BROKALHAUS

Das intermediale Kunst-Projekt

 

Monolog eines Fahrrad-Kuriers

von hwmueller

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Ein Kellerraum. Oben kommt durch ein kleines Fenster Tageslicht herein. Ein Tisch, ein Stuhl, eine alte Couch. Rechts eine schlichte Kochnische. Links ein Briefverteilerschank der Post. Ein Schlüssel geht in der Tür. Ein etwa 40 jähriger Mann betritt mit einer vollbeladenen Radlertasche die Bühne. Er wirft sie auf den Tisch.

 

Er: So. Sehen Sie, was ich zu schleppen habe. Hä. Nicht schlicht. Nicht? Wie ein Esel. Das sind locker 10 Kilo. Das mal eben so. Das trage ich Ihnen in den 10 Stock.(schaut sich um) Na ja, nicht hier in den Keller. Aber sonst schon. Schauen Sie mal: 10Kilo Post. Was da alles zusammenkommt. Möchte nicht wissen, wie viele unschuldige Bäume ihr Leben dafür gelassen haben. Gut einiges ist recycelt. Wahrscheinlich, oder angeblich. Man weiß nie. Ist aber auch wurscht. Gewicht ist Gewicht. Hm, was ist leichter ein Kilo Eisen, oder ein Kilo Federn. Hm, verstehen Sie. Naja.. (leert den Sack auf dem Tisch aus)

Ich bin Fahrradkurier, selbstständiger Transportunternehmer. Körperlich und geistig im Auftrage von Dritten. D.h. die Aufträge, die mir von der Zentrale gütigst vermittelt werden. Ich bringe Ihnen innerhalb der Stadt, alles was hier rein passt und legal ist, umwelt- und auch sonst freundlich von hier nach da. Die Länge der Strecke ist mir egal. Ich werde pro Kilometer bezahlt. Ob Regen oder Schnee, bei Wind und Wetter. Super service und brutal günstig. So jetzt muss ich erst mal was trinken. Ich muss meinen Flüssigkeitshaushalt konsolidieren, auf den neuesten Stand bringen. Quasi. (geht zum Kühlschrank, öffnet eine Flasche Bier)

Dehydrierung ist der Tod eines jeden Profi-Radlers. Und als ein solcher, darf ich mich durchaus bezeichnen. Ich radl quasi mit der Tour de France auf Augenhöhe. Aber besser auf Lendenhöhe. Weil wir schauen uns ja nicht an. Sondern immer nach vorne. Auf den grau-blauen Asphalt. Der einzige Unterschied: die Gehaltsklasse. Schmerzlich. Aber dafür darf ich im Gegensatz zu den Asphaltsklaven der Tour auch mal um die Kurven düsen und kann mir meine Strecke selber wählen und muss nicht wie ein Zirkuspferd in den Tunnel vor mir starren ohne Blick für die hübschen Nebenangelegenheiten und ich muss mich nicht als wandelnde Litfasssäule missbrauchen lassen, weil ich bin mein eigener Sponsor, sowohl hier (die Tasche) als auch hier (das Gesicht) Ich sehe einige von Ihnen haben mich bereits schon in Aktion gesehen. (trinkt)

Der körperliche und geistige Aspekt ist bei dieser Arbeit nicht zu unterschätzen. Wenn Sie erlauben, werde ich das ein wenig genauer erklären. Ich bin der Esel der Stadt, im gewissen Sinne. Schlepper, oder Fiaker. Oder besser: und das können Sie jetzt wörtlich nehmen: ein Maultier, das mit aller Sprachgewalt jeden Scheiß transportiert und immer den Mund zu voll nimmt. Hähä. Aber denken Sie nicht schlecht von mir. Ich tue das gerne. Sehr gerne. Ich bin das Blut der Kommunikation, wenn Sie mir dieses starke Bild erlauben. Wissen Sie, ich habe immer starke Bilder. Starke Gefühle. Gut, das gehört jetzt hier nicht her. Obwohl, ich möchte doch die Gelegenheit nutzen, Ihnen, der Sie sicherlich gesellschaftlich erheblich höher stehen, zu zeigen, das auch unsereins, also wir vom untersten Saums des reich und bunt geknüpften Teppichs unserer Gesellschaft, auch Gefühle hat, und denkt, und sieht.

Ja, ich sehe eine Menge. Von hier aus, und vor allem, wenn ich in den unterschiedlichsten Büros unterwegs bin. (wütend) Ich habe doch Augen im Kopf. Ich weiß doch, dass da was schief läuft. Ich sehe doch das Unglück der Menschen, das es sie sich verrennen. Das es keinen common sense mehr gibt. Nichts Gemeinsame, keinen Logos, sondern das Jeder mit seiner privaten Fernbedienung von Traum zu Traum zeppt, von Wunsch zu Wunsch. Von Bürowand zu Bürowand, den befreienden Ausgang aus den Blick verlierend, sich die Stirne blutig schlägt und erschöpft und benebelt den Lebensabend entgegen fiebert. Ja, das sehe ich, immerfort, immer häufiger. Auch hier...(schaut in die Runde) Tschuldigung. Aber ich nicht, ich bin mein eigener Chef, ich bin eine IchAG.

Ich bin mein eigener Schmied, der mit dem Gold des Glücks, seinen Asphaltpflug - welch ein Bild - mit 40 Sachen durch die Menge und alles springt zur Seite und jeder in der Stadt achtet, ja fürchtet dich und wenn du dabei noch geistig über dich selbst herauswächst. Ja, erhebend, wenn man das von ich sagen kann. (trinkt)

Also, Kommunikation. Unsere Gesellschaft, unsere real existierende Gesellschaft ist eine Kommunikationsgesellschaft. Jaaa. Und wer hält die zusammen? Hm, na, ich natürlich.

Ja, Sie haben richtig gehört. Ich, d.h. meine Kollegen und ich. Wissen Sie, wenn es uns nicht gebe, also uns, die Kuriere, dann gäbe es keine Kommunikation. Keinen Austausch, keine Geschichte, keine Kultur, keine Politik, und keine Kriege. Leider. Aber ich kann das nicht ändern. Jede Medaille hat seine Schattenseiten und der Krieg ist in der Kommunikation quasi so eine Art Sättigungsbeilage der menschlichen, der europäischen Kulturgeschichte. Nicht zu verhindern. Fördert die geistige Verdauung.

Horrormeldungen, das Schmiermittel unserer Medienlandschaft. Was ich damit sagen will, ist, seit Erfindung der Schrift sind wir, die Überbringer guter und schlechter Nachrichten, unerlässlich. Der ganze Fortschritt unser Mitteleuropäischen Leitkultur, nicht Leidkultur, obwohl wir das auch sind, seit dem dunkelsten Mittelalter bis in die Moderne, also quasi bis heute, bis eben, bis jetzt, ist getragen vom Austausch der Ideen.

(hält einen Brief gegen das Licht)

Schweres Geschäft, vertraulich, kann man nicht so einfach mit der Post schicken. Aber geschickt wird es, auf alle Fälle. Denn ohne Transportmittel, verstehen Sie, wäre da gar nichts. Gar nichts. Da würden wir noch im dunkelsten Sumpfe eines ungebildeten Mobs vor uns hinsabbern. Dampfendes und dumpfes Geschwätz von uns geben. Da würde jeder noch auf seiner intellektuellen Insel sitzen und Poesie mit Pfeil und Bogen schießen. Sprachliche Rohkost, völlig unverdaulich. Verstehen Sie? Nicht das Sie denken, ich sei gegen Poesie. Nein, nein, ich bin ja selbst Poet. Ja, ja.

Aber nicht so ein dahergelaufener unrasierter und schwarzgekleideter Oberpoet, der nur die Reime krampfhaft versucht in Form zu halten und dabei jedweden Unsinn stammelt. Der sprachliche Blindgänger und philosophische Rohrkrepierer, der eitel und selbstherrlich den pseudo-künstlerischen Exzess steuerfinanziert auf eine übersubventionierte Bühne stemmt, sich die Straußenfedern an den geliehenen Frack heftet, aber beim Ficken das Licht ausmacht. Ja, ich nicht, ich bin ein Kompressor, ein Verdichter, der die Wirklichkeit zu einem gesteigerten Sein verdichtet, einer unendlich kleine Masse, hahaha der Realität an sich, der Monade, der Eitelkeit Grab, Logos, großes Tor zum Jenseits. Hmm! Na, das Worte, das sind Bilder.

Na ja, das gehört hier nicht her. Sie werden es auch nicht verstehen. Nicht das Sie dumm wären. Sie haben nur keine Zeit das zu verstehen. Sie sind zu sehr mit Ihrer Daseinsvorsorge beschäftigt. Ich habe die Zeit oder die Muße, hier unten, oder noch mehr wenn ich da oben die Pedale in die Knie zwinge und mein Tempo erhöhe, kann ich oder könnte in die entlegensten Orte des menschlichen Dasein, oder besser Fortseins mich hineindenken, mich ins Meer der Gedanken abtreiben lassen, oder auf meine genialen Ideen surfen. Ich könnte, ja, ich könnte, aber ich habe nur zu dienen. Ich bin nur der stille graue Frosch am Rande der literaturhistorischen Langlaufstrecke. Und das tue ich gerne, sehr gerne. Es war mein freier Entschluss. Ich war lange unfrei. Lange, sehr lange, lange genug. D.h. ich war arbeitslos. Ohne Sinn und Ziel.

