

Zeuger: Ja, ganz gewöhnlich schön.

Schweiger: Hab ich mir es doch gedacht.

Zeuger: Darf ich jetzt trinken.

Schweiger: Wenn du willst.

Chef (Hinter der Wand): Halt!

Schweiger: Was.

Zeuger: Nichts.

Schweiger: Worauf wartest du. (drängt ihn) Prost!

(Zeuger zögert.)

Schweiger: (fordernd) Trinke!

Zeuger: Danke. (trinkt)

Schweiger: Wie findest du Hildrun.

Zeuger: Die aus Be-6-13?

Schweiger (sichtlich nervös) Ja!

Zeuger: Nett.

Schweiger: Nett?

Zeuger: Ja, einfach nett.

Schweiger: Nett, nett, das nützt mir nichts. Die ist bestimmt schon übern Berg. Diese Weiber. Die kenne ich, den kleinen Finger und die große Hand.

Zeuger: Zu mir war sie immer ganz nett.

Schweiger: Moment, ich muss mal überlegen . . . Wenn die wirklich. . . das wäre genial. - Zeuger, pass auf - Bisher hat dich niemand nach den Namen gefragt.

Zeuger: Doch du. Aber das zählt nicht, weil ich zum überlegen mehr Zeit brauche. Ich muss nämlich erst einmal einen Anfang finden. . und der geht so. : „weißt du Schweiger, jetzt kann ich dir es ja sagen: du beachtest mich nicht, und ich weiß auch warum, weil du Angst hast, ja, du hast Angst, immer hast du sie; deswegen machst du das. In Wirklichkeit ist alles in Ordnung, aber du kommst immer und hast was auszusetzen.“

Schweiger: Das bildest du dir ein!

Zeuger (zu sich): Zuerst dachte ich: ich liebe ihn. Er hat was, dann aber bin ich dir auf die Schliche gekommen; du tust nur so. Warum bist du hier?

Schweiger: Der Chef hat gesagt, ich soll hierher kommen.

Zeuger: Warum bin ich hier?

Schweiger: Du bist mir nachgelaufen.

Zeuger: Stimmt, aber warum?

Schweiger: Du wolltest Milch trinken. (Ihm den Becher reichend): Also bitte hier!.

Zeuger: (Trinkt): Schmeckt sonderbar?

Schweiger: (Nimmt den Becher nippt, verzieht das Gesicht, gibt den Becher zurück.) Du bist doch nicht schlauer.

Zeuger: Das hat niemand behauptet. Außerdem hast du selber Schuld, wenn du immer ins Fettnäpfchen trittst. (Trinkt kräftig aus dem Becher, gibt ihn zurück.)

Schweiger: Ich werde mich ändern. (Trinkt den Becher leer.)

Zeuger: Das solltest du auch.

Schweiger: Du wirst schon sehen.

(Pause. Der Zustand der Beiden verändert sich.)

Schweiger: Und was hälst du von Erika und dem Fräulein Berger?

Zeuger (schon leicht benebelt.): Musst du mir vorstellen.

Schweiger: Lethaea kennst du aber.

Zeuger (Macht eine ordinäre Zungenbewegung): Nee.

Schweiger: Nehm mich verdammt nocheinmal nicht auf den Arm! Du hast sie ja selbst gelockt.

Zeuger: Wenn jch ein Vöglein wär.. Und ich das - du Baum...

Schweiger: So hoch, so hoch und niemand sang ein Lied.

Zeuger: Denn ich bin Brandstifter von Beruf, aber diese Blicke, ich muss schon sagen.

Schweiger (von Zeuger angefasst): Fass mich nicht an!

Zeuger: So nachgefasst. Hahaha.

Schweiger: Sei nicht albern (lacht, weil Zeuger ihn kitzelt.)

Huh, hahaha, lass mich. - Du Vogelscheuche.

Zeuger: Ha, ich jage dich gleich.

Schweiger: Ein Jäger aus Kurpfalz, komm doch Söhnchen.

(Sie raufen. Den Chef erscheint.)

Chef: Aber meine Herren! (Beide lachen schallend.) Zeuger, komm her!

Zeuger: Ist nichts. bin übergelaufen.

Schweiger: Übergelaufen, das ist gut. Hahaha. Randvoll Mister Chef, bis hier.

Chef: Meine Herrenl Sie überschreiten Ihre Kompetenzen. Voll und ganz.

Ich werde Meldung machen. Zeuger hierher. (Zeuger und Schweigen lachen wie die Verrückten. Zu sich) Aussperrung? - Ich bin nicht verloren!

(Schweiger zärtlich streichelnd.) Schweiger, mein Lieber.

Schweiger: Zu Gehorsam. Melde meine Kompetenzen. (Zeugen und Schweigen büllen vor Lachen)

Chef (unbeirrt): Mein Lieber, hör doch mal. Beim Identitätstraining sagtest du doch, du würdest alles machen, um Chef zu werden.

Zeuger: Was du auch?

Schweiger (abrupt ernst): Na und?

Zeuger: Das finde ich komisch. Hahaha.

Schweiger: Ich überhaupt nicht. Ich habe Frau und Kinder.

Chef: Also reißen Sie sich zusammen!

(Schweigen steht stramm, während Zeuger weiterhin lacht.)

Zeuger: Ist das komisch.

Chef: Zu Ihnen komme ich gleich.

Zeuger: Zu mir kommt er gleich danach. Hahaha.

Schweiger: Hör auf. Du tust mir weh.

Zeuger: Oh, oh weh, ihm drückt ein Zeh. (Er tänzelt um den Chef) - Chef (in die Milchkann schauend.) Verdammt!

Chef: Da schaust du in die Röhre! Was?

Schweiger: Das ist gut. (Beide lachen.)

Chef (Setzt sich auf einen Stuhl und wartet den Moment ab, um sprechen zu können.):

