BROKALHAUS

Das intermediale Kunst-Projekt

 

ICH und du!

Wahnsinn einer Jugend

von hwmueller

 

Dominik (18, Schauspielschülerin)

Hartwig (23, Regieanwärter)

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In einem Zimmer mit Sofa hinten auf der Wand. Links der Tisch auf dem eine Schreibmaschine steht. Rechts das Bett mit einem seidenen Vorhang. An den weißen Wänden hängen, mehr zufällig, zwei Bilder.

Dominik sitzt im Raum, der ziemlich groß ist, und sortiert Fotografien. Sie scheint, als gehe sie nach einem System vor, doch verwirft sie immer wieder ihren Plan und beginnt von neuem. Während sie diese Passion legt, summt sie und es lassen sich Wortfetzen aus dem Lied der Ophelia hören. Dann klingelt es. Sie bemerkt es nicht. Nach dem dritten Male steht sie auf und sagt im Aufstehen:

 

Dominik: Es klingelt.

(Sie öffnet die Tüte , die auf dem Sofa liegt, holt einige Fotos raus, geht zur Tür. Sie öffnet und setzt sich zu den Fotos, ohne etwas zu sagen. Hartwig, der draußen steht wartet und tritt dann ein. )

Hartwig: Ich störe?

(Er setzt sich an den Tisch und schaut Dominik, die ihn nicht beachtet. Es vergeht wiederum einige Zeit. Die Rückkehr Dominik's liegt in der Luft, es hat etwas von einer Entscheidung, die anliegt. Eine Entscheidung, wer wen besucht. )

Dominik: Hast du die Tür zugemacht?

Hartwig (erschrocken): Ich hab Hunger. Ich mein ja. Grad war ich hier in der Nähe. Und dachte ich - nun ja, du kennst mich ja. Es stört ja nicht, wenn ich mal so reinschaue. Was machst denn da?

Dominik: Was ist mit deinem Zimmer?

Hartwig: Ach so. Nee. Ich bin nur kurz da. Das geht schon in Ordnung. Kannst ja sagen, wenn ich gehen soll.

(Dominik ordnet ihre Fotos nicht mehr so, als stecke eine Absicht dahinter. Man merkt, wie sie unruhig wird. Ihr Dasein wird zu einer Geste, die sich verselbstständigt hat. Das Andere der Geste, der Inhalt quasi, lauert. )

Dominik: Wie war's?

Hartwig: Wie immer. (Er weicht langsam aus, weil er weiß, was jetzt kommt) Sieht ganz schön schwer aus. Das was du da machst.

Dominik: Und?

(Hartwig tut so, als hätte er nichts gehört)

Hartwig: Draußen wird es Herbst. Obwohl es Sommer ist. Aber hier hast du es ja warm.

Dominik: Ich hab dich was gefragt.

Hartwig: Ich kann mich nicht beklagen. Ich hab mich darauf eingelassen und ich muss da durch. So schlimm ist es ja nicht. Ich werde die Rolle spielen. (Er. wird immer sicherer) Und wie ich sie spielen werde.

Dominik: Meinst du?

(Dominik hat aufgehört die Fotos zu sortieren. Sie wendet sich nun voll dem Gespräch zu. Der Kampf hat begonnen. )

Hartwig (wieder unsicher werdend): Auch wenn ich immer noch dagegen bin, dass die kleine Schwarze mit der weißen Puppe spielt. Das ist son blöder Regie-Einfall. Na ja, ich wollte ja auch immer etwas Anderes machen.

Dominik: Aber, du hast dich darauf eingelassen.

Hartwig (ängstlich): Ja, vorläufig.

Dominik (lacht): Ha, vorläufig. Wollen wir nicht vorläufig heiraten, wenn ich mal vage anfragen darf?

Hartwig: Was soll denn das?

Dominik: Kannst ja gehen.

Hartwig (entschuldigend): So war das nicht gemeint. - Es ist nur so. . .

Dominik: Hm?

Hartwig: Es muss ein Fest sein. - Ja, ein Fest. Oder ein Seiltanz. Von mir aus auch ein Seiltanz. Etwas heiliges. (Er merkt das Dominik ihm zuhört. Darauf mit Begeisterung) - Dann, wenn die Jahre der seelischen Entbehrungen vorbei ist. - Ja, dann bricht da etwas auf. Und das Skelett, das all die Jahre über den Dächern blinder Hoffnung schwebte, dann beginnt es zu bluten. Und die Größe, die unermessliche Größe. (wird trauriger)

Und was noch eben das Extrakt eines Orgasmus war, ist gleich darauf zu Staube verfallen.

Dominik (beginnt sich für seine Ausschweifungen zu interessieren): Du beschreibst dein Leben. Ich will dir etwas zeigen. Ich habe Fotos gemacht. Da ist auch etwas. Schau!

Hartwig (schaut nicht hin. Er muss erst einmal etwas loswerden ): Du, hoch oben: einsam. Und unter dir der Abgrund (Dominik hält ihm ein Bild hin und wartet) und die lüsternen Augen der Seelenlosen. Sie wollen Blut sehen. Sie sind die wahren Vampire. Wenn du fällst, hast du gewonnen. Ihre Liebe gewonnen. Es ist wie im Leben. Sie lieben die Opfer - weil sie sie zu Tätern machen. Klar - jeder will Täter sein. (Jetzt merkt er erst, dass er die ganze Zeit auf das Bild geschaut hat) Warum zeigst du mir das Bild?

(Es war wirklich dumm von Dominik ihm das Bild solange anzubieten. Sie hat sich ja quasi zum Handlanger gemacht. Sie aber merkt es nicht bewusst.)

Dominik: Das hat vielleicht damit zu tun.

Hartwig: Ja? Hm! - Ich habe deine Mutter gesehen.

Dominik (skeptisch): Ach!

Hartwig: Tja. Ach. Da staunst du was?

Dominik: Was hat sie denn gesagt? Wie sollte sie dich. . . ?

Hartwig (überlegen): Ich weiß ja nicht mal, ob sie es überhaupt war. Ich kenne sie gar nicht. (Er lacht. Über ihre Unsicherheit?)

Dominik: Warum lachst du?

Hartwig: Eben im Treppenhaus. (überheblich) Gib mal!

Dominik (Hält die Fotos auf halbem Wege, aber freundlich, allzu freundlich): Warum du lachst, hab ich dich gefragt?

Hartwig: Ach so. (Reist ihr die Fotos aus der Hand und schaut sie an) Der Vater von Karl hatte auch blonde Haare. Darf ich mich darauf setzen, (Hartwig setzt sich auf die Couch)

Dominik: Wieso auch? Pass auf das du die Fotos nicht zerdrückst. Da sind keine von meiner Mutter dabei.

Hartwig: Wir sollten heiraten, findest du nicht auch?

Dominik: Wieso auch?

Hartwig: Ich dachte nur. Es könnte von Vorteil sein.

Dominik (gereizt versucht sie sich zu konzentrieren): Warum hat dieser Vater auch blonde Haare?