Der Mensch. Der moderne Mensch, nicht der Affe aus der Steinzeit, sondern der moderne, wir, Sie und ich, aber das wissen Sie ja am besten selbst, definiert sich über die Arbeit. Ja über die Arbeit. Die macht ihn frei, über sich selbst, über sich und sein Schicksal nachzudenken. Theoretisch. Die Arbeit sollte ursprünglich, gleich nach seiner Erfindung den Menschen von seiner von der Natur auferlegten Beschränkung, von dem alles bestimmenden Schicksal befreien, damit er die Unendlichkeit, sagen wir mal ganz leger Gott zu erkennt.

Ich hoffe es stört Sie nicht, wenn ich trinke. Aber ich habe heute gut 100 gemacht. Km nicht Euro. Leider.

Aber mit der Vollbeschäftigung und dem Wohlstand, verschwanden dummerweise auch alle die tiefen religiösen Fragen. Und die Liebe. Die geistige und die körperliche, ja, ja, ja, das geht einher, sagte doch Christus, mein Körper ist der Tempel, das wird gerne immer wieder vergessen, heute, denn heute definiert sich der Mensch, Sie, ja Sie und Sie und Sie nur noch über die Arbeit schlechthin, über die Verknechtung des Körpers zu fremden Zwecken. Tja, sehen Sie, ich nicht. Ich definiere mich über mich selber. Deshalb habe ich einen Schlussstrich gezogen, unter meinen Herdendasein und habe mich selbständig gemacht. Ja. Ich bin selbstständig, ich bin für mich selbst verantwortlich. Ich bin eine IchAG. Und hier genialerweise eine IchAG: ICH. Und das ist sehr befriedigend. Gut, Sie können das nicht beurteilen. Sie erhalten jedem Monat Ihren Kontoauszug und damit basta. Bei mir nicht. Ich habe weniger, viel weniger, ich habe nicht mal einen Kontoauszug, weil verschuldet, aber dafür kann ich tun und lassen was ich will. (er hält triumphierend inne)Theoretisch.

Fast, sage ich, denn ich habe einen Berufsethos und weiß was Zuverlässigkeit bedeutet. Im Gegensatz zu manch Anderen, ich will keine Namen nennen, soweit ist es mit mir noch nicht gekommen aber ich weiß sehr wohl, das ein einziger, nur ein einziger Patzer mir mein ganzes Geschäft ruinieren kann. Ich kann mir keine Fehler erlauben. Keine falschen Entscheidungen treffen, wie manch einer, der das Geld soweit aus dem Fenster wirft, dass nichts mehr vor der eigenen Tür liegenbleibt. Ich meine nicht die Spendenhysteriker, die für das Elend der Geld spenden, damit sie das eigene vor Ihren Augen nicht sehen müssen.

Sondern die Weichensteller an der Stellwerken der Macht, die weg oder hoch gelobt werden, wenn sie entscheidende Fehler machen. Ich kann mir keine erlauben. Keinen einzigen. Weil entweder verliere ich einen Kunden oder mein Leben. Verstehen Sie, also im Straßenverkehr als Fahrradkurier. Ja, wissen Sie und das beruhigt ungemein. Ja, da wundern Sie sich. Es beruhigt ungemein. Das hält mich wach. Ich bin im Fluss, im Flusse der Worte und Bilder, im reisend kühlen Fluss, in den ich mich überhitzt hineinstürze, um mich vom Ekel der Welt rein zu waschen. (hält innen) Gut ich fange nicht wider an. Ich höre jetzt auf. Hör jetzt auf man..(trinkt beginnt die Briefe auf dem Tisch zu sortieren)

Und ich will Sie gar nicht mit so kompliziertem Stoff belasten, ich bin ja froh, das Sie da sind. Ich bin froh das überhaupt jemand da ist. Weil sonst kommt ja niemand hier runter. (schaut sich um) oder glauben Sie Leute kämen hier freiwillig her?

So das sind meine aktuellen Aufträge, ich erhalte Sie immer per Handy.

Hier sortiere ich die Briefe für morgen früh ein. Die liegen dann die ganze Nacht hier, haben ein wenig Ruhe, bevor sie von gierig fiebrig-feuchten Fingern aufgerissen werden oder von gelangweilten Sekretärinnen nachlässig in die Ablage geworfen werden.

Zum Beispiel der hier. (riecht daran.) der geht an...das darf ich jetzt nicht sagen. Ich habe mich zum Schweigen verpflichtet, wie beim Militär. (stolz) Wir sind fast so wichtig wie der Geheimdienst. Jaa! (er riecht an den Brief)

Nennen wir sie Anna. Anna bella, die schöne Anna. Ja, ich kenne Sie, klar, sie wartet jeden morgen auf einen Brief von IHM (verächtlich) BOB, ihrem Bob, d.h. von ihrem Robert. Der lebt auf dem Lande. In München. Ein Depp. Ein ungehobeltes Arschloch. Verzeihen Sie. Er hat Anna gar nicht verdient. Die Anna, bella Anna, (fast singend) Annabella wissen Sie, sie ist zwar noch sehr jung, aber sehr zart besaitet. Eine ganz Feine. Sie müssen nur ihre Briefe... (stockt) oh, da habe ich jetzt nicht gesagt. Ich würde nie, niemals...(schaut den Brief und riecht daran) obwohl ich schon schwach werden könnte.

Aber ich habe Ethos, Berufsethos und ich achte die Würde des Menschen, wenn’s auch sonst keiner tut. Ich tue es. Ich bin ein einfacher Mensch. Ein ganz kleines Rädchen nur, aber auch das muss funktionieren. Auch wenn das große Uhrwerk aus der Bahn gerät, oder ins Stocken gerät, solange das Kleine die Richtung weiß, wohin es ticken muss, solange ist nichts verloren. Sei es noch so klein und fein, fein besaitet.

Ja, jeder hat sein Päckchen zu schleppen. Es gibt zwei Sorten von Menschen: Die Träger und die Getragenen, die Prinzessinnen und die Schlepper, die mit ihrer geschundenen Hoffnung auf ein besseres Leben, die mit Schwielen auf der Seele und trüben Blickes den langen Weg in das Bergwerk ihres verworfenes Schicksal entgegensehen. Haha, ja. Die am frühen Morgen mit Rändern unter den Augen und erstarrtem Gesicht unfähig sind, sich diese Maske vom Gesicht zu reißen, weil Ihnen alle Glieder weh tun. Vom Schleppen der letzten Jahre.

Und es gibt die Getragenen, die vom Leben verwöhnten, denen das Schicksal jeden Wunsch von den Augen abliest, jeden, aber auch jeden, ob sie wollen oder nicht. Die sinnentleert nur noch mit einer überfressenen Dekadenz ihre letzte Würde holen und wie blödsinnig in die Kamera grinsen um ihr gelangweiltes leidenschaftslose Dasein überspielen. Ich will mich jetzt nicht weiter über die sogenannte Prominenz auslassen, das gehört hier nicht her, das würde einen ganzen Abend ausfüllen.

Heute wird doch jeder Arbeitsscheue prominent und verdient sein Geld beim medialen Kaffeeklatsch in einer Talkshow. Deshalb sage ich, lieber selber tragen als getragen zu werden, ertragen zu werden. Ich bin lange genug getragen worden. Jetzt trage ich mich selber. Jetzt ertrage ich mein Schicksal. Welch Bild. Welch ein Bild. Ich trage mein Schicksal zum Tempel des Glücks. Ich rieche bereits die Kerzen am Portal, sehe schon die weißgekleideten Priester, ich schreite zum Altar und blicke der Hohepriester Venus ins fahle Gesicht: Dafür habe ich gearbeitet, für dieses Glück, gelitten, wie ein Hund.(er sinniert und plötzlich)

Gut, ich habe einen Brief gelesen. Einen. Einen einzigen. Ich wurde schwach, eines Abends hier, als ich da alleine stand. Draußen eine milde Sommernacht, die Lerche trötete gerade ein Liebeslied, und ich wusste, sie sang nicht für mich. Ich zog mich nackt aus und betrachtete mich im Spiegel. Ich musste locker 10 – 15 Flaschen Bier gesoffen haben, als ich alt und fett und nackt wieder aufwachte und den geöffnete Brief in der Hand hielt. Anna, oh Anna...bella, bella, bellissima

Früher als ich noch jünger war habe ich mich nie männlich gefühlt. Ich war auch immer so rund. Im Gesicht. Trotz Bart, weil der Bart allein macht nicht männlich. Aber jetzt, okay ein wenig Alkohol hat nachgeholfen. Bogart sagte zu seinem berühmtem Gesicht, dass es ihm paar Flaschen Whisky gekostet hat. Na, ja rauchen tue ich nicht. Außerdem wird man solch ein außergewöhnliches Gesicht auch nicht von der Steuer absetzen können. Auch nicht als Schauspieler.