Als ich klein war, haben die Kinder in der Schule immer über mich gelacht. Weil ich so dick war. Ich war sehr dick, oh ja, dass gibt es! Und so dick, wie ich war, habe ich mich in ein Mädchen mit Sommersprossen verliebt. Ich schielte immer kurz und heftig mit scheuem Blicke auf ihre roten Haare. Die kleinen Sommersprossen - sie verschwanden im Licht, - die wollte ich immer schauen, ohne Unterlass. Vielleicht war sie aber nur ein Knabe - das weiß man hinterher nie. Schnell fand sich etwas, das uns trennte: Ein Jahr war sie älter. Ja. Heute lache ich auch über das eine Jahr. Aber wenn man jung ist, und ich war wirklich jung, ja, da ist ein Jahr ein ganzes Leben. Ein ganzes Leben dick sein, das war traurig, zum Schweigen traurig. Erst später, ich hatte lange nach einem Unfall im Koma gelegen, da erfuhr ich, dass dieses Mädchen tot sei. Sie nahm sich das Leben. - Wohl wegen meinem Unfall, hatte man mir noch am Krankenbett erzählt. Mein Gott, fuhr der Schrecken wild durch meinen ganzen Körper, dass vor Sorge der Notarzt gerufen werden musste. (Sackt in sich zusammen, dann fast traurig.) Sie hatte mich geliebt. (Stille.) Seit damals weiß ich mit absoluter Bestimmtheit, was Schicksal ist. Nicht das ich mich im Kreise drehe, nein, nein, dafür war ich damals schon zu gläubig. Denn ein Gott hatte mir gesagt: ich solle glücklich sein. Ja, meine Herren, Sie werden es mir nicht glauben, dass Mädchen und vor allem die Sommersprossen erwachten erneut in voller Pracht für immer vor meinem geistigen Auge, wie Sonnenflecken auf der Netzhaut. Und so war mein Leben bestimmt. Ich sollte Menschen führen. Ich sollte die Schläge, die mir zugeteilt wurden, rächen. Ja meine Herren, auch das ist Schicksal. Ein größeres hätte ich nicht erwarten dürfen. Ich träumte seither: ein Führer zu sein. (Die beiden Anderen werden sehr ernst.) Es hörte nie auf, denn jetzt war ich wach. Glück ist die Abwesenheit von Unglück, ja, meine Herren. Ich lernte alles, was es zu lernen gab. Denn ich war im Begriff das Glück selbst zu sein. Und schließlich gab es diese einmalige Möglichkeit, dass ich jetzt vor Ihnen stehe.

(hält kurz innen) Würde. (lauter) Würde. (mit voller Kraft) Würde!

(Die beiden Anderen schauen verwirrt.)

Ja, es ist die Erkenntnis eines Geheimnisses, hier drin: (Zeigt auf seine Stirn.) ganz tief, tiefer als jedes Lichtje kommen kann. Und wenn die Zeit nicht die letzten Zipfel dieses längst verschollenen Wortes gierig in den Schlund der Vernichtung aufsaugen hätte: würde ich von Gott, dem Allmächtigen sprechen.

(Hält inne und genießt den Augenblock dieser Wort.)

Schweiger: Warum erzählt der das? (Zeuger zuckt mit den Achseln.)

Chef: Weil es nur mich angeht; aber so zu sein, wie es sich ein jeder im Stillen denkt, ist nur dem verwehrt, der anderen sich verschweigt.

Schweiger: Das kann ich gut verstehen.

Zeuger: Was?

Schweiger: Genüsslich schweigen!

Chef: Warum? Weil ich die Menschen liebe. Und deshalb bin ich hier. Auch euch!

Schweiger: Und was sollen wir tun?

Chef: Geh bitte für einen Moment hinaus, Schweiger. Ich erkläre es in Teilen.

Schweiger: Ich verstehe. (Er geht ab. Chef schließt die Tür.)

Chef: So das wär's. (Er geht drohend auf Zeuger zu, der sich verkriechen will.)

Jetzt zu dir.

(Schweiger poltert gegen die Tür.)

Zeuger: Ich bin nur das, was mir zusteht.

Chef: Komm du Kröte, du miese kleine Kröte.

Schweiger (brüllt): Tu ihm nichts, bitte, tu ihm nichts.

Chef: Jetzt bist du dran, mein Zeugerlein. Jetzt geht es dir an den Kragen.

Zeuger: Was wollen Sie? Ich werde nie mehr für Sie arbeiten. Wenn Sie mir was tun, kommt es Sie teuer zu stehen.

Chef: Mag sein. Ich will nur eins. (Stößt Zeuger in die Badewanne.)

Zeuger: Sie Schwein!

Chef: Jetzt habe ich dich. (Zieht seinen Gürtel aus.)

Zeuger: Sie Schwein. Sie. Sie Schwein. Sie!

Chef: Sprich, oder ich schlag dir auf den Popo!

(Schweiger brüllt.)

Zeuger: Ich will ja alles sagen. Bitte nicht.

Chef (Läßt ab): Nun?

(Zeuger steht auf und richtet seine Kleidung.)

Chef: Nun?

Zeuger: Was?

Chef: Welche Namen fallen dir ein?

Zeuger: Lethaea, Erika, Hildrun.

Chef: Die kenn ich doch irgentwo her?

Zeuger: Ich habe sie vorhin genannt, als Schweiger mich fragte.

Chef: Ach, und ich hatte gedacht, die hätten bei uns gearbeitet.

Zeuger: Dann dürften sie nicht von hier sein.

Chef: Bei den Namen?

Zeuger: Bestimmt. Also wenn ich darf. (Kichert. Schweiger poltert von draußen.)

Schweiger: Neiiiin!

Chef: Wenn es sein muss. Meinetwegen.

(Chef hebt die Bögen auf, schaut sie an und überlegt. Zeuger will gehen, wird aber vom Chef zurückgehalten)

Chef: Weißt du, was das ist?

Zeuger: Nein, aber wir sollten ihn reinlassen.

Chef: Lass mal. Das sind Lautstatitistiken. Die braucht unser Geheimdienst, um für die uns wohlgesonnene Partei in diesem Land die Reden zu schreiben. Die Worte, die am meißten im Wortschatz vorkommen gemittelt durch jene, die am meisten in Form ihres Namens am Leibe getragen werden, werden in die Reden unserer politischen Führer ans gemeine Volk hingegespickt. Jeder, der die Reden hört – die in der Regel voller Lügen sind - fühlt sich vertraut bei dem Klang dieser Laute und schenkt dem Führer absoluten gehorsam. Sinnmanipulation nennt man das. - Was meinst du, welche Laute werden im Leben eines einzigen Menschen am meißten gesprochen?

Zeuger: Das A. (Chef schlägt ihn mit den Briefbögen.) Aaaah! A!

Chef: Lügner. (schlägt ihn) Es war Lethaea und die anderen. Die haben bei uns gearbeitet.

Zeuger (Tut unschuldig.): Also doch?

(Chef schlägt weiter auf ihn ein. Schweiger donnert gegen die Tür.)

Chef: Du Hund, sage die Namen. Ich lasse mir von dir meine Karriere nicht ruinieren und überhaupt bist du ein elender Lügner. Ein dicker gemeiner Lügner.

(Die Tür geht auf. Schweiger und Hildrun stürzen herein.)

Hildrun: Lass ihn! Er kann nichts dafür.

Chef: Was machst du denn hier? Ich denk, du bist aufgehalten worden?

Hildrun: Da denkst du richtig.

Schweiger: Zeuger, mein Lieber, fehlt dir was? (Tröstet ihn.)

Zeuger: Auf den Kopf hat er mir gehauen.

Hildrun: Ich war noch im Sendekeller. Die anderen waren auch da. Sie haben sich verschworen. Ich konnte mich gerade noch retten.