Hartwig: Auch? - Ach so. Hat deine Mutter denn keine.

Dominik: Die sind gefärbt. (Sie packt die Fotos zusammen)

Hartwig: Was machst du immer mit dem ganzen Zeug. - Das ist wie mit dem Spiegel, pathologische Schizophrenie.

Dominik: Ich hab etwas vor. - Außerdem ist meine Mutter gar nicht zu Hause.

Hartwig: Wetten doch! Ruf doch an!

(Dominik wählt)

Hartwig: Das Manko der Jugend. Sie will alles immer gleich. Das Größte, das Beste, das Meiste. Karl war auch sehr anhänglich.

Dominik : Ja. Ich bin es. Ja. Schon lange. Ja. Ich komme gleich runter. Bis gleich.

(Dominik legt auf und will hinausgehen. Hartwig steht auf und hält sie fest. Dominik will sich losreißen)

Dominik: Lass mich los. Ich muss eben runter gehen.

Hartwig: Hörst du mir eigentlich zu?

Dominik: Na und, was gibt es?

(Sie schauen sich einen Moment an. - So wie es in den Filmen immer machen, wenn es ganz dramatisch werden soll)

Hartwig: Willst du deinem Sammeltrieb nicht weiter verfolgen?

Dominik (Der Anruf hat ihr Mut gemacht): Witzbold. Lass mich jetzt.

Hartwig: Nein!

Dominik: Wollen wir jetzt Stunden so Hand in Hand stehen. Sag mir was du willst und ich werde es mir aufschreiben. Vielleicht bekomme ich den Nobelpreis für Literatur dafür. (Immer noch die dramatische Haltung. Eine unendliche Spannung obliegt ihren Blicken)

Und?

Hartwig: Nichts. Das heißt, ich wollte dir von Karl erzählen.

Dominik: Später.

Hartwig: Nein jetzt.

Dominik: Ich geh eben runter, dann komm ich zurück. Dann habe ich genug Zeit....

Hartwig: Nein, jetzt!

Dominik: Okay mach aber schnell.

Hartwig: Also! (Er lässt sie los) - Hm. Ich wollte dir von Karl und seinem Vater erzählen. (Man merkt das Hartwig die Begeisterung fehlt, um die Geschichte mit der nötigen Spannung zu erzählen)

Dominik: Und?

Hartwig: Er war Clown.

Dominik: Wie süß. Und dafür hältst du mich fest.

Hartwig: Das ist ja noch nicht alles. (Er kommt langsam in Fahrt) Er war eigentlich ein stummer Fisch. Hat tagsüber in einer Versicherung gearbeitet. - Abends Vorstellung. - Aber da, haha, ich sage dir, da hat er aber losgelegt. - Einfach irre.

Dominik: Warum erzählst du mir das?

Hartwig: Weil... (Es fällt ihm sichtlich schwer, Dominik aufzuhalten)

Dominik: Was weil? (fragt sie ihn, weil er abwesend abwartet)

Hartwig (mit neuer versuchter Begeisterung): Weil er eben ein Clown war und niemand hat ihn so recht ernst genommen. - Und eines Abends. Er stand auf der Bühne. Rechts und Links Girlanden. Posaunen und Trompeten.

Während seiner Bolero-Nummer. Ein total verrückter Strip, den er da abgelegt hat. Da fing es in der Garderobe an zu brennen. Und er, voll mit Schminke und nacktem Oberkörper. Das Publikum hat gejodelt, vor Freude. Er schreit natürlich unentwegt: Feuer. Und läuft wie eine gefangene Ratte auf der Bühne hin und Hartwig. Jeder dachte es ist ein Witz. Und gelacht haben sie. Es stand in der Zeitung, fünfzig Tote.

Dominik: So und du hast es gesehen. Lass mich gehen.

Hartwig: Also gut, dreißig.

Dominik: Ich komm gleich wieder.

Hartwig: Zwanzig Tote.

Dominik: Ich komme gleich wieder. Ich bring einen Wein mit und dann machen wir es uns gemütlich.

Hartwig: Zehn?

(Dominik geht raus. Hartwig legt sich auf die Couch und schaut sich die Fotos an)

Gruß an deine Mutter. Es war nicht so gemeint. Falls sie fragen sollte.

 

(Er steht dann nach einiger Zeit auf, geht zum Schreibtisch, notiert etwas auf einem Foto und steckt es willkürlich zwischen einigen Büchern, die unter dem Tisch stehen. Er schaut sich die Bücher an. Er popelt in der Nase. Er ist allein. )

Hartwig: Was die alles liest. Ah. Medea (Er nimmt es raus, steckt es wieder rein und nimmt ein anderes) Französisch. Sie spricht Französisch?

(Er setzt sich wieder auf die Couch. Horcht, steht auf, zieht ein Buch, und steckt es an anderer Stelle wieder rein. Horcht. Dann schaut er das Telefon an, wählt eine Taste. Es hat sich jemand gemeldet, so er sofort wieder auflegt. Er zieht eine Lade vom Schreibtisch und schaut hinein. Er zieht einen Zettel, auf dem er laut liest)

Das Leben will in jedem Augenblick, wo es Leben ist, überwunden werden.

(Er schüttelt den Kopf, legt den Zettel zurück, nimmt einen anderen und liest wieder laut) Denn jeder Augenblick ist ein unendlicher Moment, das Jetzt! Giacomo. Giacomo? Wer ist Giacomo? (Er setzt sich wieder auf die Couch, liest im französischem Wörterbuch)

Für die ist Realität und Wirklichkeit dasselbe. Wirklichkeit heißt réalité. Und réalité heißt Realität, Wirklichkeit oder Tatsache. Die Franzosen. Das ich spinne, ist eine Tatsache. Ich tu es ja, sozusagen. Aber, es wir kt ja nicht. Es ist somit nicht wirklich, denn die Realität sagt mir, dass ich wirke. Ich verwirke, zerwirke mein Hirn. HaHa. Die Realität ist rausgegangen. - Im Grunde bin ich nur ein Opfer unzureichender Metaphern. - Ich werde Musik machen. - Hm, das ist gut. (Er geht zur Schreibmaschine. die auf dem Tisch steht) Ein potenziertes Gleichnis. Irgendein X einer Quadratischen Gleichung nähert die Kurve an Null nur an. Wir können nicht aufhören zu denken. Der Badeschaum ist eine Fiktion. Es steht für Sauberkeit. Bei X gleich 1 ist noch alle Hoffnung da, dass es endlich aufhört. Aber unter 1, da wird es fatal. X gleich 0. 1 ist fast null. Das hat was von Weltschmerz. Und X gleich 0 ist 1. - Das schlimmes ist, ich kann nicht einmal sagen, dass ich mich im Kreise drehe.

(Dominik kommt mit einer Flasche und neuem Kleid rein)

Dominik: Schreibst du?

Hartwig: Nein, ich melke Kühe in der Nacht.

Dominik: Dann mach die Augen auf. - Na, schau Hartwig!