Und als Fahrradkurier schon gar nicht. Wir essen ja auch mehr. Ich habe Kollegen die essen Kraftfutter. Die machen auch 100 bis 150 km am Tag. Jeden Tag. Können sich ausrechnen, was da in einem Bikerleben so zusammenkommt. Wie ein Profiradler. Ich mache nur 50, aber das reicht. Trotzdem bin ich Profi. Ich war mal auf dem Finanzamt. Wie sind ja Unternehmer, sprich Selbständige des Transportwesens. Mit Gewerbeschein. Ich wollte meine Finanztante fragen, ob ich nicht mein Mehr-Essen, quasi den Mehraufwand absetzen könnte. So eine Art Kilometerpauschale für den Speckgürtel. Ich saß vor ihr, so in voller Bikermontur und wollte fragen...Aber die Frage kam mir dann doch zu lächerlich vor und ich habe dann ... doch gefragt. Sie können sich die Antwort ja denken. Natürlich nicht.(ereifert sich) Jeder Geschäftsmann oder Politiker darf seinen Anzug, seinen Schlips, seinen weiß was absetzen und die teure Hotel, die vielen teuren Hotels. Die ganzen Edelnutten und was noch alles. Aber unsereins, unsereins, der wirklich arbeitet und seinen ganzen Körper einsetzt, der darf nicht einmal das Mehrfutter, geschweige denn das Mehrbier absetzen. Weil, wissen Sie, Whisky trinke ich nicht. Schon aus Prinzip. Ich bin doch kein Alki, oder was?(schaut verlegen)

Ja, halten Sie mich für einen Alki. Nur weil ich so aufgedunsen ausschaue, das liegt an der frischen Luft.(schaut sich im Spiegel an und wird wütend) Ich sehe doch aus die ein Bauer. Ja, das frustiert mich.

Das ist, weil ich immer an der frischen Luft bin. Aber ein Alki bin nicht. Ich nicht. Ich habe Berufsethos. Und ich gehe nicht in Hotels. Und wenn, dann nicht geschäftlich(lacht).

Vielleicht mal mit Anna, oder mit Marion, oder mit Gerda. Hmmm. Die ist mir mal im Fahrstuhl...gut Diskretion. Aber Sie glauben gar nicht, seit ich männlicher bin,...oder nicht? Ach, Sie haben kein Geschmack, ich weiß was ich wert bin. Und außerdem, mit den schönen Frauen ist es wie mit Architektur: schön gebaut, perfektes Proportionen, was fürs Auge, aber nicht zu benutzen, deshalb sind die wirklich schönen Frauen einsam. Weil da traut sich doch keiner ran. Und die Natur will ihr recht. Und ich habe Berufsethos, das können Sie mir glauben. Und ich muss nicht wie jeder Braunbär im Cabrio meine Kopulationsbereitschaft öffentlich kund tun. Brauche ich auch nicht. Das geht von alleine. Schon wegen der Waden. Verstehen Sie? Sind das Waden. Knallhart, das geht bis nach oben.(tippt auf seine Stirn) Aber dafür habe ich gearbeitet. 50km am Tag. Mit eiserner Disziplin und Willenstärke. Ja. Totale Selbstüberwindung.

(sortiert Briefe, riecht gelegentlich daran)

Nun wollen Sie wahrscheinlich wohl wissen, warum ich so geworden bin. Nun ich war schon immer so.(triumphiert)Ja.! Der Keim war schon weit vor meiner Geburt gelegt. So jetzt wird es spirituell. Vor meiner Geburt und noch weit davor. Nur die Gesellschaft, die wollte ich immer anders. Jede, die heutige und die damalige. In meinem früheren Leben war ich Botschafter. Da hat man uns noch geachtet. In Amt und Würden. Ich habe Botschaften empfangen und gesendet. Persönlich. Am Hof und so. Mit großen Damen. Dem König, dem Kaiser...(er hält inne)Doch auch damals war ich schon nicht kompatibel. In mir war immer eine Dimension mehr. Der Künstler, der Weltenschaffer. Das spüren Menschen. Wahrscheinlich auch der Kaiser. Früher waren die Herrscher nicht unsensibel wie heute. Größe ertragen die Menschen nicht. Innere Größe. Geist. Weltgeist. Damals haben sie es auch nicht ertragen und heute erst recht nicht. (trinkt und sortiert) Und ich musste immer die schlechten Nachrichten überbringen und was das damals bedeutet hat, können sie sich denken. Da sind diese hier richtig harmlos, eher ein Genuss(riecht an einem Brief). Nun, ich habe versucht meine Größe, also die innere zu verstecken. Denn niemand hat so akzeptiert, wie ich wirklich bin. Deswegen haben Sie mich immer ausgeschlossen. Nun, sagen Sie, das passiert fast jedem. Oder jedem. Jeder fühlt sich von der Gesellschaft ausgeschlossen. Jeder. Das ist ja der Inbegriff der Gesellschaft, jeder wird ausgeschlossen und strebt verzweifelt zum Zentrum, dort wo ein riesiges schwarze Loch gierig nach seinen Opfern klafft. Aber bei mir, (mit Pathos)bei mir, tut es richtig weh. Körperlich. Stellen sich nur vor sie müssen diese innere Größe in so einem kleinen Format halten. Das schmerzt. Das spannt die Haut bis zum Bersten und die Sorgenfalten hier, ist die Zellulites meiner gedemütigten Seele. Weil das Problem ist, das was ich mit den Leuten, oder die mit mir haben, ist, das ich Ich selbst bin. Ich kann mich nicht verstecken. In irgendwelche Lebensentwürfe. Lebensträume. Lebenslügen. Denn ich bin ich selbst. Im wahrsten Sinne des Wortes: selbständig. Mit aller Gewalt. Ich bin, könnte man sagen selbster wie alle andern. Und das verzeihen sie mir nicht. Jeder streitet um den ersten Platz. In allem was wir machen. Und das ich den ersten im Selbstsein habe, will keiner wahrhaben. Ja, das kann ich ihnen sagen.

(hält einen Brief gegen das Licht) Keine Angst, ich habe Berufsethos. Der geht an Dr. Schreiber, Vorstandvorsitzender. Ich bin ihm mal im Fahrstuhl begegnet. Vor der Ferne sieht er jung, dynamisch und erfolgreich aus. Aber aus der Nähe, so von Du zu Du, da merken Sie, bzw. ich merke, das er Angst hat, dass er nicht er selber ist, und das macht ihn gefährlich für sich und die anderen. Die wirklich Mächtigen, also die Könige zum Beispiel, die sind immer sich selber. Aber der moderne Manager ist Schauspieler, Blender und Täuscher. Zirkusdirektor. Daher der Name Maneger. Klar er hat ne Menge zu verlieren, aber er könnte, wenn er mich mal zum Coach nehmen würde, eine Menge gewinnen. Aber es gibt nicht viele die wirklich sich selbst sein können, Selbst die Bewussten nicht. Weil es ist eine Gnade ist. Ehrlich, und ich weiß wovon ich rede.

Und ich sage Ihnen, diese Anna, die hat das Zeug dazu, das weibliche Gegenstück zu werden.

Aber sie wird mich nicht wollen. Nicht erkennen. Weil sie hat noch keine Persönlichkeit, und deswegen wird sie, wenn sie mich sieht, aber besser erkennt, denn gesehen haben wir uns ja oft, wenn ich ihr die Post bringe. D.h. ich hole immer für einen Kunden, einen Großkunden, eine Bank, mehr darf ich nicht sagen, die Hauspost von der Zentrale am Abend. Und dann sortiere ich die Briefe über Nacht und bringe dann die Päckchen in die Filialen am anderen Morgen. Das ist eine feste Tour. Das macht die halbe Miete. Das können Sie wörtlich nehmen. Weil teuer ist der Raum nicht. Aber ich brauch nicht mehr. Duschen tue ich immer im Schwimmbad. Gut, das geht Sie jetzt nichts an. Sie arbeitet in einer Filiale. Und hat bestimmt eine Badewanne, in der sie sich, wenn es kalt wird draußen, abends, nach einem langen Winterspaziergang im Park...(war ganz weggetreten) Wahrscheinlich ist sie ein Lehrmädchen. Und weil sie auch kein Geld hat, immer dieses Porto. - was die Post heute verlangt, da sind wir ja fast günstiger- , oder weil ihre Mutter oder ihr Vater nichts davon wissen dürfen, vielleicht ist sie ja Türkin. Mir ist das wurscht, weil ich achte auf die Seele und nicht auf das Äußere. Und Anne, heißt ja auf türkisch Mama. Oh ja, sie wäre eine phantastische Anne. Die Bella Mama meiner Kinder. Perenna, das italienische Gegenstück, Anna Perenna, die Göttin des Frühling, meines zweiten....auf alle Fälle sendet sie Ihre Post, also ihre spezielle Post immer über die Bank. Nicht dumm die Kleine. Nicht? Also, wenn die wüsste, das ich, na ja, die würde kreischend weglaufen. Und recht hat sie. Recht. Schauen Sie mich doch an.

Äußerlich ganz passabel. Sportlicher Typ, das macht allein schon der Job. Aber der Charakter. Wer will heute schon Charakter. Etwa Sie? Oder Sie?

Und das tut weh. Ursprünglich habe ich immer versucht mich zu verändern, dadurch habe ich eine menge Rollen gelernt. Ich wollte mich immer anpassen: wenn du das nicht machst, bist du allein, allein wie alle andern. Und um so alleiner, missverstehen sie nicht die Formulierung, je alleiner sie sind, je weiter sie vom allgemeinen Gravitationspunkt entfernt sich, desto mehr Kraft brauchen sie um nicht weggeschleudert zu werden. In die Unendlichkeit. In den Wahnsinn. Neee, besser, in den Schwachsinn, das sagt ja schon der Name.