Zeuger: Was ist passiert? Keine Schläge mehr?

Chef: Nichts. Alles gut.

Hildrun: Nein! Eben nicht.

Chef: Die werden sich schon beruhigen. Ich habe sie rausgeworfen. Wegen Faulheit.

Hildrun: Wegen was?

Chef: Die können nichts dafür. Sind ja schließlich von hier.

Hildrun: Nicht deshalb haben sie gewütet. Sie haben gemerkt, das du dich ohne uns Alle absetzen wolltest. Die Milch hat nicht gewirkt.

Schweiger: Hab ich es mir doch gedacht. Er hat sie wieder austauscht.

Hildrun: Blanker Verrat! Zeuger sollte Zeugen und Schweiger nicht Schweigen. Er will der große Führer werden, daher wollte er euch hintergehen und vergiften.

(Schweiger geht auf den Chef los, wirft ihn zu Boden. Alle stürzen sich auf den Chef.)

 

4. Szene

Schlafzimmer mit Bett. Lethaea am Schminktisch. Zeuger auf der Bettkante in Unterhose.

Zeuger: Ich hatte es satt, den Affen zu spielen.

Lethaea: lst doch ein freies Land.

Zeuger: Eben.

Lethaea: Aber keine Entschuldigung. Aber mein Herz, ich sage dir, es wird wieder eine Zeit kommen, wo ein Mund nicht nur einfach sich auftut.

Zeuger: Hör auf.

(Lethaea lacht.)

Zeuger: Hör auf, ich habe bezahlt.

Lethaea: Da kennst du Schweiger schlecht.

Zeuger: Der ist mein bester Freund.

Lethaea: Und jetzt her mit dem Geld. Ich habe auch meine Unkosten.

Zeuger: Nein!

Lethaea: Dann warten wir, bis Schweiger kommt.

Zeuger: Nein. - Hier! (Gibt ihr das Geld) Ich muss verschwinden.

Lethaea (Zum Geld.): Warum, dass reicht doch.

Zeuger: Er darf mich hier nicht sehen.

Lethaea: Warum?

Zeuger: Er glaubt mir nie etwas.

Lethaea: Du hast doch mit ihm zusammengearbeitet.

Zeuger: Ja. auf gleicher Ebene.

Lethaea: Und jetzt?

Zeuger: Du merkst es doch am eigenen Leib. Der hat den Geheimdienst geschmissen und denkt nur noch an sich. Ein Emporkömmling.

Lethaea: Ein Krimineller.

Zeuger: Sag das nicht!

Lethaea: Er hat doch den Chef umgebracht.

Zeuger: Das war ein Unfall.

Lethaea: Oder Notwehr!

Zeuger: Du bist gemein.

Lethaea: Du bist gemein. Und du hast es gesehen. Ich sehe es deinen Augen an.

Zeuger: Du hast ihn doch auch gehasst.

Lethaea: Ja. Aber ich wusste immer, dass er für eine gute Sache ist. Schweiger ist nur geil auf das Geld.

Zeuger: Du nicht?

Lethaea: Nicht so. Ich musste mich ja schließlich von irgendetwas ernähren hat. Es fragt ja nie jemand, was aus mir werden soll, nachdem der Chef mich rausgeworfen hat. Aber meine Seele verkauf ich nicht. Ja, es gibt einen Herrgott. Hildrun ist da anders, die war ja schon drüben dabei. Sie gehörte ja zu euch. Die brauchte man nicht anwerben. Oh, wie ekelhaft das klingt. Deshalb hat es ihr auch Spaß gemacht, zu morden und. . .

Zeuger: Wenn sie rübergegangen wäre, hätte sie heute Macht und Geld.

Lethaea: Sie wollte mehr. Sie wollte ihre Seele verkaufen. Sie ist ja drüben aufgewachsen. Sie hat mir einmal gesagt, wenn sie könnte, würde sie alles machen. Und sie hat ja auch alles gemacht. Jetzt ist sie noch verrückter. Und warum hast du es gemacht?

Zeuger: Sie haben immer gesagt, ich sei kein richtiger Mann. Das hat mich gekränkt.

Lethaea: Das sagen sie jeden, der durch überdurchschnittliche Intelligenz auffällt.

Zeuger: Dann haben sie jemanden für den Geheimdienst gesucht. Meine Mutter wollte, dass ich es ihnen beweise.

Lethaea: Das steht in jeder Kartei.

Zeuger: Du lügst!

Lethaea: Und wer hat dir gesagt, dass du kein richtiger Mann seist.

Zeuger: Schweiger.

(Lethaea lacht.)

Zeuger: Du glaubst ihm?

Lethaea: Ja.

Zeuger: Ich auch. Es war ein hartes Geschäft. Ich habe es nie verstanden.

Lethaea: Der Mord hat dir Spass gemacht?

Zeuger: Nein.

Lethaea: (Sie nimmt Zeuger wie ein Kleinkind in den Arm und streichelt ihn.) Mir kannst du es ja sagen.

Zeuger: Ein bisschen.

Lethaea: Und wie habt ihr es gemacht?

Zeuger: Ich mag nicht.

Lethaea: Ach bittel Danach darfst du es noch einmal versuchen.

Zeuger: Wirklich?

Lethaea: Aber ja, du hast ja bezahlt.

Zeuger: Wie er aussah habt ihr ja gesehen.

Lethaea: Zerstückelt.

Zeuger: Vorher sah er anders aus.

Lethaea: Das denke ich mir Aber weiter...!.

Zeuger: Verbrannt. Schweiger ist ein Fanatiker. Er hatte von der Milch getrunken. Er nahm den Chef, tränkte seinen Kopf samt Augen und Ohren in diesen unheilvollen Trank, suchte dann seine geweiteten Sinne mit allen Mitteln zu dämpfen, damit er seine Leiden nicht rieche, sehe oder höre. Das Papier im Munde des Sterbenden raubte ihm den Atem zum Sprechen.Sein letztes Zeichen war kein Winseln, wie du dir wohl denken kannst; denn aus versiechendem Atem weicht nur - gleich dem Lebensbaum - ein tiefer Ton. Jener, den Erd entfliehenden Wurzeln gleich, die hellen Freuden eines Sterbenden sind. Denn noch war er uns nicht zuvorgekommen. Es war das Gurgeln, was uns Freude machte, Hildrun sah ein Kind darin. Aber nicht genug, sein Atem vermag wohl lange still gehalten und heimlich den letzten Rest vom ird'schen Dasein belauscht zu haben, bis dann ein Feuerstrahl durch aller Glieder Schmerz das Licht im Nu verlöschen wollte. Doch ganz anders ging er vor, bei Nase und bei Ohr. Er liebte es zu Lebzeiten ja gern zu scherzen, zum Beifall unsrer Jubelschreie. Dieser gut gelernte Zuspruch stiegt aber nun, denn mehr, ich weiß nicht woher, aus Ekel und Entsetzen zum Anfang einer großen Tat sich hin; als der Grad des Messers scharfe Kante die Muschel freigelegt, das Knäuel, einem Nasenpopel gleich, den Weg zum Munde fand, dem man ihm nach der Natur nicht zugedacht, also verkehrte, fand der Chef unter unsrer einigen Begeisterung das Ziel, nach welchen alles Lebende verhalten strebt. Dann war es still, stille vor dem Altar des blutgetränktem Rausches, nicht der Zeit zu räsonieren, als mehr der Streckung des Genusses hin - vereint wie eine Räuberbande über ihre fette Beute – den Veitstanz zu vollenden.