Hartwig (ohne zu schauen): Oh ja, in der Nacht sind alle Katzen bekanntlich grru.

Dominik: Es gefällt dir also nicht.

Hartwig (in die Maschine schreibend): Und er warf ihr die Matrix übers blutende Gesicht. Durch die Nacht, endlich, ertönte ein rasselnder Wonneschrei.

Dominik: Also nicht.

Hartwig: Doch.

Dominik: Das heißt ja.

Hartwig: Vielleicht!

Dominik: Du bist so vage, wie ein Tennisschläger. Man traut sich gar nicht, dich anzuschauen.

Hartwig: Das ist gut. Es gefällt mir. (Er schreibt)

Dominik (Zum Schrank gehend): Ich muss dir etwas vorlesen.

Hartwig: Vage schlug er sich durchs Leben. - Das ist gut. Du bist ein Engel.

Ich bringe dir mal nen Packen Papier mit. (Er schreibt weiter)

Dominik (Ein Buch nehmend): Da ist es. Interessiert es dich?

Hartwig: Was sagt sie?

Dominik: Ich?

Hartwig: Deine Mutter!

Dominik: Ich finde die Stelle nicht.

Hartwig: Ich kreuz sie mir immer an.

Dominik: Wo ist es denn?

Hartwig: Du magst sie?

Dominik: Ja!

Hartwig: Das ist ungewöhnlich. Ausgesprochen ungewöhnlich.

Dominik: Wieso?

Hartwig: Nur so.

Dominik: Ich liebe sie. Sie ist eigentlich nicht meine Mutter.

(Dominik ist sehr zutraulich, fast kompromissbereit. Hartwig Wundert das)

Hartwig: Ach!

Dominik: Sie ist meine beste Freundin. - Ich finde die Stelle nicht.

Hartwig: Was macht sie?

Dominik: Ich hab's. Hör!

Hartwig: Was sie macht?

Dominik: Sie ist Geschäftsfrau.

Hartwig: Ach! Dann verachtet sie. . .

Dominik: Sie ist toleranter, als du glaubst.

Hartwig: Sie versteht nichts von der Kunst.

Dominik (schnippisch): Sagt du.

Hartwig: Ja, du hast Recht.

Dominik: Wieso?

Hartwig: Lese doch!

Dominik (liest, merkt aber nicht, dass es nicht so recht hierer passt): Das wichtigste am Schamanen ist, dass er auf Grund eines uns noch nicht verständlichen und durchsichtigen Heilungsprozesses in der Lage ist, psychische Krankheiten zu überwinden. Gerade die Fähigkeit. . .

Hartwig (nicht sonderlich aufmerksam): Sind ja knallharte Typen. Das reizt mich. Das schafft Klarheiten.

Dominik: Eben. (Sie merkt noch nicht das Missverständnis, also liest sie weiter) Gerade die Fähigkeit, sich selbst zu heilen und aus einem, sagen wir "negativen" psychischen Zustand zu einem positiven und produktiven zu gelangen, macht den Unterschied aus zwischen ihm und den "Geisteskranken" unserer Zeit.

Hartwig (hat die ganze Zeit über etwas nachgedacht, und es schien, als habe er dem Text zugehört): Ja, das hat eine Klarheit. Man weiß immer, woran man ist. Alles läuft ohne Schnörkel ab. -

Dominik: Und hier weiter. Das ist gar nicht so dumm. (liest) Dabei gibt es eine große Anzahl von Berichten, in denen das künstlerische Wirken, vor allem die dramatische Begabung, die theatralischen Effekte benutzen werden, um den Werdungsprozeß, die Individuation hervorzubringen.

Hartwig: Ja, sicher (immer noch theatralisch - mit seinen Gedanken beschäftigt) gibt es auch Heucheleien. Aber die haben eine andere Qualität. Es zwingt zum konkreten Handeln. Keine Spinnereien. Jeder weiß für sich, worum es geht. Geld verstehst du?

Dominik: Nein!

Hartwig: Das ist doch ganz einfach. Da rein und da raus. Du weißt immer ganz genau, was du gewonnen oder verloren hast. Aber dich selbst verlierst du nie. Geld hält dich vom Wahnsinn ab.

Dominik (Das Buch zurückbringend): Vielleicht hast du gerade etwas versäumt. Jetzt ist es vorbei.

Hartwig: Ja, sicher. Beim Schauspieler ist das was anderes. Der ist der Tellerwäscher der Nation. Schamanismus im großen Stil.

Dominik: Hee!?

Hartwig: Die sind Schwämme, sagt Hamlet. Die saugen alles auf und wenn man auf die Taste drückt, pressen sie alles wieder aus. - Kochst du einen Kaffee?

Dominik: Ich habe Wein mitgebracht.

Hartwig: Die Welt der Geschäfte hat was für sich. Da können wir ne Menge lernen.

(Dominik holt Gläser. Gießt den Wein ein. Hartwig sitzt wieder vor der Maschine. )

Hartwig (schreibend): Im geteilten Nebel: Das Urteil. Der Äther, der eine.

Der eine das schamlose Urteil.

Dominik: Trinken wir auf die Zukunft.

Hartwig: Auf welche?

Dominik (schlägt dabei, mehr nebensächlich eine Fliege tot): Auf die Zukunft der Helden. - Albern nicht?

Hartwig: Ja. - Also worauf?

Dominik: Auf uns. - Vorläufig.

Hartwig: Ja. (Hartwig steht auf und geht aufgeregt umher) Wir sollten spielen.

Dominik: Jetzt.

Hartwig: Warum nicht. - Wir haben nichts verloren. - Wir können gar nicht verlieren.

(Dominik lacht)

Hartwig (spielt den Beleidigten): Dann nicht.

Dominik: So war das nicht gemeint. Aber du kannst hier doch nicht spielen. Außerdem, was denn spielen?

Hartwig: Uns.

(Dominik lacht böse)

Hartwig (geht mit): Glaubst du nicht? Ich hab was geschrieben.

Dominik (leichte Steigerung): Das?

Hartwig (zornig): Warum nicht?

Dominik: Weil es dummes Zeug ist?

Hartwig: Meinst du!

Dominik: Also gut. Ich. werde Fotos machen. - Das hat was.

Hartwig: Was?

Dominik: Was von den Sprintern.

Hartwig: Du spinnst.

Dominik: Nein ehrlich. - Bevor sie starten. Der Start ist ein Ausschnitt. Er entscheidet. Er ist die Entscheidung.

Hartwig: Vermutlich auch der Wahnsinn.

Dominik: Vielleicht. (Sie merkt nicht, dass es ihn nicht interessiert) Die Zeit verengt sich zu einem Unendlichen.

Hartwig: Du wolltest Fotos machen.

Dominik: Es scheint, dass sich das ganze Universum. . .

Hartwig: Du solltest nicht zu oft mit deiner Mutter zusammen sein.

Dominik: Das ganze Universum, der Orgasmus konzentriert sich auf den einen

Punkt, auf das unzeitliche Jetzt. Der Start ist das Wiederholen des Urknalles im Kleinen. Und dann. . .