Und diese Anna, sie ist ein Gravitationspunkt. Mein Gravitationsfeld. Ozean. Oceanos. Wegen ihr werde ich nicht schwachsinnig sondern scharfsinnig.

Sie hält mich wach. Wegen ihr habe ich das Schreiben angefangen.

Ja, ich schreibe, beim Fahren fallen mir diese unglaublichen Formulierungen ein. Diese genialen Wortbrocken, an denen sich manch einer verschlucken würde. Ich dagegen muss lachen, bei so viel Genialität, auf offener Strasse. Gut, ich kann es kaschieren, dass es keiner merkt. Sonst würden die ja sonst was denken. Ich verziehe ein schmerzhaftes Gesicht, das jeder denkt, das sind die Bein- und nicht Hirnmuskeln. Klappt manchmal, nicht immer, denn ich kann ja diese Einfälle nicht gleich aufschreiben, so während ich fahre, sie wissen Berufethos und Unfallgefahr. Damit ich sie aber nicht vergesse, rufe ich mich zuhause an, und spreche mir auf den Anrufbeantworter, dabei bin ich immer sehr freundlich zu mir, weil ich höre mich ja dann ab, und fühle mich dann ein wenig geachtet. Wenn ich dann heim komme und mich abhöre, dann kann ich den Text oft nicht verstehen, weil ich außer Atem und im Verkehrsgewimmel einfach nicht durch gekommen bin. Ich bin dann ziemlich sauer auf ich und beschimpfe mich, dass mir die Nuggets so einfach aus den Hände geglitten sind. Ich bin Gott sei dank immer alleine hier. Ich brülle und schreie mich dermaßen nieder, dass ich fast angst vor mir bekomme könnte. Nach solchen Attacken fühle ich mich dann immer gereifter, menschlich und persönlich gereifter. Oder bewusster. Denn ich nehme mich dann ein weniger ernster. Weil das einfach genial ist, was ich da in mein Handy hineinbrülle, dass alle auf der Strasse sich umdrehen und genau dasselbe denken, was Sie gerade denken.

 

Ich habe auch schon einiges einem Verlag geschickt. Mit mäßigen Erfolg, weil ich, ganz der moderne Künstler in meiner Neomaie das Manuskript vorher immer bis zur Unkenntlichkeit überarbeite, sprich aktualisiere.

Oder besser ich entschärfe meine Formulierungen, weil die dann doch zu ehrlich sind. Sie können ja gerade einiges in homöopathischer Dosis erleben. Dann werde ich abgelehnt, das erhöht den Leidensdruck und muss weiter Schreiben.

Und das verdanke ich ihr: Annabella. Ich berausche mich an der Vorstellung, denken Sie nur ich bin völlig durchgedreht. Die Vorstellung, sie ist in mir drin. D.h., heißt in meiner superstarken Kurierbikertasche. Regenfest. Reißfest. Riemen, wie Abschleppseile, ein echtes Profi-Gerät. Das bekommen sie nicht im Baumarkt. Das haben nur echte Profis.

Also die Vorstellung sie ist in mir da drin. D.h. eigentlich nur ihre Seele, ihr Geist. Ja. Das beflügelt. Dass können Sie mir glauben. Dann schwebe ich nur so über den Asphalt, wie der Transrapid, ohne Zwischenstopp und rote Ampeln. Aber links und rechts die eisernen Bremsbacken(schlägt sich auch die Oberschenkel) Im Ernst, wir Biker sind mit Abstand die sichersten Verkehrsteilnehmer. Allein schon wegen des Ethos, dass der Beruf mit sich bringt. Unsere Unfall pro Kilometer-Performance liegt bei nahezu null. Gut, für uns gibt es keine grüne Welle, deshalb muss man manchmal, damit die Verdienstperformance, auf alle Fälle, sonst immer korrekt, weil, jeder Verkehrsteilnehmer könnte auch ein Kunde sein. Und wenn man dann in Verruf kommt, dann läuft irgendwann gar nichts mehr.

Gut, beim BMW-Fahrer mache ich eine Ausnahme. Nobody ist perfekt, wie der Ami sagt. Man hat so seine Leidenschaften, seine stillen, die kleinen Trittbrettfahrer des Humors. Sie verstehen. Ja.(brüllt) Die BMW-Fahrer sind Säue, widerliche brutale Säue. Strunz dumm und rücksichtslos. Vom Machismus dumm gefickt. Unfähig über den eigenen Kotflügel hinaus zu schauen. Beschränkt auf Armaturen, GPS-Navigation, McDonald Auffahrrampen und blonden Perücken.(wieder beruhigt) Na gut. Sie sind ja selbst Verkehrteilnehmer, sie wissen wovon ich spreche. Der Schwachsinn wurde von einen BMW gezeugt und vermehrt rasant wie die Formel 1.(macht Rennfahrgeräusche und wendet dabei den Kopf immer hin und her) Techno ist gar nichts dagegen. Denen hängt auch immer die Zunge raus. Nicht aus Erschöpfung, wie bei mir, sondern...aber Sie wissen ja selbst. Aber es gibt Hoffung. Die zartesten Pflanzen wachsen auf Gestein, hoch oben in den Bergen. Glauben Sie es mir nicht, dann werde ich es Ihnen beweisen...., so, jetzt ich werde ihnen etwas vorlesen. Oder besser nicht. Weil das darf ich nicht. Also gut, aber sie dürfen es nicht weitersagen.(er zieht aus einer Lade einen Brief öffnet ihn und liest)

Bob, BOOOOOB, BOOOOOOOOOBY!!

Das ist kein Name, das ist ein Zustand. (stößt auf)Bob. Also gut.

(liest)„es sind die Füße die mich tragen...“

hört sich trivial an. Na ja, ist es vielleicht auch. Aber, man muss diesen Satz im Kontext, also im Zusammenhang sehen. Sie, die zarteste Seele seid es Schokolade gibt, so leichtfüßig und nicht tönernd wie der Rest der Welt, wandelt...Kann man sagen wandeln? Hört sich irgendwie albern an.

(liest weiter)

„die stumme Stimme an meiner Brust!“

sehen sie es wird schon besser. Körperlicher...

(liest)„ist das Verlangen dich endlich zu sehen...“

Ja, sie sind sich noch nie begegnet. Noch nie!

Da können Sie sehen, was für Vorteile ich durch meinen Job habe.

(liest) „denn das Verlangen mich an deinem Wesen zu sonnen,

überkommt mich in der Dunkelheit, nachts, wenn der Nachbar,

der eifersüchtige Mitstreiter um die Gunst des Glücks,“

oh. Mann o Mann, könnte glatt von mir sein...

(liest) „das feuchte Gewissen aus den Keller!“

Das bin nicht ich, leider...

(liest) „welches mahnt, das der größte Schatz der Frau

nur dem einen, dem einzigen gehört,

dann stehst du, mein weißgebleichter Engel

nackt vor mir und ich kann nicht anders als...“

 

So das reicht, ich muss mal auf Toilette.(Er geht mit dem Brief auf Toilette. Es sind merkwürdige Geräusche zu hören. Er kommt wieder)

Halten sie mich bitte nicht für pervers. Aber ich bin durch und durch ein geistiger Mensch. Durch und durch....Wahrscheinlich Verbalerotiker.

So, hier die Antwort:

(holt einen Brief aus dem Sack)

 

„mein Spatzl, du schreibst fei schee, auch wenn ich nix verstehe. Mama meint du moagst mich.“ (wirft den Brief in den Müll)

WaS SAGEN Siw zu dieser mentalen Diarhö. Das ist der Grund für der Überbevölkerung. Dieses Pack kann nicht schreiben. Nicht lesen, geschweige denn eine feines Gefühl entwickeln, deswegen zeugen sie Kinder, aus reiner Einfallslosigkeit. Abertausenden. Ja es werden immer mehr dumme laute und gierige Menschen. Sie fressen einem die Haare von der Seele. Deshalb ist unsereins so nackt und friert. Der Lächerlichkeit und den geifernden Blicken des Mobs ausgeliefert. Über einen König lachen sie, einen Künstlerkönig, weil die Könige waren allesamt Künstler, mit ihren herrlichen Bauwerken und Musiken mit allem, was sie geschaffen haben oder schaffen ließen, gehen geht der Pöbel um, als wäre es ein Plastikspielzeug aus Disneyland. Ja, das ist eigentliche Katastrophe. Heute darf jeder alles. Jeder glaubt er sei ein König. Daher der lächerliche Slogan: Der Kunde ist König. Dabei müsste es heißen: die Kunde. Die Kunde ist König, Kaiser. Denn der Künstler vermittelt Kundschaften. Göttliche, himmlische, geheimnisvolle, nur für den Auserwählten bestimmt. Ja.! Aus der Endlichkeit des Kosmos. Aber ist lange her, denn heute benebelt Feinstaub aus Gier und Eitelkeit seinen klaren Blick auf unsere Ahnen. Ja, Sie ahnen worauf ich hinaus will. Überall der gleiche Müll, jeder hält sich für einen Schriftsteller. Jeder schreibt so gut er kann. Oder nicht kann, was meist der Fall ist. Sie glauben ja gar nicht, wie viele Neuerscheinungen allein in diesem Jahr, in diesem Monat, nein, in diesem Moment auf dem Markt geworfen werden. Ich weiß das doch, ich habe doch täglich mit Verlagen zu tun. Die moderne Literatur ist ein nicht enden wollenden Vulkan aus dem die Scheiße sich minütlich über die Menschheit ergießt. Doch die Wort sie sind vergeblich. Weil die Seele fehlt. Das Innere, die Notdurft, die Not, ja die Not, macht die Kunst. Kunst ist, wo der Schuh drückt.