Lethaea: Wie du erzählst. So packend.

Zeuger: Sei ruhig, denn das Ende der Brustgeräusche war nicht die längst umnachtete Erde, vielmehr begann erst jetzt das Fest. Hildrun, die die verzückten Augen des Schlächters ruhen sah, schritt zur Tat und schrie: "Dieser Leib zerriss mir einst das höchste Gut meiner Kindheit, und, so auch, wird meine Rache ihn zerbersten.”

Lethaea: Wie poetisch. Ich wusste garnicht, dass Hildrun so poetisch sein kann.

Zeuger: Es trieb der Wahn uns noch zu anderen Blicken; denn mit einem schauervollen Schrei grub sie ihre Nägel in das Opfer, dass vor Schmerzen nicht mehr zucken konnte, weil schon Eingang gefunden ins Tor der Rechtfertigung. So klaffte der Tempel der irg`schen Seele in abertausend Stücke dahinter auf dem kalten Boden, den Rest hast du ja gesehen.

Lethaea: Grandios, und der, der das inszeniert hat, sitzt heute auf dem Thron. Einfach genial. Er hat was.

Zeuger: Stille Wasser sind tief.

Lethaea: Ungeheuerlich.

Zeuger: Darf ich jetzt?

Lethaea: Was? - Ach so. Komm. Aber beeile dich, Schweiger kommt gleich. (Sie entblöst sich bis auf die Unterwäsche und setzt sich an den Tisch. Zeuger kommt dazu. Sie mischt die Karten und legt eine einzelne verdeckt auf den Tisch.)

Zeuger: Kreuz?

(Sie dreht die Karte um.)

Zeuger: Scheiße. Noch einmal, bitte. Du musst mir die Chance geben.

(Sie legt eine andere Karte.)

Zeuger: Kreuz?.

(Sie dreht auch diese Karte um.)

Zeuger: Scheiße.

Lethaea: Pech gehabt mein Kleiner.

Zeuger: Du sollst mich nicht “Kleiner” nennen.

(Es klopft. Zeuger eilt zum Bett und schlüpft unter die Bettdecke. Schweiger tritt ein, geht zum Tisch, zieht eine Flasche Schnaps aus der Tasche, stellt sie auf den Tisch. Zieht Schnapsgläser aus seiner Manteltasche, putzt diese und stellt diese zur Flasche.)

Lethaea (ängstlich.): Was jst passiert?

Schweiger: Ich brauche Zeuger.

Lethaea: Wozu?

Schweiger: Sie haben meine Familie.

(Schenkt sich einen Schnaps ein.)

Lethaea: Oh mein Gott!

Schweiger: Ich muss den Auftrag zu Ende bringen. Ich gebe ihnen die Informationen im Tausch gegen meine Familie. - Soweit musste es kommen. - und diese Kopfschmerzen, ich kann nicht aufhören, daran zu denken. Wenn sie meinen Kindern etwas antun, dann habe ich kein Recht mehr zu leben.

Lethaea: Schweiger, du hast ja Angst!

Schweiger: Verdammte Angst. (Er trinkt.) Gegen einen Menschen, den du vor dir hast, kannst du etwas tun. Aber die Phanatsie ist mächtiger. Ich fühl mich besessen, mehr denn zuvor.

Lethaea: Hast du deshalb den Chef umgebracht?

Schweiger: Ich dachte, damit hat es ein Ende. Die Geschichte mit dem Zauberlehrling hielt ich für eine reine Erfindung von verängstigten Poeten, die man sich erzählt, damit man nicht die Lust bekommt, über die Stränge zu springen. Aber Lethaea, ich habe Blut geleckt. Es hat was Großes, wenn man plötzlich, wie der Stein ins Wasser fällt und merkt, dass da in einem ein mächtiges Leben wächst, je tiefer man absinkt, je näher man dem Grund kommt. Das sie sich an meine Kinder vergreifen, habe ich wirklich nicht gewollt.

Lethaea: Sind wir nicht alle fehlbar?

Schweiger: Aber, dass es so schmerzhaft sein kann.

Lethaea: Was sagt Hildrun?

Schweiger: Die ist alleinstehend. In einer Nachwelt wird niemand mehr an sie denken. Ihr braucht nicht zu bestehen. Ihr seid ja immer da, ich aber bin ein Mann. Ein Mann mit Kindern. Hast du denn Zeuger nicht gesehen?

(Lethaea zeigt auf das Bett. Schweiger geht reißt die Decke weg.)

Zeuger: Aah! Lass mich. Bitte lass mich, ich will nichts mit dir zu tun haben.

Schweiger: Aber Zeugerlein, beruhige dich doch. Ich will dir doch nichts tun. Wir gehören doch zusammen. Warum sollte ich dir etwas tun? (Zu Lethaea.) Was macht er hier?

Lethaea: Er wollte. . .

Zeuger: Bitte, sag es ihm nicht!

Schweiger: Was?

Lethaea: Er wollte. . .

Zeuger: Nein!

Schweiger: Hör mal, Zeuger! Warum versteckst du dich vor mir?

Lethaea: Er sagte, dass du nur Unheil bringst. Er kam heute Nacht, er hatte keine Unterkunft gefunden.

Schweiger (Lacht gekünstelt.) Ich und Unheil? Habe ich dich nicht befreit? Wer hat dir die Leiden genommen?

Zeuger: Für einen Moment. Aber das reicht nicht, um mich in der Hand zu haben.

Schweiger: Hat es dir denn kein Spass gemacht?

Zeuger: Nein.

Lethaea: Doch!

Zeuger: Doch?

Schweiger: Na also. Ohne mich wärest du nie das, was du bist.

Zeuger: Was schon.

Schweiger: Ein Mann.

Zeuger: Du bist gemein.

Schweiger: Nein, mein lieber Zeuger. Seien wir doch ehrlich, die Organisation hat dich ausgenutzt. Unter dem Vorwand dir eine Heldenrolle zu geben, haben sie sich über deine Intelligenz hergemacht.

Zeuger: Ich bin nicht intelligent.

Schweiger: Doch, Zeuger.

Zeuger: Meinst du?