Hartwig: Ich lese dir jetzt etwas vor. Du musst aber genau zuhören.

Dominik: Ich hab eine Idee. Du liest mir vor und ich fotografiere dich.

(Sie stellt ein Stativ so hin, dass es auf Hartwig zeigt der an der Maschine sitzt)

Hartwig (Während Dominik beschäftigt ist): Man sagt ja immer das die Bibel zu alt ist um, hm, hm, um . . . höre denn:

„Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicHartwig als Wein. Es riechen deine Salben köstlich;dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, darum lieben dich die Jungfrauen.“ -

- Irre nicht?

Einschub: „Sein und Dasein unterscheidet sich im Lob.

Wäre ich ein Felsen, gleich der Zyklopen Behausung.

Ich würde nicht mehr morden, als der Lust zu morden.“

Dominik: Na ja.

Hartwig: Es wird schon. Dies zum Beispiel.

(Während Hartwig vorliest, fotografiert Dominik. Die Gesten werden oft gestellt)

Hartwig (liest):

Er: Ich komme gerade, um dich zu besuchen. - Ist er weg?

Sie: Wer?

Er: Er! (schaut sich im Zimmer um)

Sie: Ja, du kannst reinkommen.

Er: Fliegen haben jetzt Schwalben gern. Es wird ein Gewitter geben.

(zu Dominik) Pass auf!

Sie: Ich habe es gehört.

Er: Ha, du. Gesehen hab ich sie. Sie machen es ganz heimlich. Durch den Raum surren sie. Und wissen auch nicht wohin.

Sie: Was ist?

Er: Ich komm zu dir. Gerufen hast du mich.

Sie: Ja und, mein Lieber. Ich habe alles im Griff. Es ist nichts besonderes. Ich kenne das.

Er: Auch das die Schwalben. . .

(Wieder zu Dominik) Pass auf!

Dominik: Tu ich doch.

Hartwig:

Sie: Fick mich. Fick mich, du Sau.

(zu Dominik) - Irre nicht?

Dominik: Na ja. - Schau noch mal so. (Macht sich ans Fotografieren)

Hartwig: So?

Dominik: Fast.

Hartwig: Du verstehst nichts davon. - Bist du fertig?

Dominik: Gleich.

Hartwig: Was hältst du davon?

Dominik: Du musst böse in dunkle Tief vertieft schauen. In die Maschine. So.

Hartwig: So. - Was hast du mir da erzählt? Der Sprinter. - Jetzt mal ehrlich,

dass war doch Quatsch.

Dominik: Ich war ja noch nicht fertig. Halt still.

Hartwig: Das heißt.

Dominik: Du sollst stillhalten. Das letzte Foto.

Hartwig (immer noch in der Stellung. Will sich aber immer wieder umwenden): Was meinst du damit - Urknall und Sprinter. Das hast du von deiner Mutter.

Dominik: Nein.

Hartwig: Nein?

Dominik: Jetzt ist das Foto versaut.

Hartwig: Siehst du. Es interessiert mich wirklich, was du erzählst.

Dominik: Es ist vorbei.

Hartwig: Also ehrlich. Ich versäume immer das Beste an dir. (wartet) Und?

Dominik: Und das Opfer schweigt. (Klappt demonstrativ den Fotokoffer zu) Die Opfer schweigen immer.

Hartwig: Mir kommen die Tränen. - (Pause) - Was für ein Opfer?

Dominik: Irgendetwas heiliges wird es wohl schon sein.

Hartwig: Und?

Dominik: Was und!

Hartwig: Wie weiter?

Dominik: Du gehst mir auf die Nerven.

Hartwig: Na, wenigstens schon etwas. - Und der Sprinter, der weiß wohl nichts davon? - Na, ja. Warum sollte er auch. Der schweigt ja auch.

Dominik: Lass es gut sein.

Hartwig: Nein. - Ich mach das auch nicht. Wer A sagt muss auch mir antworten!

Dominik: Ich meinte nur das...

Hartwig: Was meintest du?

Dominik: Das der Sprinter den Urknall nachvollzieht, die ganze Geschichte der Menschheit. Dem Orgasmus, dem alle Energien entsprungen, der Punkt in der Zeit: dem Start. Und erst, wenn er alle Möglichkeiten erschöpft hat, ist er sich der schnellste. Dann, ja, dann kann er mit dem Blick den 2o. Jahrhundert sich und die Welt belächeln. Es läuft - nicht mehr er.

Hartwig: Der Übermensch. Dafür so ein Terror.

Dominik: Was wolltest du denn?

Hartwig: Ich dachte da kommt noch mehr.

Dominik: Ich weiß, du bist der Größte.

Hartwig: Ist das von deiner Mutter?

Dominik: Lass uns nicht streiten„

Hartwig: Okay, sag mir aber erst, was mit deiner Mutter ist.

Dominik: Nichts.

Hartwig: Wo bist vorhin hingegangen?

Dominik: Das geht dich nichts an.

(Pause)

Hartwig: Dann kann ich ja gehen.

Dominik: Ja, dass kannst du auch.

(Hartwig packt seine Zettel zusammen)

Hartwig: Dann geh ich eben.

(Er geht)

Dominik: Warte. - Lass uns nicht im Streit auseinandergehen.

Hartwig: Ich wollte ja nicht streiten. Meine Absicht war, dich zu besuchen.

Dominik: Dann bleib noch.

Hartwig Warum?

Dominik: Nur so. - Wir können denn Wein noch trinken.

Hartwig: Ich hab schon genug

Dominik: Dann geh.

Hartwig: Nein, ich bleibe. - Aber sag mir in Gottes Namen, was du von mir

willst?

Dominik: Hast du Hunger?

Hartwig: Ja. Wenn es brenzlig wird, muss ich immer essen.

(Er setzt sich auf die Couch, so als wäre er gerade gekommen)

Dominik: Gut, dann weiter.

(Sie geht raus, um Brot zu holen)

Hartwig (aus einem Buche lesend, so dass sie es hört, während sie draußen ist):

„Er führt mich in den Weinkeller.

Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln,

denn ich bin krank vor Liebe“

(Den letzten Satz sagt er, gerade sie wieder im Zimmer ist. Er streicht ihr über's Gesicht, doch so, dass es weiter offen bleibt, ob sie ein Verhältnis miteinander haben)

Hartwig: Essen kann ein Schuldbekenntnis sein.

Dominik: Nehme, wenn du magst.

Hartwig: Dicke Menschen haben immer ein schlechtes Gewissen. - Denn was der Magen früher gemacht hat, dass macht heute der Verstand in der Küche = Es sieht schön aus, so geordnet.

Dominik (weiß immer mehr, dass sie ihm unterlegen ist): Ich verstehe nicht.

Hartwig: Nun. Der Vogel ist Vogel, weil er Vogel ist. Es weiß nur, dass er Vogel ist, mehr nicht. Es ist ihm auch auch ziemlich egal, ob er fliegen kann, oder nicht. Er ist einfach Vogel, so wie man einfach Vogel ist.