Und Sie glauben ja gar nicht wie viele Fehler gemacht werden, heutzutage.

Ja, aus reiner Unachtsamkeit, Schusseligkeit, Eile, weil jeder hat es eilig. Sie müssen mal Montagmorgens zwischen 8 und 9 Uhr sehen, was da auf unseren Radwegen unterwegs ist. Da rasen sie frisch geschniegelt, mit noch undurchbluteten ein vom Wochenende ins Abseits gestellte, von unbefriedigter Sehnsucht zerfurchten Gesicht an einem vorbei, mit Rädern, ausgestattet, wie eine venezianische Ziegenkarre, alles klappert und wackelt. Nichts ist fest, und mit Schuhen mit denen man vielleicht das Selbstwertgefühl ihrer Kollegen, aber keine Pedale niedertreten können. Und mit einer Geschwindigkeit, die niemand, nicht einmal ein Profi wie ich wirklich handeln kann. Wenn man ehrlich ist und Ethos hat. Ja, jeder will der erste sein. Gnadenlos der erste. Im Büro. Oder sonst wo. Und so entstehen die Fehler. Ganz banale Rechtschreibfehler. Hier in dem Haufen. Sie müssen mal sehen, wenn ich nachts hier, vor Lachen nicht schlafen kann, weil ich über den ganzen Unsinn hier in den Briefen mich ausschütten muss. Und morgens gerädert, achten sie hier auf die brisante Formulierung, gerädert auf das Bike steige und die Welt zu hassen beginne und weiß, das wird ein Scheißtag, trotz Sonne und Sommerlaune und ich weiß, ich sollte nicht mit so einer Laune Kunden bedienen, denn das verstößt gegen unser Berufethos, Unfreundlichkeit. Ja, aber manchmal muss man es Ihnen auch zeigen, dass sie nicht alles haben können und das unser Lächeln unser demütiges, erschöpftes Lächeln ein Geschenk ist. Ein Geschenk aus den tiefsten Existenzen einer leidbereiten wilden Natur. Eine Huldigung an die Kultur. Verzeihen Sie diese starken Worte, aber manchmal bin ich ganz nah dran, da unten, in tiefsten dunklen Moloch unseres Ethos, Ethos, ja Ethos, Ehre, verstehen Sie? Und dann brodelt es nur so heraus. Wild, ungestüm und wahnsinnig männlich. Häha..Und. Na ja, um auf denn Brief zurück zukommen. Kleine Irrtümer. Sie beginnen immer ganz klein. Unbemerkt. Ein falsches Wort, eine dumme Bemerkung und schon ändert sich die Weltgeschichte komplett. Krieg, die Rechtschreibfehler der Geschichte. So wie dieser hier. (holt den Brief aus dem Mülleimer) Robert. Rooooo...bert. Verstehen Sie. Aber jetzt werden sie sich finden. Die Blindschleichen am nächtlichen Abendhimmel, zwischen Fleder- und anderen Mäusen. Denn ich habe ihn gehobelt, veredelt, aus Stahl zu einem Hochzeitsring geschmiedet. Ich bin sein Schreiberling, sein Sprachohr, das Echolot seiner unterentwickelten Empfindsamkeit. Weil meine Anna, ist eine ganz feine, ganz zarte...Und er: Sternzeichen Stier, Aszendent Planierraube.. Ja, oh ja, die Kunst ist die Prostitution des Geistes sagt Nietzsche. Vielleicht heiraten sie, ... wenn sie sich getroffen haben, und meine giftigen Liebespfeile ihre tödlich Wirkung in Vollendung entfaltet haben: wann? Ich muss darüber nachdenken, es muss der richtige Moment sein. Vielleicht zum Vollmond an einem Freitag. An der Isar, unter den Ulmen, noch ein leiser Schein vom Mond und nasses Geplätscher des Wassers. Ein lüsterner Abendwind umschmeichelt die Kronen der Bäume. Romantischer geht es nicht, oder? Frisch rasiert, mit Rasierwasser von Boss. Hugo. Ich kenne mich da aus. Ich weiß was die Frauen mögen. Vor allem die jungen. Ja. Nur schreiben darf ich ihr dann nicht mehr. Ja, ja, weil dann merkt sie ja, dass ich ihm die Briefe geschrieben habe. Und wird sich ärgern, weil der Bob zum Couch-potator mutiert ist und nur Bier trinkt und fern sieht, das sie in der ersten Liebe so blind war und nun diesen Deppen an der Backe hat und lieber mich hätte, der zwar ein bisschen älter, aber was im Kopfe hat, und der weiß mit Frauen umzugehen. Einer der weiß das die Horizontale und die Vertikale sich im Nullpunkt treffen, dort wo die Lerche und die Nachtigall sich wie der Abendhimmel und das feuchte Grass der Auenlandschaft sich sanft berühten. Neudeutsch vögeln. Der rohe Bert nennt das Chicken-Ficken.

(schaut verloren in ein imaginäre Landschaft)

Verzeihen Sie, wenn ich immer so abstrakte Bilder verwende, und verzeihen Sie, wenn ich mich immer entschuldige, aber wenn ich so erschöpft bin, dann kann ich nicht mehr logisch denken, dann steigt das Herz über den Kopf hinaus. Quasi. Ich kann dann nicht mehr zusammenrechen was 1 und 1 ist.(überlegt) 1. 1 Tropfen und 1 Tropfen sind 1 Tropfen. Ich kann diese komplexen Zusammenhänge nur noch in diesen Bildern ausdrücken, pressen. Das sind Gewaltakte, nächtliche Gewaltverbrechen meiner Phantasie an der Unschuld des Tages.

Sonst bin ich ein ganz harmloser Mensch. Eher christlich orientiert. Vielleicht bin ich deshalb so gutmütig, weil ich meinen Hass auf die Welt in eine andere Welt, ich will sie mal Müllwelt nennen, entsorgen kann. Dies hier ist die Müllwelt. Aber ich kann raus, jederzeit. Wenn ich mich vom Radeln erholt habe. Nehme ich neue Aufträge an, mit dem Handy und so verstehe ich mich als Retter der Welt, mit Gleichmut und Freundlichkeit. Selbst wenn so eine Schlampe von Sekretärin mir zeigen will, das ich das Letzte bin, und mich warten lässt und in aller Ruhe mir einer anderen Sekretärin die auch blond ist und frisch lackierte Fingernägel an den fetten Pranken hat, telefoniert, ich lächle, charmant. Oh, ich kann charmant lächeln. Sehr charmant. Wenn ich erschöpft bin. Wenn ich wirklich erschöpft bin, so nach etwa 100 km, kann mich sogar ein brutaler BMW-Fahrer schneiden und drängeln und hupen: ich lächle. Nicht charmant, aber freundlich. Freundlich. Nicht devot. Und wenn er: BMW= Brutalst Möglicher Wagenlenker, also das Schaf im Wolfspelz mit seinem Balkanporsche brüllt, schimpft und schon das Messer zückt, dann, ja, dann lächle ich , gnädiger Herr, seien sie nicht erbost, ich kann nur mein Leben verlieren, sie dagegen ihren Führerschein, dann, jaa dann habe ich sogar den übelsten Montagmorgen transformiert. Dann bin ich ein Filter für schlechte Gefühle und legen sich die hässlichen Gedanken wie Feinstaub auf unsere Seele, dann löse ich es mit meinem zewa wisch und weg Lächeln einfach auf. Und das schlechte Karma verflüchtigt sich im großen Nichts. Und ich lächle ihm nach. Weil sprechen kann ich nicht mehr, weil ich, wie gesagt außer Atem bin. Nur mein charmantes Lächeln hallt als Echo ewig im Kosmos nach...ich glaube ich lass das jetzt mal lieber.

Auf alle Fälle: Sie glauben ja gar nicht was für eine Wirkung das hat. Das nenne ich Berufsethos. Im Service, in der unmöglichsten Situation, beim schlechtbezahltesten Auftrag: ich lächle. – ja, das ist größte...das absolut größte. Sie erlauben(trinkt)

Aber es merkt keiner. Alle schauen nach den teuren Autos, wo sie drin sitzen und so tun als würden sie wichtige imails lesen, denn die haben mich bereits wegrationalisiert. Die schreiben mails und keine Briefe mehr. Die haben auch keine Anna. Nur noch BMWler iiimeals. Das ist der Untergang. Deswegen schauen sie auch immer so wichtig. Schlechtes Gewissen. In ihren schwarzen Limousinen in der Bullenhitze. Gut, die haben Klimaanlage. Nicht so eine billige wie die meine. Meine Naturklimaanlage, immer Wind und manchmal Regen. Aber die sitzen im sicher in ihrem Faradayschen Käfig, von jedem Gefühl abgeschottet und telefonieren, lachen und grinsen wichtig. Viele von denen sind viel jünger als unsereins. Machen sich über mich lustig. Jung, adrett, und so wichtig. Wahrscheinlich haben sie die Wichtigkeit geerbt.