Schweiger: Ja und jetzt ist es an der Zeit, dir die Chance zu geben. - Nenne mir die Namen und ich werde dich reich machen.

Zeuger: Ich will nicht reich sein.

Lethaea: Jeder will reich sein.

Schweiger: Nicht Reichtum, den du dir vielleicht denkst. Ruhm. Sie werden dich feiern.

Zeuger: Das ist vergänglich. Vergänglich und eitel.

Schweiger: Aber nein. Geld ist vergänglich, man bekommt es und gibt es. Aber Ehre währt am längsten. Stimmt es, Lethaea?

Lethaea: Voll und ganz.

Schweiger: Siehst du.

Zeuger: Wenn ich nur wüsste, was ich glauben soll.

Schweiger: Glauben gibt es nicht. Was zählt sind die Fakten. Für eine gute Sache muss man Opfer bringen. Man muss bereit sein, zu kämpfen. Wir werden mit stählerndem Blick in die Zukunft schauen. Wir können uns solche Eitelkeiten nicht erlauben. ei ein Mann, nenn uns die meist verwendeten Laute.

Lethaea: Lass ihn doch erst einmal zur Ruhe kommen.

Schweiger: Die Memme will Schlafen. Bei uns nicht. Gebe uns die Laute, verdammt nochmal.

Zeuger: Ich sage sie ja.

(Die Tür geht auf und Hildrun stürzt mit den beiden anderen Frauen herein.)

Hildrun: Nein! Im Namen der Gerechtigkeit, sage nichts.

Zeuger: Gerechtigkeit?

Schweiger: Was machst du denn hier?

Hildrun: Sage ihm nicht die Laute, das wäre unser Untergang. Und haben wir den verdient?

Die Beiden Frauen: Nein.

Hildrun: Wenn du uns verrätst, bringen wir dich um.

Schweiger: Aber meine Damen, beruhigen Sie sich doch.

Zeuger: Nobody is perfekt.

Lethaea (Zu Hildrun.) Was ist denn passiert?

Hildrun: Norward hat uns gedroht. Wenn wir die Informationen nicht liefern, bringt er uns alle um.

Zeuger: Ich will hier raus.

Schweiger: Du bleibst gefälligst hier.

Lethaea: Aber, das trifft sich ja sehr gut. Wir wollten doch auch gerade ans Werk.

Hildrun: Eben nicht.

Zeuger: lch versteh gar nichts mehr.

Hildrun: Mich bringt der Norward auf alle Fälle um, aber solange er nicht die Informationen hat, lässt er euch alle in Ruhe. So habt ihr Zeit zu verschwinden.

Die Beiden Frauen: Und wir sitzen auf der Straße, wenn das Geschäft abgewickelt ist?

Schweiger: Als wäre das, das Schlimmste. Ich muss an meine Kinder denken.

Die Beiden Frauen: Was weißt du denn, wie kalt es auf der Straße ist.

Schweiger: Lethaea hat es doch auch geschafft.

Die Beiden Frauen: Aber wie!

Lethaea: Das sagt ihr nicht noch einmal . (Geht auf die Beiden los.)

Schweiger: Stillgestanden! (Alle beharren in Habachtstellung.) Gehen wir die Sache einmal in Ruhe durch. Der Chef ist tot. Norward tobt und meine Zukunft und die meiner Kinder ist gefärdet. Ich habe eine Idee. Wir geben ihm einfach falsche Laute, bis sie drüben geprüft wurden, sind wir über alle Berge. Jeder kann sein Geschäft in Ruhe abwickeln.

Zeuger: Genial.

Hildrun: Und wer übernimmt die Verantwortung?

Schweiger: Du!

Hildrun: Danke!

 

5 Szene

Ein karger Raum. Vielleicht ein Gefängnis? Überall Papiere. Zeuger geht unruhig umher.

Zeuger: Walter? Michael? Thomas? Birgitt? (zu sich.) Wie klang denn das? (sich antwortend.) Sie haben etwas Süßes, das verschwindet, wenn man daran denkt. Ich muss tiefer gehen. Karin? (Haut sich gegen die Stirn.) Wo bleiben sie denn? Ich darf kein Lügner werden, die Wahrheit darf niemand erfahren. Susanne? Das sind Erinnerungen, wie sie in wachen Nächten kommen. Eine Kindheit des Heimes. Ein Haus für jünger sein, als jetzt. Peter? Es geht nicht mehr. - Hildrun? Bäh! - Lethaea! Meim Gott. (Greift sich in den Schritt.) Mein Gott!. (Wälzt sich auf dem Boden.) Letha , Letha, Letheaaa jaaaa!

(Die Tür geht auf, Norward in Uniform schaut kurz rein, darauf tritt Lethaea ein.)

Lethaea: Störe ich?

Zeuger: (Steht geschwind auf. Verschüchtert.) Nein, nein. Nein, ich war gerade auf dem Weg zum Supermarkt. Soll ich dir was mitbringen?

Lethaea: Was soll denn das? Ich wollte mit dir reden. Und du phantasierst.

Zeuger: Das scheint neuerdings jeder zu wollen. Man muss wissen, sich interessant zu machen. Man muss sowieo wissen, wer interessant ist.

Lethaea: Ich dachte, ich wäre es.

Zeuger: Du! Ja, sicher. Entschuldige! Das bist du auch. Aber natürlich. Norward hast du ja gesehen. Ich werde immer älter.

Lethaea: Ich auch.

Zeuger: Weißt du woran ich das merke? Ich spüre den Sumpf langsam höher steigen. Wenn man nicht allein ist,fällt es einem gar nicht so auf, dass jemand an dir zieht. Findest du, dass ich hässlich bin?

Lethae : Nein.

Zeuger: Du bist lieb.

Lethaea: Nicht wirklich.

Zeuger: Warum bist du gekommen?

Lethaea: Das du redest.

Zeuger: Gut. - (lacht) Blablabla.(Sie lacht mit.)

Was hast du da drinnen? (Zeigt auf einen Halsanhänger.)

Lethaea: Nichts.(Hängt ihn schnell ab und versteckt ihn in ihrer Manteltasche.)

Zeuger: Ha, das Spiel kenne ich.

Lethaea: Du siehst die Realität nicht.

Zeuger: Lass mich raten.

Lethaea: Du ziehst dich lieber zurück.

Zeuger: Aaah, ich weiß was darin ist.

Lethaea: Es ist nicht besonders wichtig.

Zeuger: Soll ich es dir sagen?

Lethaea: Nein. . .

Zeuger: Aber ich weiß es. Es ist dir unangenehm.

Lethaea: Was weißt du schon.

Zeuger: Du legst es nie ab.

Lethaea: Manchmal.

Zeuger: Im Bad?

Lethaea: Nicht immer.

Zeuger: Hm, da ist schwer. Haben oder gebrauchen das nur Frauen?