Dominik: Wo er das alles herholt.

Hartwig (immer noch ein wenig prophetisch): Es ist auch seine Aufgabe, Vogel zu sein. Wahrscheinlich ist er deswegen einer. Aber das weiß man vorher nie.

Dominik: Du sprichst in Rätseln.

Hartwig: Deine Chance Odysseus. (Man weiß gar nicht mehr, worum es geht) Ihr wollt doch immer Gleichberechtigung. - Oder?

Dominik: Hm, schon. Aber. Aber, was hat das damit zu tun?

Hartwig: Lass doch die Katze, wollte ich schon sagen, lass doch den Vogel aus dem Sack.

Dominik: Was soll das. Was ist mit dir. Esse doch etwas.

Hartwig (auf die Bücher zeigend): Hast du alle gelesen?

Dominik: Ich habe sie geschenkt bekommen.

Hartwig: Liebst du mich eigentlich?

Dominik (ein wenig verwirrt): Ja! - Aber ich mag dich nicht.

Hartwig: Vielleicht wären wir sogar ein Paar.

Dominik: Vielleicht. - Aber. . .

Hartwig: Sag es ruhig. Ich kann viel ab. (Er erwartet etwas, dass nicht ein treffen wird)

Dominik: Wir sollten was daraus machen.

Hartwig: Daraus machen?

Dominik: Ja!

Hartwig: Und?

Dominik: Ich hab's dir doch gesagt - ich mag dich.

Hartwig: Liebst hast du gesagt. Liebst.

Dominik: Spielen wir Theater, dann kommen wir daraus. Das kann uns verbinden. Nur so geht es. Nur ein Teil von jedem. - Ich mag dich, dass reicht doch!

Hartwig: Ich will alles. Ich kann nicht unterscheiden.

Dominik (lenkt ein): Ich habe geträumt. Gestern.

Hartwig (bestimmt): Ja.

Dominik: Ich war einmal bei einem Magier. Vor längerer Zeit. Ich war noch richtig dumm.

Hartwig: Ja. Du hast mir davon erzählt.

Dominik: Der... Der aus dem Buchladen.

Hartwig: Ja. Zu dem bist du gegangen, weil er dich gefragt hat, ob du mit dem Buch, dass du damals noch kaufen wolltest, reich oder unglücklich werden wolltest.

Dominik: Das war auch falsch. So falsch, wie er sich mir gegenüber aufgeblasen hat.

Hartwig: Aufgeblasen?

Dominik: Ich hab im den Boden unter den Füssen weggenommen. (Sie hat ihn nicht gehört) Mit meinem Blick. So, hab ich ihn verzaubert. (Sie zieht eine Grimasse) Ich war ihm überlegen, wahrscheinlich, weil er nur mit mir ins Bett wollte.

Hartwig: Sein Pech, dass er älter war.

Dominik: Und? Du unterschätzt mich.

{Pause. Sie essen)

Dominik: Die Karten lügen ja nicht.

Hartwig: Und was hast du geträumt. Gestern?

(Das Gespräch bewegt sich luftleer zwischen Blicken und Brotkrümel)

Dominik: Das ich einen Mann kennengelernt habe. Ich liebte ihn sehr.

Hartwig: Wirst du ihn. heiraten.

Dominik: Wir lebten lange zusammen. Aber ich wollte ja nie heiraten.

Hartwig: Das weiß man nie.

Dominik: Ich schon.

Hartwig: Aber ein Kind wirst du von ihm haben.

(Ein Interesse ist ins Spiel gekommen, dementsprechend ernst ist die Antwort von Dominik)

Dominik: Ja.

Hartwig (für den es ernst wird): Das ist ja eine irre Idee. Ich, hm. - Er. Er liebt dich um alles. Um alles, was man so haben kann. (Dominik isst; was ihr Zentrum der träumenden Konzentration ausmacht) - Und Sie? Sie ist entweder nur auf sich bedacht, - oder sie kann ihm einfach nichts geben.

Dominik (essend): Ich hab noch Schokolade.

Hartwig: Oder, noch viel besser: Er liebt dich nur dann, wenn du auf der Bühne stehst. Und du, - pass auf; das gefällt mir - du spielst natürlich hervorragend, aber nur unter seiner Regie. . - Fatal! Nicht?

Er ist auch ein Genie und will dich, weiß aber, wenn er dich kriegt kannst du nicht mehr spielen: dann steigt Ansietas auf: Angst und Sehnsucht. Die große Leidenschaft.

Dominik (hat langsam etwas mitbekommen): Und das bin ich nur auf der Bühne.

Hartwig: Schläft er mit ihr?

Dominik: Bei den Proben?

Hartwig: weiß ich nicht.

Dominik: Ist ja auch nicht so wichtig. (Sie hat was von einer Lolita) Werden wir Fräulein Julie zusammen spielen?

Hartwig: Julie?

Dominik: Ja.

Hartwig: Kenne ich nicht. Doch! Doch. Es ist schon älter.

Hartwig: Älter. Älter. weißt woran unser einer verreckt? - Ich willst dir sagen.

So als Geheimtipp. Es sind die Skelette von Museen, die sie jetzt überallhin hängen.

Dominik: Es gibt eben nichts Neues mehr.

Hartwig: Das ich schon verdammt nochmal seit zweitausend Jahre so.

Schluss mit der Leichenfledderei. Ja? Sollen doch die Zahnärzte ihr Weizenbier ihr Leben lang trinken. Ich aber. Ja! Etwas wie Ich wird einen Film machen. Das Atem beraubendenste. Etwas was du je gesehen hast. Eine irre Geschichte: Hier fängt sie an. Genau hier. Das Essen. Schnitt: Nahaufnahme: Ihren Mund. Die Wurst, wie sie langsam verschwindet. Dann sagt sie - den letzten Zipfel der Wurst verschwindet gerade noch gierig – "Ich war beim Magier"

Dominik: Hör auf!

Hartwig: Wieso? - Ich denke du willst mit mir arbeiten.

Dominik: So nicht.

Hartwig: Wo geraspelt wird, fallen auch Späne.

(Das Telefon klingelt, Dominik nimmt ab und bleibt stumm)

Hartwig: Was ist?

Dominik: Sie verdammtes Schwein, sie Schwein. (Sie legt zornig auf) So eine Sauerei.

Hartwig: Deine Mutter?

Dominik: Der Telefonspanner.

Hartwig: In Frankfurt gibt es jetzt für solche Leute eine extra Nummer. Da können die dann anrufen. Mit erhöhter Gebühr natürlich.

Dominik: Noch so einer.

Hartwig: Wieso...? (Das Telefon klingelt erneut. Dominik gereizt, aber froh von Hartwig wegzukommen)

Dominik: Ja! (Pause) - Es war nicht so gemeint. - (Pause). - (Sie weint) Ich ruf dich gleich zurück. Ja?!

Hartwig: Ist das Ahnung oder Vorhersehung.

Dominik (wischt sich die Tränen weg, damit Hartwig es nicht sieht): Mutmaßung

Hartwig: Bitte?