Vor ihren Vorfahren. Die waren sicherlich keine Adelige, im Gegensatz zu mir, ich habe Adelsblut in mir, nicht viel, aber ausreichend. Eine Uururgroßoma von mir war Kammerzofe, Unterhalterin, Geisha und Dienstbotin in einer Person. Job-sharing.Damals schon, ..naja. Die Adeligen verstehen was von Lebensstil. Das haben wir im Blut, oder im Kopf. Wir müssen sich nicht wichtig machen, wir sind wichtig. Von Geburt aus, aber diese hier, diese, verzeihen Sie den Ausdruck: diese Bürgerlichen Limousinen-Fetischisten-Faschisten oder deren Vorfahren, die haben doch die Adeligen erschlagen oder erhängt, weil sie es nicht ertragen konnten, das jemand von Gottes Gabe wichtig ist und Stil hat. Lebensstil den man permanent zeigen und Anderen aufdrängen muss, weil man ihn nicht hat, ihn einfach nicht hat, den Stil, den Stil zum Leben. Dafür sie haben sie Geld, steuersicher in der Schweiz, wie Edamer oder Gauda auf lange Zeit eingebunkert, für alle Fälle und sie haben Prestige und...schöne Frauen.

Ich habe nicht mal Anna, Annabella....

Aber wenn mal das Finanzamt dahinterkommt, dann bekommt der schweizer Käse Löcher und verschwindet ganz, dann gibt es keine Mäuse mehr, den ohne Käse, keine Mäuse und Mäuse keine Muschi. Sie verstehen. Bei mir nicht, bei mir würde sie bis ans Lebensende schnurren, inkl. der restlichen 6 Leben. Nur läuft mir keine zu. Denn sie grasen nur fetten Weiden, wo das Geld sich von selbst vermehrt. Und ich habe ja nur Persönlichkeit. Eine zu bescheidene Wachstumsbranche.

 

Ob ich neidisch bin. Nein, schon aus Selbstschutz nicht. Da habe ich besserer Strategien. Zum Beispiel: Körperlichkeit. Die Schönheit des Körper, die Eleganz der Bewegung. Während der Tour de France nehme ich mir frei und schaue mir die schlanken rassigen Männer an. Bitte denken Sie jetzt nicht falsch von mir. Echte Männer, keine Muskelprotze, keine Platzhirschidioten. Sondern bescheidene, fast demütige - ihrer Kunst sich ganz hingebenden Männer mit der Ausstrahlung eines griechischen Helden. Androgyn beinahe. Mütterlich und väterlich - kräftig und sanft - aggressiv und still. Und ein Body, ein glühender, willenstarker Body. Sie müssen mal neben so einen sitzen, was da für ne Energie rüberkommt. Hoho. Ich glaube ich muss mich mäßigen, nicht? (überlegt) diese Arschbacken und Oberschenkel, die Waden, eine reine Augenweide. Die bekommt man nicht vom Gaspedal treten. Nee, nie und immer, das kann noch so ein fetter BMW sein. Gerne ein 7ner. Diese wohlgeformten Körperproportionen, gerade genug um als verlängerte Radgestell durchzugehen. Diese Biker scheinen mit dem Rad verwachsen zu sein, das müssen Sie sich mal beim BMWler vorstellen, Sportwagenfahrer, ha, nein kein Vergleich. Nicht annähernd. Nicht mal versuchsweise, selbst wenn er ein Radgestell fürs Wochenende hinten drauf hat, das er im Winter mit einem Skiträger austauscht. Reine Verzierung. Blondgefärbte Verzierung, verzeihen Sie, ich bin kein Rassist, aber es gibt doch einfach Stereotypen, die sich selbst zur einen Lachnummer runterreduzieren.

Anders, die Mittellosen. Die echten Sportler, also wir, die Radler. Diese Bewegungen, diese kleinen Tänze, kleine bis ins übermenschliche ausufernden Selbstüberwindungen. Das Leiden nicht als Selbstzweck sondern als Mittel zur Überhöhung und Heilung des Körpers. Heilung kommt von heil, sprich ganz , also die Verganzung des Körpers und des Geistes. Ganzheitlich, ja, und kostenlos, ja, da würde sich manch eine Betriebskrankenkasse die Finger nach lecken. Sport als eigen- verantwortliche Selbstdisziplin. Dann, wenn das Ego im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleibt, ist hier(zeigt auf seine Stirn)in dem unendlichen Raun endlich Platz für den Geist, den Geist der mit der Seelenkutsche, weil die Seele laut Mythologie ne Kutsche ist, oder Pferdewagen, also so eine Art vorhistorische Rennrad, gelenkt von einer blonden Amazone, oh Anna, oh Anna, Annabella, wie du göttliche mit dem Streitwagen das unendliche Universum durchstreifst, nur hier und da einen Blick für mich, der ihn wie einen Brosamen, mit hungrigern Herzen gierig hinterschlingt, bevor der Abteilungsleiter, der ist locker 10 Jahre jünger, seine fetten Autoschlüssel mit seinen fetten Fingern gewichtig auf den Tisch leger fallen lässt, schaut an, ich fahre BMW, und dann, als wäre es ihm lästig seine Post von mir entgegenzunehmen. Und sie, die göttliche, lässt sich blenden. Da stehen sich im Raum, Aphrodite, das ist sie und Hermes, das bin ich und Mars, das ist der Fettsack, und so muss sie sich entscheiden: Schwachsinn oder Wahnsinn. (trinkt und betastet resigniert seine Waden)

Ach, manchmal weiß ich einfach nicht was besser ist. Manchmal fühle ich mich so müde. Innerlich müde. Und das merkt sie. Und so flüchtet Sie unter den Deckmantel des vermeintlichen Beschützers. So sind sie, die Frauen, die nehmen immer den einfacheren Weg. In dem Falle den Schwachsinn.

Das sind die Gene. Und die entscheiden sich für das leidunerfahrene nur auf In und Output reduzierte Krümelmonster, dessen Konsumfähigkeit aus allen Nähten platzt, während hier - im dunkelsten Keller der Stadt: der wahre Held steht, hier wo der Körper zum Geist und der Geist zum Körper wird. Wo das irdische Ego...(hält inne) Gut, ich höre gleich auf. Ich muss nur den Moment genießen. Gleich: Wo der Geist in den Körper sinkt, mit den unglaublichen Bewegungen zweier aus Stahl geschmiedeten Oberschenkel, die wie zwei Kolben aus der Lende heraus, die mentale Schwerkraft leichtfüßig, haha, leichtfüßig überwindet: Ja, von da kommt unsere Kraft: Ja, von der Lendengegend, mit all der Kompression, urgewaltig und umweltfreundlich. Eros pur. Das erklärt eine Menge, nicht? Manchmal frage ich mich sogar, warum ich überhaupt dafür bezahlt werde. Andere zahlen für ihren Spaß.

Nur ich und Kolleginnen vom horizontalen Gewerbe verdienen an ihrer Lust , denn der sexuelle Aspekt bei unserer Arbeit ist nicht zu unterschätzen. Theoretisch. Ich bin zwar ein geistiger Mensch, sie haben es gemerkt, aber durch meine sportliches Training bin ich einfach fit, fit für die Liebe, für Frauen, Weiber. Seit ich radle habe ich mehr Libido, viel mehr, unvergleichlich mehr, ich kann so oft und so viel ich will, d.h. ich könnte, weil klappt es mit den Frauen nicht so. Ich bin zu gehemmt. Einfach zu viel Libido, ich will da auch niemanden überfordern. Außer im Fahrstuhl. Sie verstehen.

Nicht mit Anna. Meine Anna ist was fürs Leben. Fürs Träumen. Und Anna ist auch nicht tätowiert. Heute tätowiert sich jeder, oder jede, das ist eine richtige Epidemie. Eine Mode mit Körperverletzung. Löcher in die Haut stechen. Mode als Selbstverstümmelung. Weil man spürt ja sonst nicht mehr. Wenn es Mode wird sich den Schwanz abzuschneiden. Ich würde das nicht machen. Oder etwa sie? Ich auf jeden Fall nicht, nie. Da bin ich ganz ein Konservativer. Sonst liberal. Da aber nicht. Aber die machen das. Vor allem Frauen. Ich finde das ekelig. Gut ich habe nicht zu melden. Die schauen eh weg, wenn die mich sehen. Das ist die Demokratie. Jeder wie er will. Aber ich könnte es mich keiner machen, weil wissen sie, eine Frau die mit ihrem Körper so umgeht, wie im Mittelalter die Mönche.