Lethaea: Lass es.

Zeuger: Es ist ein Gegenstand, den du - wenn ich mal so sagen darf - den du mindestens einmal am Tag benutzt.

Lethaea: Nein, da kommst du nie drauf.

Zeuger: Morgens?

Lethaea: ; Vielleicht.

Zeuger: Hast du es schon immer.

Lethaea: Seit ich fünzehn bin. Aber heute spricht man nicht mehr darüber.

Zeuger: Na na. Jetzt musst du es mir sagen.

Lethaea: Nein.

Zeuger: Ich muss es jetzt aber wissen.

Lethaea: Es ist ein Kreuz.

Zeuger: Was? Du bist gläubig! - (Lethaea schluchzt.) Entschuldige, das war grob.

Lethaea: Schon gut.

Zeuger: Wenn der Mensch im Herzen getroffen wird, ist er schön, furchtbar schön.

(Eine absurde Szene der Freude, die mit Übertreibung wie Kleinkinder.)

Lethaea: Liebst du mich? Dann liebst du Gott!

Zeuger: (Kreisch.) Komm zu mir, ich möchte deine Haut spüren, einen Kosmos sprengen.

Lethaea: Da habe ich lange darauf gewartet.

(Sie umarmen sich pathetisch.)

Lethaea: Oh ja. Lass uns von hier fortgehen. Eine Gemeinschaft gründen.

Zeuger: Gerne, aber wie.

Lethaea: Gebe ihnen einfach die Laute. Ich werde meine Spielsachen mitnehmen.

Zeuger: Es geht nicht.

Lethaea: Warum? .

Zeuger: Wo sollen wir hin? .

Lethaea: Ins Ausland. Meine Eltern haben dort noch ein Haus.

Zeuger: Ins Ausland? Ins Fremdland? Hm. - Und die Möbel?

Lethaea: Die nehmen wir einfach mit.

Zeuger: Das können wir nie bezahlen.

Lethaea: Ich bekomme doch noch den Lohn für die letzten drei Monate.

Zeuger: Meinst du?

Lethaea: Klar, ich bereite alles vor. Ich hole dich dann gegen Abend ab. Pass auf dich auf, mein Lieber. Ich freue mich auf ein Zuhause. Auf ein Paradies.

Zeuger: Ich auch.

(Freude! Lethaea ab. Zeuger dreht sich im Kreise Namen leise memorierend. Norward kommt und schleicht sich hinter den Rücken von Zeuger. Dieser ist so in die Namen vertieft, das er nicht merkt, wie Norward immer versucht zu lauschen. Dann aber.)

Zeuger: Wer da?

Norward: Niemand.

Zeuger: Dann ist ja gut.

Norward: Und wenn er kommt?

Zeuger: Wer?

Norward: Ich.

Zeuger: Wer ist Ich?

Norward (springt auf.): Ich!

Zeuger: (erschrickt.) Du?

Norward: Sage ich doch. Ich!

Norward: Das nehme ich dir Übel, mich einfach so zu erschrecken.

Norward: Führst du Selbstgespräche?

Zeuger: Ich?

Norwar: Ja, Du!

Zeuger: Noch nicht.

Norward: Wann den?

Zeuger: Ein Himmelreich für ein Walkman.

Norward: Apropos Walkman, bist du eigentlich verheiratet?

Zeuger: Noch nicht.

Norward: Dann solltest du dich beeilen.

Zeuger: Wieso?

Norward: Mir sind gewisse Nachrichten zugekommen. Von drüben. Die besagen, dass die Informationen über die Laute falsch waren.

Zeuger: Das können die doch garnicht beurteilen. - Es denn, jemand hat uns verraten.

Norward: Ja! Ich!

Zeuger: Du!

Norward: Hier! Holzauge sei wachsam. Ich bin nähmlich nicht so eine dumme Nuss, wie ihr immer denkt.

Zeuger: Wer denkt das?

Norward: Du - zum Beispiel. (Geht drohend auf Zeuger zu.)

Zeuger: Ach, Gottchen, siehst du nicht, wie ich Angst vor dir habe?

Norward: Danke, du machst mir Mut; kommen wir also zum Geschäft.

Zeuger: Geschäft?

Norward: Willst du denn nicht?

Zeuger: Schon, aber...

Norward: Was aber. Hier ist die Pistole.

Zeuger: Die was?

Norward: Die Pistole. Na gut, sie ist nicht mehr die neuste, aber was will man schon in solchen Zeiten erwarten?

Zeuger: Außer Puderzucker, den man zufällig geschenkt bekommt, nichts. Und auch das nicht einmal umsonst. Es ist eine einzige Hetze.

Norward: : Na also. Hier. (Gibt ihm die Pistole.) Ich warte draussen.

Zeuger: Was soll ich damit?

Norward: Du machst mich wahnsinnig. Sind denn genug Menschen gestorben. Ich kann die Welt nicht verantworten. Hier sind die Patronen. Wie man sie hinein tut, hast du ja gelernt.(ab.)

Zeuger: Habe ich, du blöder Hund. Es ist ja nicht das erste Mal, dass eine steckenbleibt.(Er ladet die Pistole.) Wenn es nach mir ginge, gäbe es keinen Streit mehr. Aber wer fragt schon - so einen wie mich. (Schweiger stürzt herein.)

Schweiger: Gut, dass du noch da bist. Norward hat mir fünf Minuten gegeben. Bist du damit einverstanden?

Zeuger: Ähm, ja.

Schweiger: Also gut. Irretiere mich jetzt nicht und hör mir genau zu.

Zeuger: Tu ich doch!

Schweiger: Lege dies verdammte Ding weg.

Zeuger: Entschuldige, ich höre.

Schweiger: Also hör zu. Sie haben deinen Trick durchschaut.

Zeuger: Meinen?

Schweiger: Bitte jetzt keine Details, die machen mir Kopfschmerzen. Das Wesen an sich ist nicht die Einzelheit.

Zeuger: Was?

Schweiger: Hörst du nun oder nicht?

Zeuger: Ich versuche es.

Schweiger: Ich habe keine Zeit. Du redest, dann sind wir alle erlöst. Hier habe ich die Entlassungsurkunde. Jeder ist ein freier Mensch, steht hier drin. Aber erst wenn wir keine Verantwortung mehr haben. Unser Auftrag lautet, geben sie schnellsten die Informationen weiter. Verstehst du?

Zeuger: Nein.

Schweiger: Hörst du denn nicht, man vergibt uns unsere Vergangenheit. Das heißt Freiheit für alle. Auch für dich.

Zeuger: Ich kann das nicht.

Schweiger: Rede einfach, rede: es ist ganz einfach.

Zeuger: Nein.

Schweiger(schreit.): Doch!

Zeuger: Entschuldige.

Schweiger: Schon gut. Rede einfach.