Dominik (reißt sich vollends zusammen): Wie wirst du jetzt vorgehen?

Hartwig: Gegen deine Mutter?

Dominik: Nein, gegen. . . mit dem Stück. (Sie lacht)

Hartwig: Keine Ahnung.

Dominik: Eine Bühne brauchst du.

Hartwig: Ich brauche gar nichts. GAR NICHTS!

Dominik: Du willst also nicht.

Hartwig: Vielleicht.

Dominik: Schade

Hartwig: Wer sagt denn das? - Ich brauche sicher einen Ort, aber einen Platz brauch' ich nicht.

Dominik (seufzt): Ach. Da soll einer draus schlau werden.

Hartwig: Warum auch. Unverständlichkeit ist der beste Weg zur Erneuerung.

Dominik: Dann sitzt du also an der Quelle. Gib mir, sage ich dir. Gib mir den Kelch.

Hartwig: Aber Hallo, du machst dich. - Aber jetzt mal ernsthaft wozu brauche ich einen besonderen Raum, wo doch mein Platz überall dort ist, wo ich bin. Hier ist mein Platz. (Klopft sich an die Stirn)

Da brauchst du gar nicht erst ungläubig zu schauen. Der Kosmos, wie du dich selbst auszudrücken gedenkst.

Dominik: Du solltest noch einen Wein trinken!

Hartwig: Du bestichst die Götter. - Also gut. (Er trinkt)

Ganze Symphonien habe ich hier drin. Aber die Welt, die ganze Menschheit soll endlich im Durst verrecken.

Dominik: Ja, da drin. Und rauskommen tut nur Scheiße.

Hartwig: Oho. Du glaubst mir also nicht. - Du kannst sie haben. - Sie sind nur sehr teuer.

Dominik (schnippisch): Wie teuer?

Hartwig: Zuviel für dich.

Dominik: Der Preis?

Hartwig: Dein Leben, Herz acht. Deine Ruhe. - Gib mir deine Ruhe und ich gebe dir die Symphonien. Soviel du nur willst, denn sie sind mit einem Fluch behaftet.

(Ist ihr zu nah gekommen)

Dominik: Ich muss meine Mutter zurückrufen.

Hartwig: Willst du oder nicht. - Ich pack sonst wieder. - Bedenke den Nerv, die Absolutheit der Vervielflung. Ja, Vervielflung ist das richtige Wort, nicht Verzweiflung, denn mit nur einem Gegner könnte ich es aufnehmen. Es sind viele, verdammt viele. Ich gebe sie für dein Glück.

Dominik: Oder Reichtum. Gebe sie mir.

Hartwig: Wo ist der Text?

Dominik (es nicht besonders ernst nehmend): Er liegt da unten.

(Hartwig holt den Text und gibt ihn ihr)

Hartwig: Such was raus!

Dominik: Irgendwas?

Hartwig: Ich denk, du hast ihn gelesen.

Dominik: Hab ich nie gesagt.

Hartwig: Nimm eine längere Passage.

Dominik: Die scheint ganz gut dafür zu sein. - Ich spreche mit Christine.

Hartwig: Na gut, wenn es sein muss.

Dominik: Hier am Schluss. - Ich schlafe bereits. . .

Hartwig (auch nicht besonders ernst): Was? Zeig mal! - Du willst natürlich gleich das Finale. Bleiben wir auf den Spuren des Tantras. Das ewige "kurz davor!'. Heiss machen und dann kalt duschen.

Dominik: Hm?

Hartwig: Ja! Ja ich versteh was davon. Nimm doch bitte - schau wie ich flehe nimm doch was vom Anfang.

(Er gibt ihr das Buch zurück ohne selbst eine geeignete Stelle gefunden zu haben)

Dominik: Da wäre nur ein sehr kurzes Stück.

Hartwig: Ist doch gleich. Ich will ja nur

Dominik: Also gut, soll ich nun lesen?

Hartwig: Nein Wäsche waschen.

Dominik: Ha, ha.

Hartwig: Einfach lesen mehr nicht. Sehen, wie du funktionierst.

Dominik (liest): Sag mal Christine – ist Jean eigentlich dein Verlobter, dass mit dir er so vertraulich umgeht?

(Pause)

Hartwig: Nun? Weiter!

Dominik: Es geht nicht weiter.

Hartwig: Hm. - Zeig mal! (er reißt ihr fast das Buch aus der Hand) - Ach so. Dann lese doch den Text von Christine einfach mit.

Dominik: Das geht nicht.

Hartwig: Ja. Der Kurze geht auch. - Also noch einmal.

Dominik (liest): Sag mal Christine - ist Jean eigentlich dein Verlobter, dass er so vertraulich mit dir umgeht.

Hartwig: Du liest ja schon wieder. So geht das nicht. Du liest, als wolltest du mir eine Trompete verkaufen, die ich nicht zu besitzen gedenke. - Also ich brauche keine. Spreche noch einmal und denke an gar nichts.

Dominik: Trompete?

Hartwig: Oder Geige, wenn du es so willst.

Dominik (spricht so, als würde sie ein Gedicht aufsagen, das ich vollends zum Halse heraushängt): Sag mal Christine - ist Jean eigentlich dein...

Hartwig: Nein, nein, nein. Ich will keine Portraitaufnahme. (Sich umschauend)

Hängt hier eine Kamera, ja oder nein? Noch einmal.

Dominik (spricht, wie zuvor): Sag mal, Christine...

Hartwig: Also doch, wo hat deine Mutter sie versteckt? Pentheus du wirst getürkt. Weg mit dem „Bitte - hau - mich - nicht - Lächeln"

Dominik: Du gehst mit auf die Nerven.

Hartwig: Regung! Dem Himmel sei Dank. Ich schwöre beim Allerhöchstem, das ich gleich nächste Woche den Klingelbeutel schwängere. Noch einmal. Blut, Herr Vater. Also noch einmal.

Dominik: Ich habe keine Lust mehr.

Hartwig (schreit): Mensch, wir sind hier nicht auf dem Flohmarkt. Da! Da sitzt die Hure Christiane. Siehst du sie. - Nein! - Dann schau doch hin. (erschöpft) Anders. Ich bin Christine. Sprech! Und zeige mir das du mich liebst.

Dominik (mit Verachtung): Sag mal Christine - ist Jean eigentlich dein Verlobter, dass er so vertraulich mit dir umgeht..

Hartwig (wieder ekstatisch): Ja, ja, ja! - Wahnsinn meiner Schiffer Masten. Ich bin doch nicht Christine. Ich liebe dich. Adonis lächelt· mit Schönheit. - weißt du, dass du richtig schön sein kannst.

Dominik: Wollen wir weiter machen?

Hartwig: Ich bin müde.

(Er legt sich aufs Sofa und wartet auf Dominik, dass sie ihm folgt. Das Telefon klingelt)

Dominik: Ja, Entschuldigung. Ich hab's vergessen. Ich. . . wieso?, was soll mit mir sein? - Ja. Habe ich. Soll ich sie runter bringen? - Dann bis gleich.