Mea culpa, mea volva, und sich mit dem ganzen Zeug voll hängt, weil man spürt sonst nichts mehr, und dann liegst du auf der Mama drauf und musst aufpassen, das du dich nicht ernsthaft verletzt, an dem Gebaumel. Also ich könnte das nicht. Ich nicht, ich bin Ästhet. Ich denke dann immer an Männerschweiß und Käsefüße. Ich finde es einfach proletisch. Stellen sie sich vor sie haben wie eine gesteigerte Libido, so wie ich zum Beispiel, arbeiten sich ran an das andere Geschlecht und sind ein Profi wie ich, der sich nichts raushängen lässt, allein schon wg. des Ethos, arbeiten sich also ran an himmlischen Töchter mit allen Schikanen, und dann liegt die Angebetete gebrauchsfertig vor Ihnen und dann Sie schauen auf ein Bild, auf eine Tätowierung, wollmöglich noch ein Bild von eine anderen Mann. Mit Gebaumel und so. Also basta, ich kann das nicht. Nie und nimmer..

 

Ganz anders meine Anna. Dieser weiße Teint, diese weiblichen Rundungen, nicht so ein Joghurt-Becher von der Stange. Ganz pastellen, Elfenbein...Ouh Anna...

Ich bin eben Künstler. Genießer. Sagen wir es frei raus: adelig. Zumindest zum Teil. Genetisch. Und der Mob, der versteht nichts davon. Der befreit sich 4 Wochen im Jahr von seinem Joch. Ich nie. Ich bin Vollzeit. Ich brauche kein Urlaub in fremde Länder, um wie Toastbrot in der Sonne zu braten und mir die Hautgene kaputt zu klonen nur um streifenfrei braun zu sein. Braun und schrumpelig. Und das soll schön sein? Nun bei mir das was anderes. Ich sehe schon von Berufs wegen so aus. Wir jeder normale Bauarbeiter. Aber ich habe Sinn für das Feine, das edle, und Anna ist edel. Hätte der Mob damals nicht so über die Stränge geschlagen und die Adeligen gemeuchelt und die Macht übernommen, sie, meine Anna wäre am meinem Hofe, wenn ich einen gehabt hätte. Wahrscheinlich, ich habe ja die richtigen Gene. An meinem Hofe wäre sie die Königin der Schönheit gewesen. Ganz ohne Laufsteg und den Schnickschnack. Denn ich bin, d.h. ich wäre Künstlerkönig. Aber mit der Kunst ist es weit her, sehr weit. Warum glauben Sie geht es mit der Kunstgeschichte nicht weiter? Hm? Fragen Sie die fetten Schreiberlinge, die auf den Feuilletons sitzen geblieben sind und sich wie blöd zuprosten. Ich sage ihnen warum, weil der Künstler, also der wirkliche Abenteurer gar nicht anders kann, als von seinen eigenen erlebten und erlittenen Geschichte zu erzählen. Und wer hat heute schon noch Geschichte. Etwa Sie oder Sie? Niemand hier, der sich ein Ohr abscheidet, um die Kälte zu spüren, die ihn umgibt?

 

Waren Sie schon mal im richtigen Theater? Ich meine son richtige mit allem drum und dran.

Wissen Sie was da der Eintritt kostet? Sehen Sie, so einer wie ich, der kommt das ja gar nicht rein. Schon finanziell nicht. Aber ich bin das was die moderne Kunst unter den Extrakt der Kunst versteht. Die Identität von Geist, Körper und Seele, das bin ich und zwar völliger Erschöpfung. Verstehen Sie? Ja. Jetzt habe ich mich verrannt. Ich muss ein wenig trinken.

 

 

Aber ich will doch noch eines feststellen. Ganz kurz, ich werde Ihnen danach noch was vorlesen. Also die Kultur, oder das was sich dafür hält ist der einzig unangezweifelte Ort, an dem sich die Stasi und der Mafiosi freundschaftlich die Hand reichen. Ja, jetzt wird es subversiv, jetzt bohren wir am Stamme. Sie können gerne weghören, wenn sie Angst haben, das hier irgendwo Mikrofone oder Kameras versteckt sind und sich um Ihre berufliche Zukunft sorgen müssen. Ja, ich habe jetzt einiges mitzuteilen. Ich spreche von der Subventionspolitik. Haha. Und ich bin mir vollends bewusst, das ich mir gerade keine Freunde mache, aber mir kann nichts passieren, weil ich nie Subventionen zu bekommen werde. Weil meine Kunst viel zu echt, zu existenziell ist. Meine IchAG: ICH als Gesamtkunstwerk. Die da ertragen es ja gar nicht, das hier der Vollender der Romantik, der Rächer der Feinsinnigen, Schwachen und Subtilen. Der, der sich und seine Welt derart ernst nimmt, das er selbst unter seinem vorgetäuschten, gespielten Schmerz wirklich leidet. Leidet wie ein Hund - Spüren sie diese Genialität – jetzt in diesem Augenblick – wo sich die Welt, der Kosmos auf dieses eine Wort verschmilzt: Leiden! Leidenschaft – Passion - fast nicht auszuhalten. Nicht? – (schaut um sich)Oh welch edler Geist ist hier zerstört - Der cyniker. Sie wissen. Cynos, der Hund. - das waren die Philosophen im alten Griechenland, die nicht in die Akademie durften. Die Zyniker wohnten daher außerhalb von Athen, von der Kultur quasi, so wir hier. Diogenes, der mit der Tonne, war wohl der Bekannteste. Geh mir aus der Sonne hat er mal zum großen Alexander gesagt, als der ihm die Sicht versperrte.

Das könnte ich so manch einer Schlampe zu rufen, Tschuldigung ich muss mich mäßigen, das macht das Bier, also so eine Dame zurufen, die mir auf meinen Radweg im Wege steht, wenn ich mit 30 Sachen, gut das ist nicht wirklich viel, aber ausreichend.

Nicht das sie jetzt denken ich hasse insgeheim die Frauen, weil sie mich nicht wahrnehmen, sondern immer irgendwelche Plakate oder Schaufenster anglotzen, wie im Kino durch die Welt laufen und nicht mich, bzw. meine Waden, na ja, - was wollte ich noch erzählen – ach ja, wenn ich fahre bin ich hoch konzentriert – ich würde nie Alkohol zu mir nehmen, wenn ich fahre, das wäre viel zu gefährlich, außerdem verdirbt es den Atem. Also wenn ich so fahre, dann gibt es genau 3 echte Gefahrenquellen : ersten der Sturm, dann, Sie können es sich denken, der BMW-Fahrer und, nun, na die Frauen. Nicht alle. Aber alle ab 15, ab der Pubertät. Ich weiß, das sind Vorurteile. Aber die kommen doch irgendwo her. Oder?

Stellen sich also folgendes vor: Ich fahre nur geradeaus. Geradeaus. Auf meiner Fahrspur. Ich sitze auf meinem Asphaltpflug, achten Sie auf die Formulierung, meinen Schneepflug, hähähä, dann vor mir. Auf dem Fahrradweg, auf meinem Fahrradweg: 4 Frauen, Weiber, ich weiß was ich zu tun habe. Ich bin ja Profi, ich pfeife, ich klingel, ich kann sehr eindringlich klingeln. Hähä, aber keine Chance: ab der Pubertät sind die Ohren mit Östrogenen zugewachsen. Also keine Reaktion. Ich fahre langsamer, schiebe fast. Nichts. Kaum an der Gruppe. Ich klingel diesmal ganz ganz leise, zaghaft, fast unterwürfig. Was dann? Was glauben Sie, was dann passiert, hm. Aus ihrem Gespräch aufgeschreckt, kreischen alle, wie von der Tarantel gestochen, in allen Stimmlagen, von alt, oder Bass bis zum höchsten Sopran. Im Kanon, vor und zurück. Der Vorteil der Emanzipation ist, dass man keine Rücksicht mehr nehmen muss. Nicht das sie jetzt denken, ich hätte meine Freude dran. Anfangs vielleicht. Ich liebe ja die Frauen, so auf meine Art. Und sie nehmen mich ja auch für einen Moment richtig wahr. Aber, die Genugtuung ist meist schon nach de 5 mal, das ist der Schnitzt am Tag, verflogen. Denn man ist dann genervt. Die laufen auf den Weg herum, als wären sie im Kaufhaus oder beim Frisör. Keinen Sinn für die Gefahr. Das ist was ich weibliche Flächenwahrwahrnehmung nenne, ganz im Gegensatz zu der männlichen, der Sperrspitze des Willens mit der ich immer ins Schwarze treffe. Und hier in vierfacher Ausfertigung: also die erste, meist die jüngste dreht springt nach links, die zweite nach rechts, die dritte bleibt einfach erstarrt stehen und die vierte macht alles gleichzeitig. Alles ohne Struktur, jede wie sie will. Chaos und Gaya, sie wissen schon.. Das sind Gene. In der Stresssituation sind Sie einfach nicht mehr ihrer Sinne mächtig wie sie ihre Hormonen sortieren müssen. Ja, ja, die Gene....

Ach ja, jetzt weiß ich wieder: der Zyniker. Der Zyniker ist der Schmerz der Kultur, der Stachel, der die fette faule Sau des Fortschritts auf Trab hält. Die Welt voranbringt. Alles im geheimen, im nicht veröffentlichten Raum. Z.b. im Keller. Deswegen dankt es einem auch keiner. Lob erhält nicht Koch, sondern die Bedienung, der Händler nicht der Produzent. Denn die wahren und echten und neuen Idee entstehen weit vor ihrer Zeit, weit weg vom Zentrum der Stadt. In der Vereinsamung und in der Bewegung. Ja, in der Bewegung. Hölderlin hat im Gehen gedichtet. Schiller und Goethe im Sitzen. Deswegen sind die Texte auch so schwer verdaulich: Hirnblähungen. Dagegen Hölderlin. Leicht und luftig. Beschwingt, ja beflügelt. Hat an der Krümmung, spricht beschleunigtem Neckar gewohnt. Im Turm. Na ja, er ist auch verrückt geworden. Das Unstete ist die Fliegkraft des Fortschrittes könnte man sagen.