Zeuger: Ja! - Liebst du Lethaea?

Schweiger: Ich bin verheiratet.

Zeuger: Das weiß man vorher nie.

Schweiger: Ich weiß sehr viel.

Zeuger: Das bildest du dir nur ein, mein Lieber. Ich habe dich durchschaut, du bist ein kleiner Schwerenöter. Du hast mir immer etwas vorgemacht, dass habe ich gesehen, wie nett du zu der Frau Senser warst. In Wirklichkeit hast du sie immer verachtet, weil sie immer dich wegen dem Treppenhaus angesprochen hat. Und jetzt hast du ein schlechtes Gewissen, weil ich nämlich immer die Treppen geputzt habe. - Heimlich, nachts.

Schweiger: Mit dir kann man doch kein ernstes Wort reden. (ab.)

Zeuger: Ich schon.Hihihi.

(Hildrun erscheint.)

Zeuger: Das geht hier vor, wie auf dem Bahnhof.

Hildrun: Tue es nicht. Ich bitte dich, tue es nicht.

Zeuger: Was denn nun endlich?

Hildrun: Ihnen die Namen geben.

Zeuger: Wem?

Hildrun: Denen, die gegen uns arbeiten, denn wie mit allem hat sich was, nein, Alles verselbstständigt. Liegt denn niemanden etwas an einem ruhigen stillen Dasein, so wie wir es verdient hätten?

Zeuger: Hä?

Hildrun: Ich bitte dich, wie nur eine Frau bitten kann. Eine Frau kennt den Wechsel der Monde, ja, ein Streben ist mir nicht fremd, aber bedenke, mein Lieber, bedenke doch, was ich für dich sein könnte!

Zeuger: Liebst du mich denn auch?

Hildrun: Ach! Lieben ist des Schiffers leichtes Spiel, doch Schweigen? Ein Wunder!

Zeuger: Hä?

Hildrun: Verstehen Sie doch. Es hat ein Ende.

Zeuger: Na hoffentlich!

Hildrun: Verstehen Sie doch, wenn der Feind unsre Beute greift, dann nimmt das ein böses Ende.

Zeuger: Quatsch!

Hildrun: Glauben sie wirklich, der Feind hielte sich Feinde in seinem Pelz?

Zeuger: Wie spät ist es?

Hildrun: Drei Uhr.

Zeuger: Nachts?

Hildrun: Hör zu.

Zeuger: Jetzt fängt auch das wieder an. Ich höre.

Hildrun: Da kommen in Kürze zwei Damen. Mit einer Flasche, Speisen, und: Milch. Sie kommen in Schweigers Auftrag. Sie werden sehr freundlich sein. Sie wollen die Namen. Es wird dein Untergang sein. Du darfst dein Trumpf nicht ausspielen. Ich gebe dir meine Hand darauf, dass ich ehrlich bin, du sprichst dein Urteil aus deinem Mund. Also, wenn die wollen, dass du die Milch trinkst, dann sage ich dir, trinke sie nicht. Denke daran, was dem Chef passiert ist. Vielleicht hat er zu viel geredet. Noch einen Verlust können wir uns nicht leisten.

Zeuger: Nein, das können wir nicht.

Hildrun: Dann gehe ich. Es ist alles gesagt.

Zeuger: Nein, was soll ich meiner Liebsten sagen?

Hildrun: Welche ist es?

Zeuger: Lethaea!

Hildrun: Hm! Das ist relativ einfach. Mal davon abgesehen, was sie will. Sie spielt vermutlich mit blanken Karten. Stell dir vor, ich bin deine Liebste.

Zeuger: Das jst schwer zu meistern.

Hildrun: Wieso?

Zeuger: Weil du nicht Lethaea bist. Ganz einfach, deshalb.

Hildrun: Das ist jetzt nicht mehr wichtig. Also stelle dir vor, ich bin Lethaea: "Mein Lieber. Mein allerliebster Lieber".

Zeuger: Nein, Nein und nochmals Nein. Du musst das so machen: "Zeuger, mein großer starker Held, erlaube mir, dich zu bitten, höre mir einen Augenblick zu." So! Dann ich: "Ja, mein Göttliche." Sie: "Du weißt, es gibt jemanden, der dich sehr liebt hat.“ Ich, ziemlich zornig (zornig): "Wer? Sage es mir! Auf der Stelle!" Darauf sie: "Vielleicht ich, mein lieber Zeuger" - Oh, das wäre schön. - Unvorstellbar – (Zu Hildrun.) Siehst du, es geht nicht.

Hildrun: Versuche es doch einmal andersherum. Ich bin Zeuger und du bist Lethaea.

Zeuger: Wenn du meinst! (Macht sich die Haare zurecht.)

Hildrun: Lethaea, meine Göttliche, darf ich dich stören?

Zeuger: Schon besser, also: "Du störst doch nie. Ich freue mich dich zu sehen, ich habe gerade mit Hildrun, die Hinterhältige, über dich gesprochen, du bist ja ein Ganz Toller."

Hildrun: Genug! Genug!

Zeuger: Dann nicht....(wendet sich ab.)

Hildrun: Okay, okay. (Holt tief Luft.) Du: „Was darf ich dir antun?“

Zeuger: Ich mir? Ach so. Also ich, Lethaea: „Liebster, du wolltest es dir doch überlegen.“

Hildrun: Was denn?

Zeuger: Sehr gut, du spielst den Unwissenden. "Ob du mit mir fliehen willst?"

Hildrun: Ihr wollt fliehen?

Zeuger: Das gehört doch nicht zum Spiel. Weiter!

Hildrun: Okay, „Wenn wir fliehen, dann muss ich die Namen nicht verraten.“

Zeuger: Gute Idee. Wir fliehen ohne Geheimnisse zu verraten.

Hildrun: Weiter, weiter, weiter. Du: „Aber, wie denn, Norward steht doch vor unserer Tür.

Zeuger: „Höre Zeuger!“ - Lustiges Selbstgespräch. - „Dem gibst du einfach die falschen Namen, dann ist er abgelenkt.“

Hildrun: Zeuger, Liebster, wenn er den Betrug bemerkt? Du musst die Wahrheit sagen.

Zeuger: Wie? Nicht ich, du!

Hildrun: Du musst die Wahrheit sagen. Am besten mir. Mir, der Hildrun.

Zeuger: Jetzt in echt?

Hildrun: In echt.

Zeuger: Nein!

Hildrun: Niemanden?

Zeuger: Und Norward ?

Hildrun: Du: „Aber Lethaea, den nehmen wir mit. „

Zeuger: Den nehme wir...mit? Ich komme ganz durcheinander.

Hildrun: Der bleibt wo er ist.

Zeuger: In echt?

Hildrun: In echt!