(Sie legt auf und sucht einige Fotos heraus)

Hartwig: Wer war das?

Dominik: Meine Mutter. Hat sich meine Stimme geändert?

Hartwig: Sie ist zahmer.

Dominik: Ich geh eben noch runter. Lass mir noch einen Schluck. (Sie geht raus. )

Hartwig (ihr nachrufend): Bring noch einen Wein mit. (zu sich) Verdammt beinahe.

(Er geht zu den Büchern, er torkelt schon. Nimmt ein Buch und liest)

Hartwig: Das ist es. So werde ich es machen.

(Dominik tritt wieder ein)

Hartwig (sehr freundlich): Alles klar?

Dominik (entschieden): Ich muss bald schlafen.

Hartwig: Kann ich. . . ?

Dominik: Nein!

Hartwig: Bist du etwa noch Jungfrau?

Dominik (böse): Ja!

Hartwig (sie hochnehmend): Nein! - Hast du den Wein dabei? (Er nimmt den Wein und öffnet ihn) Spielen wir weiter. Wir spielen einfach, was hältst du davon?

Dominik: Nein!

Hartwig: Nein?

Dominik: Nein

Hartwig: Nein.

(Eine längere Pause, in der Hartwig sich Wein und Dominik sich Ruhe einschenkt)

Dominik: Sag mal...?

Hartwig: Hm?

Dominik: Du hältst mich bestimmt für sehr eitel. Bin ich eine Heilige oder eine Hure?

Hartwig: Als wenn das einen Unterschied machte. Ich habe Frauen getroffen, da hab ich gedacht: welch edles Geschöpf. Doch als mir die Ideen ausgingen, da war es denen egal, ob ich nun arm war oder nicht. - Wenn du verstehst was ich meine?

Dominik: Nein.

Hartwig: Also gut: du hast beides. Das ist deine ganz persönliche Vollkommenheit. Aber ich sage dir, wenn du wirklich Erfolg haben willst: Durch Entzug geht Alles.

Dominik: Das heißt doch nichts anderes als wie ein tollwütiger Hund nachts durch die Gärten zu schleichen, in der Angst das Herrchen zu treffen.

Hartwig: Treffend, treffend. Du hast vollkommen recht - natürlich - es entspricht deiner Begabung. Es ist Leben - du willst es doch auch!

Dominik: Als ob du es hättest. Satt wie eine Made.

Hartwig: Du meinst wohl Made im Speck - Aber du brauchst dich nicht zu entschuldigen, darauf kommt es ja nicht an. Es geht hier um wesentliches und zwar du, weil. . . Aber das weißt du ja selbst. - Ich finde du bist einfach genial. So genial, wie der Glanz einer Pfauenfeder. Oder noch viel besser, . . . du verstehst es einfach. . . auch wenn dein Kopf für. . . zu klein ist. So ein süßes Köpfchen. - Schenk ein, die Nacht ist lang.

Dominik: Du bist betrunken.

Hartwig: Trunken im Äther, vom, über dem Äther. Ja, ich bin. Aber der Rausch, ich sage dir nicht nur ich, sondern, . . . weil eben sagtest du. . . Jetzt hast du was von einer Hure. - So wie du schaust. weißt du eigentlich, dass du irre gut schauen kannst - Aber ohne Objektiv. Hihi. Komm zu mir, ich tu dir doch nichts...

Dominik: weißt du was hybride ist?

Hartwig: Der Mutter das Nähkästchen halten und vor allen Leuten behaupten: Ich kann stricken. Oder, hihi - wenn sich jemand lange Unterhosen anzieht, obwohl er weiß, dass seine Geliebte allein zu Hause ist.

Dominik: Du bist hybride.

(Hartwig zieht sich die Hose aus, weil er beweisen will, dass er eine ganz normale kurze Hose an hat)

Hartwig: weißt du, seit meine Mutter mir nicht mehr die Hosen kauft, passen mir sogar die Blauen.

Dominik: Du bist albern. Zieh dich wieder an. (Sie wird wacher)

Hartwig: Meinst du?

Dominik: Du bist süß, wie du da stehst. Ja, wirklich, (Sie lacht und meint diese Liebkosung ernst) richtig süß. Und schöne Beine hast du auch.

Hartwig: Du wirst unfair. Das ist das Heilige. Siehst du, ich hab's dir a gesagt. (Pause) Fass mich an. - Genau hier. (Er zeigt auf seinen Penis. Sie wendet sich natürlich ab) Mein Schwanz beißt nicht. (Sie weint - Pause) Was ist? Habe ich. . . Es tut mir leid. Ehrlich. (Er reißt sich zusammen) Ich bin manchmal ein bisschen grob. Verzeih bitte.

Dominik: Ich hasse dich.

Hartwig (kleinlaut): Du auch?

Dominik (Sie ist wieder fast am Weinen): Für was du eben gesagt hast. Und ich

dachte immer, da wäre was. . . was göttliches. . . Aber alles wird schlechter, immer schlechter.

Hartwig: Was du da redest.

Dominik: Ja, es ist wahr. Ich muss meine Ruhe haben, trennen wir uns bevor es zu spät ist. Bitte!

Hartwig: Es ist zu spät. Für uns beide.

Dominik: Dann lass mir die Ruhe für ein Paar Stunden. . . für ein paar Minuten. Bitte!

Hartwig: Es geht nicht. Wenn ich sage, durch Entzug geht Alles, dann meine ich das ernst.

Dominik: Wie ernst? (Es ist als hätte sie einen Krankheitsbefund bekommen)

Hartwig: Entzug ist das Schaffen von Distanz. Sicherlich, es riecht es modrig,

aber irgendwann, ich warte auf die Blütenfrische. Ich bin nicht der Schlechteste. Als erstes will ich ein Kind von dir.

Dominik: Nie und nimmer!

Hartwig: Vielleicht bin ich eine Eule.

Dominik: Gib mir eine Zigarette.

Hartwig: HuHuHuHuHuHuijuHuHu (steckt ihr eine Zigarette in den Mund und gibt ihr Feuer, indem er vorher mehrmals die Flamme aufschnippen lässt)

Dominik (sich langsam bewusst werdend, was hier gerade passiert. So zeigt sie auf die Flasche und vielleicht denkt an Mord): Willst du noch?

Hartwig: Das gibt Wasserköpfe oder Spastiker. Ja. ich werde dich von mir abhalten. Es wird nicht schlimmer. Die ersten Takte sind immer etwas ungewohnt. Aber jetzt weißt du ja wohin der Pfeffer riecht.

Dominik (argwöhnisch): Ich habe dich verstanden. Warte. (Sie überlegt)

Hartwig (selbstherrlich): Da bin ich gespannt, ob du auch den Drachen führen kannst.

Dominik: Der Hase im Pfeffer. - Jetzt weiß ich wohin der Hase läuft.

Hartwig: Wohin?

Dominik: Dort wo der Pfeffer wächst.

Hartwig: Erste Lektion bestanden. Zwar mit Bedenken aber. . .