Oder nicht? Aber es dankt einem niemand. Ich kann das ertragen. Ich bin stolz und weiß von meiner Stärke und kann das Schweigen selbst von Anna ertragen.

Oh Anna, Annabell . Sie hat mich noch angeschaut. Ich meine so richtig. Vielleicht sollte ich mal meine Klingel mit ins Büro bringen, wenn ich ihr die Post bringe. Sie sehen: der Neckar ist überall. Sie will wie alle Anderen nur Mittelmäßigkeit. Einen Ernährer. Spannungslosigkeit, ja sagen sie es, sie wollen ihren Frieden, Grabesfrieden. Und ich? (bricht in Weinen aus) Ich will ja auch nur in ihren weißgebleichten Armen liegen und von Sommerfrische träumen.(weint)

Eigentlich wollte ich das alles gar nicht erzählen weil das geht sie nicht an. Sie haben sicherlich ähnliche Probleme und wollen auch mit ihrem Schmerz alleine bleiben, aber ich kann nicht anders als...

 

Jeder macht das was am besten kann, ich kann radeln und denken und und leiden...

Und das gehört unauflöslich zusammen, nicht nur als Ergänzung sondern, als Bedingung wie Raum und Zeit, wie Anna und Ich.

Wenn ich fahre ist das nicht Arbeit sondern Meditation, die Gedanken kommen wie Bläschen. Normalerweise gehen wir denen nach, weil uns nichts anderes einfällt, das nennt man träumen, Tagträumen, ich habe aber nicht die Kraft denen nachzugehen, so kommen Bläschen um Bläschen. Voller Erschöpfung schaue ich dann in das schwarze Loch vor mir, noch halte ich mich am Geländer der Vernunft, dem Lenker unseres selbstgebauten Schicksals fest. Aber dann, dann...dann...

 

Wissen Sie was ich jetzt mache. Ich schreibe jetzt meiner Annabella, ich bin aufgewacht. ich werde mich offenbaren ja, ich bin Bob. Ich bin es. Bob ist tot, es lebe Bob.

(schreibt) Sommer. Nein das geht nicht, Frühling, das hört sich ja noch blöder an. Himmel, du, Du Himmel, du, du, du Himmel mein, du Himmelchen, igitt, das hört sich nach hoher Kunst an. Himmel, du von Wolken umschenkeltes Paradies, ich küsse dich, dass du Regen bringst auf mein Wüsteneiland. Ich kann nicht. Ich kann nicht, wenn man mir zu schaut. Schreiben ist, wie soll ich sagen, immer ein kleiner Seelenstrip, wenn man es ernst nimmt und ich nehme es ernst. Vielleicht zu ernst. Beim schreiben öffnen sich die Sinne, es öffnen sich Himmel und Hölle und manchmal auch die Hose. Tschuldigung. Ja es ist so, schreiben ist ein erotischer Akt. Wenn man zuviel Libido hat, wie ich, dann kann man immer, selbst hier im Keller. Aber nur wenn keiner zu schaut, sonst bekomme ich Ladehemmung. Schreiben ist ein Erkenntnisprozess. Man schaut tief in seine Seele, taucht in einen unendlichen Tunnel ein. Und am Ende, wenn aller Belast des täglichen Lebens abgefallen ist, steht man vor einem Licht, das aus einem Spiegel mir entgegenleuchtet, und dieses Licht schreit mir zu (schreit laut) Ich bin es. (er hält inne) Ich. Dieser Raum bringt mich auf merkwürdige Gedanken. Ja, ich muss einfach zu mir stehen.

(schreibt) An Anna, Ananana, nah, liebste Bella Anna: Ich bin es..(schließt den Brief).

Ja, zu dieser innere Größe muss man erst mal gelangen. Ich bin Ich. Großartig.

Das Ziel und Ende meiner IchAG. ICH, welch großes Wort.

Ja, ich bin also so in aller Stille gereift. Denn das Glück hat keinen Mund, hat keine Ohren, es ist ein Monade, es hat keinen Eingang und keinen Ausgang. Es ist einfach da. Einfach da. Wie mein kleiner Spiegel Annabell.

Und dem werde ich mich mutig und männlich gegenüber stellen, gleich morgen früh, in der Schalterhalle. Es werden viele Kunden in der Bank da sein, die ängstlich um ihr Geld keinen Blick für mich haben. Nur die Kameras an der Decke halten den größten Augenblick der Weltgeschichte fest. Die Verichung es ICHs. Ich stehe in der Schlange. Habe Fieber. Dann bin ich dran. Sie schaut auf ihre Formulare und schreibt noch etwas. Stille. Die Welt bleibt stehen. Nur der Engel der weißgebleichte Engel hebt ihren Kopf und da strahlt mir alle Herrlichkeit entgegen, Unsere Blicke treffen sich wie zwei Spiegel in denen sich die Schmetterlinge im Bauch unendlich verdoppeln, noch bevor ich in ein tiefes Loch versinke reiche ich ihr den Brief.

Ihre Augen betrachten mein Meisterwerk. Stille, mein Herz schlägt laut, lauter, ein Kopf nach den anderen wendet zu mir. Dann Stille, mein Herz hat aufgehört zu schlagen. Ihre weißgebleichte Hand greift unter den Tisch in meine Richtung. Ich muss mein Stöhnen, meine innerste Befriedigung zurückhalten. Mir geht die Phantasie durch. Ich weiß um ihre weißgebleichte Hand. Es herrscht die Stille, vor dem Urknall. Bevor Gott, die Welt und dieses wunderbare Geschöpf geschaffen. Plötzlich Peng - ein Schuss, ich falle zu Boden, ich verblute. Sie schreit, weint und fleht und ich sterbe den Heldentod in Ihren weißgebleichten Armen. Amen! Ich muss aufhören zu träumen. Denn fünf Polizisten bleiben die Tränen im Auge stecken, gerührt vom Liebestod des Tristan und der Isolde. Herrje, ich muss aufwachen. Ich muss aufwachen. Muss den Tatsachen ins Auge sehen. Der Tatsache, dass ich viel zu alt bin und gar nicht vor ihren Füßen knien kann. Nein, weil ich habe Arthrose. Da staunen Sie was? Das haben Sie die ganze Zeit nicht gemerkt. Ja, ich habe brutale Schmerzen, in den Sehnen und Muskeln. Weil ich bin zu alt für den Job, viel zu alt. Aber ich halte eine Menge aus, denn es geht um etwas anderes. Um etwas weit höheres. Das Glück und die Bescheidenheit. Die meisten Menschen sind körperlich soweit gesund, ich nicht, aber die Gesunden hassen, ja, wer Reich ist, jammert, wer Sicherheit hat, hasst. Welch gerechter Widerspruch. Und ich habe Schmerzen, aber ich liebe, vom ganzen Herzen, rein und selbstlos, das große Geschenk der Erschöpfung und dafür lohnt es sich, zu Leiden und Anna nicht zu bekommen. Nicht mehr hassen zu müssen. Das ist wirklich erhebend. Sie spüren, dass sie verachtet werden, aber sie lieben. Sie werden bespuckt und geschlagen...letzte Woche hat mich jemand gehaut, auf der Schillerstrasse, weil der hat mich nicht mögen, das ich auf dem Gehweg fahre, dann bin ich mit dem Kopf gegen ein Taxi.

Der Fahrer war Türke und hat nicht geschimpft, sondern nur gelacht wg. der Beule im Lack. Man lernt nie aus. Aber das interessiert Sie ja gar nicht, Sie wollen das Positive hören, wie in meiner IchAG glücklich werde und Sie wollen wissen warum gerade als Fahrradkurier, warum so ein intelligenter Mensch wie ich, der könnte doch Dichter werden, oder Politiker oder gleich Schauspieler. Ich war in den unterschiedlichsten Jobs tätig, hatte Karieren vor mir, aber dann habe ich eine Menge verstanden. Nach einem Unfall. Wink des Schicksal. Ich war und bin immer ein Träumer gewesen. Sternzeichen Waage, Aszendent Zwilling, Transzendent Platon. Sie Verstehen. Immer Träumer, ein träumender Engel, den die neidige Realität den rechten Flügel abgeschossen hat. Jetzt fliege ich im kreise, umkreise die Welt und seid einiger Zeit umkreise ich den Kosmos, denn ich habe begonnen meine Persönlichkeit aufzugeben. Den Belast abzuwerfen, um einzutauchen in den Fluss, der zielbewusst das Meer der Erfüllung erreichen wird. Dort wo Stille herrscht und ich nicht mehr hassen muss.

So, jetzt bin ich wieder fit. Für draußen und für Anna, wenn ich mich traue, wer weiß, vielleicht erzähle ich es Ihnen, wenn wir uns auf der Straße begegnen. Und wenn ich lächle, Sie wissen warum. Ich werde ein kleiner Sonnenstrahl in ihrem Leben sein. Tschüß.

 

Ende Flasche Bier fällt um...

 

(Black Out)