Zeuger: „Dann, mein lieber Zeuger, musst du ihm wohl die Namen sagen.“

Hildrun: Nein Zeuger, in echt: Tu es nicht, er wird uns niemals gehen lassen. Er hat den Auftrag uns alle umzulegen. Gebe ihm nicht die Namen. Wir müssen Zeit gewinnen. Halte ihn solange hin. Ich spreche mit Lethaea, sie wird einverstanden sein. Ich verstecke mich unten auf der Straße. Wenn es mit den beiden Damen brenzlig wird, gehe an das Fenster

und ziehe die Jalousie hoch. Dann weiß ich Bescheid. Ich werde dir dann helfen. Halte sie hin und trinke auf keinen Fall die Milch. (ab.)

Zeuger: Aber. . . . Da soll sich jemand noch auskennen.

Norward (Durch eine kleine Türöffnung): Hast du Hunger?

(Die beiden Sekretärinnen Erika und Frau Berger kommen mit einem Tablett mit Speisen)

Zeuger: Ihr?

Beide: Da staunst du was!

Zeuger: Ziemlich. Es hieß, ihr hättet euch gegen uns verschworen.

Erika: Das haben wir auch.

Frau Berger: Angriff ist der beste Weg in die Verteidigung.

Erika: Sie meint wohl, wenn wir schon Schläge einstecken müssen, so wollen wir auch die Schmerzen teilen.

Frau Berger: Und sie meint, Läuse sind klamm und heimlich. Der wahre Feind steckt in uns selbst. Wir gehen durch die Instanzen.

Erika: Jetzt möchte er bestimmt wissen, warum wir unser Geheimnis so mir nichts dir nichts verraten. Weil du nicht mehr unser Feind bist.

Zeuger: Gegen wen?

Erika: Gegen uns.

Frau Berger: Das wird er nie verstehen. Hier sind Früchte und Brot. Wein verträgst du ja nicht, deshalb haben wir Milch mitgebracht die verträgt dein Magen besser.

Erika: Probiere sie, dann wirst du sehen, dass wir dir reine Milch einschenken.

Frau Berger: Was daran riecht, ist nicht faul.

(Zeuger isst begierig, während die anderen ihn dabei streicheln.)

Erika: Was für schöne Finger er hat. (Zeuger betrachtet seine Finger.)

Frau Berger: Passen ganz zu den kräftigen Oberarmen. So stark und männlich.

(Zeuger betrachtet seine Oberarme.)

Erika: Aber am schönsten finde ich den Mund, und wie er die Lippen spannt.

(Dem Zeuger ist das peinlich. Er nimmt das Tablett, um sich darin zu spiegeln. Er schüttelt den Kopf. Erika gibt ihm einen Taschenspiegel. Er schaut hinein und ist verärgert.)

Zeuger: Das bin ja ich. Was wollt ihr eigentlich?

Erika: Das du Milch trinkst und gross und stark wirst.

Frau Berger: Nein, dass du dich wie zu Hause fühlst.

Zeuger: Dann möchte ich lieber ein Bier.

Beide: Bier?

Zeuger: Ja, Bier. Wenn ihr versteht, ganz normales Bier.

Beide: Aber das geht nicht.

Zeuger: Das ist mir doch egal.

Beide: Wo in aller Welt sollen wir Bier herbekommen?

Erika: Langsam reicht es uns, immer musst du aus der Reihe tanzen.

Frau Berger: Ja, warum hat man dich eigentlich beim Geheimdienst angenommen.

Erika: Bier, er will Bier!

Zeuger: Ja, und zwar aus der Wirtschaft von drüben.

Frau Berger: Wo drüben?

Zeuger: Na, drüben von der anderen Seite.

(Frau Berger geht zum Fenster und schaut hinaus.)

Frau Berger: Die hat geschlossen.

Erika: Verdammt nochmal! - Oh, entschuldige. - Du sollst dich wie Zuhause fühlen, und nichts weiter.

Zeuger: Gut. Das ist schon besser..

Erika: Darf ich dich was fragen?

Zeuger: Nein.

Frau Berger: Und ich?

Zeuger: Vielleicht..

Frau Berger: Magst du noch einen Schluck? Kompost ist auch noch da.

Zeuger: Danke. (Isst genüsslich weiter.) Ihr müsst wissen. Ich bin ein Schwindler. Das ist eigentlich das einzige, was mir immer Spass gemacht hat. Damals habe ich auch nur so getan, ich kannte die Testbögen auswendig, meine Mutter hatte im Ministerium gearbeitet.

Beide: Was?

Zeuger: Ja, waum auch nicht. Wir machen es ja irgentwie alle. Der eine so, die andere so. Die Milch ist doch auch nicht echt, oder könnt ihr wirklich Stenografie?

Beide: Nein, aber Kaffeekochen.

Zeuger: Das sagt ihr so einfach. In Griechenland wird er mit dem Wasser gekocht, in Italien wird er wie die Dampflokomotiv fährt, durch sein Sieb gepresst. Ich hätte nie mit den Theater anfangen sollen. Aber dann waren die Kollegen so nett. Wer versteht das schon. Draussen sitzen ist einfach, sehr einfach. Mein Talent hat mich mitten ins Leben geworfen, aber ich habe Hoffnung - gebt mir noch einen Schluck - Hoffnung ist, wenn man weiß, dass der Schmerz zum Abklingen genauso lange braucht, wie er zum Anschwellen braucht. Ich bin nicht schön, dass weiß ich, aber das ich wirklich hässlich bin? Wer weiß das schon? Es lässt sich nichts rückgängig machen. Nichts. Es gab irgentwann mal eine Generation, die hatte nur Vornamen. Man kannte sich einfach, da gab es keine Geheimnisse. Keine Lüge. Das Problem ist, dass alles so vereinfacht wird. Aber ich liebe, dass kostet nichts.Wenn ich die Menschen heimlich liebkose, da fragt niemand. Stellt euch vor, alles wäre kein Lug und Trug, was müssten wir da machen. Das sind große Momente.

Beide: Wie meinst du das?

Zeuger: Fragt euch doch selber. Oder wisst ihr nicht wie man das macht? Norward weiß, wie Geheimnisse funktionieren, er hat vieles verstanden .Ich zum Beispiel, ich weiß es noch ganz genau, wie das angefangen hat. Die Nachbarin kam den Treppenflur hoch. Sie röchelte. Meine Mutter sagte, es wird bald ein Ende haben. Da habe ich erst gewusst, dass auch ich überleben muss. Wie der helle Treppenflur hallt es in mir nach, am lautesten wenn ich euch in die Augen schaue. Aber, da ist nichts drin und wird auch nimmer drin sein. (Er nimmt die Pistole.) Ja war drin, ja, ich war drin.

(Er schießt. Im gleichen Moment stürzen die anderen herein., Schweiger, Norward, Lethaea. und das Kind.)

Alle (außer Erika und Frau Berger): Ihr habt ihn getötet!


 

black out.