Dominik: Es ist der Anfang - dein Anfang. Ich hab den Braten doch gerochen.

Du hast mich ja selbst gewarnt: Verbrenn dir nicht die Finger! Ich belege von nun an einen Häkelkurs auf der Hochschule.

Hartwig: Sehr gut und halte dich an die Jungfrauen.

Dominik: Ach ja die Jungfrauen, du stehst ja drauf.

Hartwig: Mehr und mehr auf dich, mein Fräulein – Saat behängender Schatten.

Wonnige Vehemenz. Blumiger Abgrund. Was würdest du sagen, wenn ich impotent wäre?

Dominik: Brüllendes Fass.

Hartwig: Das hast du dir doch nur ausgedacht.

Dominik: Du nicht?

Hartwig: Ich bin ja besessen. Aber ich kann auch anders.

Dominik: Du verzettelst dich.

Hartwig: Adonis lebt insgesamt nur einmal. Die Ameisenmännchen sterben im höchsten Glück. - Glück durch Sterben?

Dominik: Der Titel - Selbstvergewaltigung.

Hartwig: Du lässt mich ja nicht.

Dominik: Willst du noch einen Schluck?

Hartwig: Nein.

(Dominik bringt das Geschirr raus)

Hartwig (ihr nachrufend) Du musst dich begeistern. Zuerst musst du finden, was dich begeistert. Und dann musst du es begeistern, wenn es an Leben verliert. Verstehst du? - Hörst du mir eigentlich zu!

Dominik (aus der Küche): Hm?

Hartwig: Ob du mich verstehst?

Dominik (reinkommend): Sicherlich.

Hartwig: Denkst du auch so?

Dominik: Nein!

Hartwig: Das muss du doch sehen.

Dominik: Sehe es doch mal wie ich.

Hartwig: Aber ich bitte dich, wie ich denke, dass entscheiden immer noch meine Eltern. Da hast du gar nicht rein zu fuschen.

Dominik: Wenn du meinst.

Hartwig: Ja, ich meine. Was machst du da.

Dominik: Das Bett.

Hartwig: Ich bleibe also.

Dominik: Wohl oder Übel, hilf mir. (Er hilft)

Hartwig (Wird mehr und mehr verlegen) Kann ich die Gläser auf den Tisch stellen?

Dominik: Ich räume sie morgen weg. - Komm mal Hartwig (Er wird von ihr umarmt) Ich gewöhne mich langsam an dich.

Hartwig (es ist ihm vollends peinlich): Ja?

Dominik: Du kannst deine Sachen da hinlegen. (Sieht geht raus und erscheint im Nachthemd, nachdem Hartwig wieder ein Buch zu Rate zieht) Was ist?

Hartwig: Ich möchte dir etwas vorlesen.

Dominik: Jetzt? ,

Hartwig: Wenn es dich nicht stört.

Dominik: Beeile dich.

Hartwig (liest): „Der alte Zwist mit Jason sei nun beigelegt. Der eine küsst die Hände, der andre das blonde Haupt der Knaben, und ich folge selbst ihm mit voller Freud mit deinen Kindern zu der Fraun Gemächer hin. Die Herrin, die wir ehren an deiner statt, ließ, eh sie deiner beiden Söhne ansichtig ward, auf Jason froh und liebevoll die Blicke ruhn.“

- Schön nicht?

Dominik: weiß nicht.

Hartwig: Verstehst du es?

Dominik: Ja! Aber sprich lieber über uns. Und nicht davon.

Hartwig: Das bin ich (liest) „Doch dann mit einmal drückte sie die Augen zu und wandte scheu ihr blasses Angesicht zurück, als deine Söhn eintraten; aber dein Gemahl, bemüht der Jungfrauen Zürnen abzuwehren, sprach zu ihr jetzt: ". . .

Dominik: Du willst ja gar nicht.

Hartwig: Was?

Dominik: Mit mir sprechen.

Hartwig: Das tu ich doch;hörst du es nicht,

Dominik: Nein und du auch nicht.

Hartwig: Ich kann nicht... - es geht alles so schnell. Wie spät ist es? - Was machst du?

Dominik: Jetzt stehst du ein dafür.

Hartwig: sprach zu ihr jetzt - "Wende dich nicht ab (Er geht im Zimmer wild umher und liest weiter aus dem Buch. Dominik rekelt sich) Feindlich hasse nicht die Freunde mehr. Lass ab zu grollen, wende mir dein Auge zu und achte die für Freunde, die dein Gatte liebt! Nimm ihre Gaben und bitt deinen Vater, dass er mir zulieb den Kindern hier den Bann erlässt“

Dominik: Du bist süß. Komm! Schlage zu!

Hartwig: Eben und weiter - "Und sie, den Schmuck erblickend und ganz außer sich, versprach dem Gatten alles, und bevor er noch mit deinen Kindern weit entfernt vom Hause war, nahm sie das bunte Festgewand und legt es an. Und auf die Locken setzte sie den goldnen Kranz, trat vor den blanken Spiegel sie dann und ordnete das Haar und lächelte heiter an ihr totes Bild."

Dominik: Das passt ja gar nicht. Wer sind den meine Kinder?

Hartwig: Phantasmen.

Dominik: Spinner, rede klarer!

Hartwig (weiter aus dem Buche): „Vom Throne drauf erhob sie sich, durchwandelte

die Halle, leicht hinschreitend mit dem weißen Fuss, und freute sich der Gaben, immer wieder stolz...“

Dominik: Hör auf! Du machst mir Angst.

Hartwig: Angst ist der Same der Liebe, das Holz des Feuers.

Dominik: Nein, hör auf. (Sie versteckt sich unter der Decke)

Hartwig: "Und freute sich der Gaben, immer wieder stolz. Das Auge weidend an der hohen Wohlgestalt"

Dominik: Nein! Verdammt nochmal! Nein! Ich will nicht weiter hören.

Ich höre nichts mehr! lch höre nichts mehr!

Hartwig (liest): "Nun aber bot sich uns ein furchtbar Anblick dar. Denn schnell die Farbe wechselnd, taumelt sie zurück, An allen Gliedern bebend, und gelangte kaum

zum Throne wankend, " - Wo ist jetzt deine Mutter frage ich dich?

Dominik: Oh, mein Gott!

Hartwig (aus dem Gedächtnis): „An allen Gliedern bebend, und gelangte kaum zum Throne wankend, eh sie ganz zu Boden sank. Und eine getreue Dienerin, die glauben macht, Pans oder andrer Götter Zorn befalle sie, erhob ein lautes Beten, bis sie weißen Schaum um ihrer Herrin Lippen, den verstörten Blick der Augen und die Wangen blutlos sah und bleich."

Dominik: Du Schwein. Du dummes altes Schwein.

Hartwig: Hast du es. Ja?! Hast du es?

Dominik: Fick mich du Schwein. Fick mich wie ein Schwein.

(Das Licht verdunkelt sich)

Hartwig: (schreit): Ich kann nicht!

Dominik: Siehste!

 

(Black Out)